Warum gibt es 71 Abgeordnete?

Vom / Landtag, LpB

…weil es so in der Landesverfassung (Art. 20, Abs. 2) steht. So würde jedenfalls die einfache Antwort lauten. Eine neue Folge aus der Reihe: Fragen an die LpB.

Steffen Schoon, LpB: Die Anzahl der Abgeordneten wurde im Verfassungsentwurf von 1993 auf 71 festgelegt. Nach der Annahme der Landesverfassung durch den Volksentscheid am 12. Juni 1994 galt diese Zahl erstmals für die Landtagswahl im Oktober 1994. Der erste Landtag (1990-1994) bestand hingegen nur aus 66 Abgeordneten. Diese Zahl geht auf das Länderwahlgesetz der DDR vom Juli 1990 zurück.

Bei der Erarbeitung der Landesverfassung war es den Verfassungsmüttern und -vätern wichtig, dass der Landtag aus einer ungeraden Anzahl an Abgeordneten zusammengesetzt ist. Man wollte verhindern, dass es – wie nach der ersten Landtagswahl 1990 – zu einem Patt oder unklaren Mehrheitsverhältnissen im Parlament kommen kann. Zum Hintergrund: Die damalige Koalition aus CDU und FDP konnte nur durch einen „Überläufer“ von der SPD eine Mehrheit erreichen, was in der Folge zu einer starken Polarisierung und auch zu persönlichen Zerwürfnissen zwischen den Parteien führte.

In der Verfassung ist jedoch von „mindestens“ 71 Abgeordneten die Rede. Was verbirgt sich dahinter?

In der Tat kann die Anzahl der gewählten Landtagsabgeordneten unter Umständen auch größer als 71 sein. Grund hierfür ist das Wahlsystem. Wie auch bei der Bundestagswahl wird der Landtag nach einer sogenannten „personalisierten Verhältniswahl“ gewählt. Danach bestimmen die Wahlberechtigten mit der sogenannten Zweitstimme über die Anzahl der den Parteien zustehenden Sitze im Landtag und damit über die Mehrheitsverhältnisse. Im Grundsatz soll die Sitzanzahl möglichst genau das Stimmenergebnis der Wahl abbilden. Das gelingt aus rein mathematischen Gründen allerdings niemals ganz exakt. Vor allem aber die 5-Prozent-Hürde führt zu einer – durchaus beabsichtigten – Überrepräsentation derjenigen Parteien, die den Einzug in den Landtag geschafft haben.

MV ist daneben in 36 Wahlkreise eingeteilt. In diesen wird jeweils – mit der sogenannten Erststimme – ein Kandidat direkt durch die Wahlberechtigten gewählt. Zum Sieg reicht die einfache Mehrheit aus. Die Stimmen aller anderen Kandidaten bleiben dabei also unberücksichtigt.

Bei der Vergabe der Mandate auf Grundlage der Erst- und Zweitstimmenergebnisse wird dann wie folgt vorgegangen: Auf die Landtagssitze, die den Parteien laut Zweitstimme insgesamt zustehen, werden als erstes die jeweils errungenen Direktmandate angerechnet. Die Gewinner der Wahlkreise ziehen also in jedem Falle in den Landtag ein. Bleiben noch Sitze für die Parteien übrig, so werden diese mit den Kandidaten auf den sogenannten Landeslisten besetzt – und zwar der Reihenfolge nach – bis schließlich alle 71 Plätze vergeben sind. Im Regelfall sind also 36 Abgeordnete direkt in den Wahlkreisen gewählt (aktuell von SPD, CDU und AfD) und 35 über die Landeslisten.

Überhang- und Ausgleichsmandate

Nun kann es aber auch sein, dass eine Partei über die Direktwahlkreise mehr Mandate gewinnt als ihr nach den Zweitstimmen insgesamt zustehen. Da die Gewinner der Wahlkreise aber in jedem Fall in den Landtag einziehen, würde sich in diesem Fall die Gesamtzahl der Abgeordneten entsprechend erhöhen. Man spricht dann von Überhangmandaten.

Gleichzeitig hat dies aber zur Folge, dass das Stimmenverhältnis zwischen den Parteien künstlich verändert wird. Um diese Verzerrung wieder auszugleichen, werden allen im Landtag vertretenen Parteien zusätzlich sogenannte Ausgleichsmandate zugewiesen. Und zwar so viele, bis das Mehrheitsverhältnis zwischen den Parteien wieder stimmt. Durch diese Überhang- und Ausgleichsmandate kann sich die Gesamtzahl der Landtagsabgeordneten also deutlich erhöhen. Bislang ist dieses Szenario in MV zwar noch nicht vorgekommen. Mit Blick auf aktuelle Wahlumfragen ist es aber nicht unwahrscheinlich, dass dieser Fall zur nächsten Landtagswahl 2021 erstmals eintreten könnte.

Theoretisch könnten sogar weniger als 71 Abgeordnete im Landtag vertreten sein. Dies würde passieren, wenn eine Partei nicht genügend Kandidaten in ihrer Landesliste aufgestellt hätte, um alle ihr zustehenden Landtagsmandate zu besetzen. Diese Sitze im Landtag blieben dann leer.

Die Anzahl der Landtagsmandate war im Übrigen in der Vergangenheit immer wieder ein politisches Aufreger-Thema. So forderte der Bund der Steuerzahler mehrfach, den Landtag zu verkleinern und die Zahl der Abgeordneten zu reduzieren. Als Begründung wurden insbesondere mögliche finanzielle Einsparungen angeführt. Dieser Forderung hielten die Gegner der Verkleinerung insbesondere die Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit des Parlaments sowie die notwendige Betreuung der flächenmäßig großen Wahlkreise durch die einzelnen Abgeordneten entgegen.

Fragen an die LpB

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