…legen die Grundsätze für politische Bildung fest – formuliert im Beutelsbacher Konsens. Welche drei Prinzipien das sind, erklärt Carsten Socke von der LpB MV.
Das Ziel der politischen Bildung ist die Stärkung der Demokratie. Sie ist deshalb ein wichtiger Bestandteil einer freien, offenen Gesellschaft. Ihr Fundament ist das Werte- und Demokratieverständnis des Grundgesetzes, die freiheitliche demokratische Grundordnung. Sie hat zwar parteipolitisch neutral zu sein, ist aber nicht wertneutral. Politische Bildung soll vielmehr die Menschen dazu befähigen, sich an demokratischen Prozessen zu beteiligen. Grundvoraussetzung dafür ist die Fähigkeit der politischen Urteilsbildung, denn nur wer in der Lage ist, sich selbstständig ein eigenes, abwägendes Urteil in politischen Fragen zu bilden, kann als mündiger Bürger oder mündige Bürgerin in eine demokratischen Gesellschaft agieren.
Doch wie schafft man das und was müssen politisch Bildende beachten? Antworten darauf findet der Beutelsbacher Konsens. Er gibt seit 1976 den Handlungsrahmen für die politische Bildungsarbeit vor – und das, obwohl er nie formell beschlossen wurde, sondern „lediglich“ das Protokoll einer Tagung von Politikdidaktikern im schwäbischen Beutelsbach war. Ziel der Tagung war es zu klären, wie man eine parteipolitische Vereinnahmung der politischen Bildung gerade in Zeiten einer hohen gesellschaftspolitischen Polarisierung verhindern konnte. Heraus kam ein Minimalkonsens, der allerdings bis heute enorme Wirkung auf die gesamte Bildungslandschaft entfalten konnte.
Im Beutelsbacher Konsens werden folgende drei Grundprinzipien als Voraussetzung für eine gelingende politische Bildung in einem demokratischen Umfeld formuliert:
Überwältigungsverbot
Das Überwältigungsverbot gibt vor, dass es Lehrkräften nicht erlaubt ist, Schülerinnen und Schüler mit einer Meinung zu überrumpeln oder sie in eine Richtung zu drängen und so an der Bildung eines selbstständigen Urteils zu hindern. Hier ist die Grenze von politischer Bildung zur Indoktrination überschritten, was der Zielvorstellung der politischen Mündigkeit widerspricht.
Das Gebot der Kontroversität
Das Kontroversitätsgebot ist eng mit dem Überwältigungsverbot verknüpft. Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen. Verschiedene Meinungen und Perspektiven müssen dargestellt werden. Werden hingegen unterschiedliche Standpunkte und Sichtweisen gezielt unterschlagen oder ausgeblendet, ist der Weg zur Indoktrination wiederum beschritten. Die politische Meinung der Lehrkraft sollte unerheblich bleiben.
Das Prinzip der Schülerorientierung
Schülerinnen und Schüler müssen in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und ihre eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne der eigenen Interessen zu beeinflussen.
Doch was bedeutet das für Lehrkräfte? Ist das Kontroversitätsgebot auch gleichzeitig ein Neutralitätsgebot? Nein, denn das Grundgesetz definiert klar den Aktionsradius der politischen Bildung und gibt so inhaltliche Haltelinien vor. Extremistische Positionen können daher nicht in den Gesamtkontext des Kontroversitätsgebotes eingeordnet werden. Sie sollten nicht Inhalt von politischen Bildungsprozessen sein, sondern deren Gegenstand. Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Bildungsveranstaltungen müssen dazu befähigt werden, sich diesem Gegenstand zu stellen und ihre Position hierzu auf Grundlage demokratischer Argumentationen zu erarbeiten. Das ist in der Praxis eine anspruchsvolle Aufgabe, die es den Lehrkräften ständig abverlangt, sich zu hinterfragen und eigene Herangehensweisen auszutarieren, denn politische Bildner befinden sich ständig im Spannungsfeld aus eigener Meinung und Kontroverse.
Wichtig ist, dass jegliche Veranstaltung der politischen Bildung der Kontroverse Raum bietet, um Multiperspektive zu ermöglichen. Darüber hinaus ist es ratsam, die spezifischen Interessen der Teilnehmenden zu beachten und die Inhalte so zu gestalten, dass sie ansprechend für die Zielgruppen sind. Text: Carsten Socke
Lese-Tipp
Jochen Schmidt, Steffen Schoon (Hrsg.): Politische Bildung auf schwierigem Terrain. Rechtsextremismus, Gedenkstättenarbeit, DDR-Aufarbeitung und der Beutelsbacher Konsens. Schwerin 2016. Hier
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