Im besten Sinne „systemrelevant“

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Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Foto: Cornelius Kettler

Wie geplant beginnt am 13. Mai um 10 Uhr der erste Sitzungstag in Schwerin. Weshalb ist es wichtig, dass der Landtag auch während der Corona-Pandemie tagt? Aus unserer Reihe: Fragen an die LpB.

Steffen Schoon, LpB: In Krisenzeiten ist in der Regel die Regierung gefordert. Sie kann öfter als sonst üblich über Verordnungen Entscheidungen alleine treffen. In den Nachrichten sieht man daher vor allem Regierungschefs oder Minister. Umso wichtiger ist es gerade jetzt, dass auch die Parlamente, also Landtage bzw. der Bundestag, Präsenz zeigen.

Landtage und Bundestag – und ganz ähnlich auch Kreistage und Gemeindevertretungen – sind im besten Sinne des Wortes „systemrelevant“ für unsere Demokratie. Hier spiegelt sich zuallererst der Anspruch des Grundgesetzes und der Landesverfassung – „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ – wider. Demokratien leben davon, dass ihre verfassungsmäßigen Institutionen auch in schwierigen Zeiten funktionieren und handlungsfähig sind. Sie sind die Säulen des politischen Systems und des Rechtsstaates.

Landtag ist das zentrale Forum

Parlamente haben ganz zentrale Funktionen, die nur sie allein ausfüllen können. Obwohl die Corona-Krise momentan alles überlagert und auch ganz praktisch die Arbeitsabläufe im politischen Betrieb erschwert, darf zum Beispiel die Gesetzgebung nicht lahmgelegt werden. Die Abgeordneten sind gewählt, um Regeln und Lösungen für grundsätzliche gesellschaftliche Probleme zu finden. Diese sind ja durch das Corona-Virus nicht verschwunden.

Die unterschiedlichen Interessen in der Gesellschaft müssen weiter vertreten werden, auch und gerade in der jetzigen Situation. Diese Repräsentation ist die vornehmste Aufgabe von Abgeordneten. Demokratien sind darauf angewiesen, dass unterschiedliche Argumente und gegenteilige Ansichten in einer öffentlichen Debatte ausgetauscht und zu Gehör gebracht werden. Der Landtag ist hierfür das zentrale Forum. Ebenso muss das Parlament seiner Kontrollfunktion nachkommen können, in dem sich die Regierung der Diskussion mit den Abgeordneten über ihre Entscheidungen stellt.

Länder übernehmen Funktionen für Bund

Die öffentliche Wahrnehmbarkeit des Landtags in der aktuellen Lage ist auch deshalb wichtig, da die Entscheidungs- und Handlungsspielräume der Landesparlamente in den vergangenen Jahrzehnten ganz generell enger geworden sind. Hierfür sind die Kompetenzverlagerungen auf die Bundesebene und vor allem hin zur Europäischen Union verantwortlich.

Denselben Effekt hat zudem die sogenannte Exekutivlastigkeit des deutschen Föderalismus, das heißt: Die Landesregierungen sind über den Bundesrat an der Bundesgesetzgebung beteiligt, die Landtage haben dagegen keinen Einfluss auf das entsprechende Abstimmungsverhalten des Landes. Darüber hinaus übernehmen die Länder oftmals gesetzesausführende Funktionen für den Bund. Hierfür sind aber vor allem die Länderregierungen mit ihren Verwaltungen verantwortlich, nicht jedoch die Landtage. Zum Beispiel werden im Infektionsschutzgesetz ausdrücklich nur die Landesregierungen ermächtigt, Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten vorzunehmen.  

Logik des parlamentarischen Regierungssystems

Ganz grundsätzlich kommt ohnehin im politischen Alltag der Exekutive – also der Regierung – ein stärkeres Gewicht zu, als der Legislative – also dem Parlament. Dies liegt in der Logik des parlamentarischen Regierungssystems, denn die Mehrheit im Parlament stellt ja gleichzeitig die Regierung. Zum Verständnis: Entgegen einer weit verbreiteten Vorstellung gibt es in der politischen Praxis keine klare Gewaltenteilung zwischen der Legislative und der Exekutive. Die Trennlinie verläuft vielmehr entlang der Mehrheitsverhältnisse im Parlament: auf der einen Seite die Parlamentsmehrheit, die die Regierung stellt. Auf der anderen Seite die Opposition. Nur so erklärt sich, dass die Regierungschefs und die Minister zumeist auch gleichzeitig Abgeordnete im Parlament sind. Dieses Prinzip gilt für Deutschland und für viele andere Demokratien in der Welt.

Gesetzentwürfe werden folglich in den meisten Fällen immer von der Regierung in den Gesetzgebungsprozess eingebracht. Der Grund hierfür ist sehr einfach: Die Regierung verfügt durch ihre Verwaltungsstruktur über deutlich mehr Mitarbeiter und Fachleute als die Landtagsfraktionen. Die wichtige Kontrollfunktion des Parlamentes wird in der Praxis vor allem von den Oppositionsfraktionen wahrgenommen, die sich insofern nicht nur der Regierungsmehrheit im Parlament, sondern auch der gesamten Landesregierung mit der Landesverwaltung gegenübersehen.

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