Kaba-Klein und das Kurhaus

Vom / Zeitzeugen

Adalbert Bela Kaba-Klein, 1957.
Archiv: Prora-Zentrum

Ein Stolperstein vor dem Kurhaus Binz erinnert an Adalbert Bela Kaba-Klein. Er war Eigentümer des Hotels, wurde von den Nazis enteignet, verhaftet, konnte bei der Deportation entkommen und überlebte im Untergrund.

Von Susanna Misgajski, Prora-Zentrum e.V.

Budapest war seit März 1944 von deutschen Truppen besetzt. Am 13. Februar 1945 kapitulierten die letzten Wehrmachts-Einheiten. Adalbert Bela Kaba-Klein befand sich damals als illegal lebender ungarischer Jude in der Stadt. Er hatte großes Glück, war zwar sehr krank, aber im Gegensatz zu etwa 565.000 ermordeten ungarischen Juden hatte er den Holocaust überlebt. In Europa endete der Zweite Weltkrieg erst ein knappes Vierteljahr später mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945.

Der Lebensweg von Kaba-Klein, der am 5. Januar 1895 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns bei Budapest in Ungarn geboren wurde, war eng verknüpft mit der Insel Rügen und dem Ostseebad Binz.

Zur Zeit der Geburt von Adalbert Bela Kaba-Klein war Ungarn Teil des Österreichisch-Ungarischen Königreiches, das bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, 1918, existierte. Kaba-Klein musste als 20-Jähriger seinen Kriegsdienst während des Ersten Weltkrieges für Österreich-Ungarn an der Seite Deutschlands ab 1915 antreten. Nach dem Krieg gab es wieder einen ungarischen und einen österreichischen Staat und Kaba-Klein entschied sich für ein Leben in der österreichischen Hauptstadt Wien. Mit seinem bereits zuvor abgeschlossenen Studium an der Budapester Handelsakademie nahm er hier Beschäftigungen im kaufmännischen Bereich eines großen Hotelunternehmens sowie anschließend in einer Exportfirma an und war erfolgreich tätig.

1923 wurde der Kaufvertrag abgeschlossen

Im Jahr 1922 zog Adalbert Bela Kaba-Klein nach Berlin. Er wollte sich selbstständig machen und interessierte sich für das Kurhaus Binz mit dem Kaiserhof, welches die Gemeinde Binz zum Verkauf anbot. Die schlechte wirtschaftliche Situation nach dem Ersten Weltkrieg veranlasste die Gemeinde zu diesem Schritt. Am 14. Januar 1923 wurde der Kaufvertrag abgeschlossen. Es unterschrieben Kaba-Klein, sein Schwager, Direktor Abraham Lemo, sowie seine beiden Onkel, der Rechtsanwalt Armin Reichard und der Apotheker Eugen Reichard. Die Geschäftsleitung für das Kurhaus übernahm Adalbert Bela Kaba-Klein, die anderen waren lediglich Mitbesitzer und ermöglichten so dem jungen 28-jährigen Kaufmann, das Kurhaus für 165 Millionen Reichsmark erwerben zu können.

Das Kurhaus Binz, Postkartenmotiv um 1920. Archiv: Prora-Zentrum

Seit 1929 war Kaba-Klein mit der deutschen Staatsbürgerin Anna Dorothea Bergner verheiratet. Sie führten den Betrieb in Binz gemeinsam. Während der Saison wohnten sie beide in Binz, außerhalb der Saison – im Winter hatten Pensionen und Hotels in den Ostseebädern damals nicht geöffnet – lebte das Ehepaar in Berlin.

Kaba-Klein war Mitglied der Synagogengemeinde in Stralsund, die auch für Rügen zuständig war, seine Frau trat dem jüdischen Glauben nicht bei. Politisch fühlte er sich der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) zugehörig, deren Mitglied er ab 1923 war. Mit dem damaligen sozialdemokratischen Landrat von Rügen (1921-1933), Richard Milenz, war Kaba-Klein eng befreundet. Rechtsstehende Kreise nutzten die Tatsache, dass er Jude und Sozialdemokrat war, bereits vor 1933 dazu, um ihn anzufeinden.

Mittelstürmer und Kabarett-Betreiber

In Binz war Kaba-Klein ansonsten sehr beliebt. Er spielte nicht nur Schach mit angesehenen Persönlichkeiten, sondern er war auch Mittelstürmer im Binzer Arbeiter-Fußballverein. Beruflich galt er als solider Geschäftsmann, der bekannte Berliner Musiker für die Saison auf der Insel verpflichtete. Er betrieb das Kabarett „Koralle“, die „Kakadu-Bar“ sowie in den Kursälen Veranstaltungen. Jedes Jahr kamen Kaba-Klein und seine Frau kurz vor Ostern nach Binz, um die Saison vorzubereiten. Er beschäftigte im Kurhaus und im Kaiserhof etwa 150 Angestellte.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 versuchte der seit 1934 amtierende Bürgermeister von Binz, Paul Heide, das Ostseebad zu einem „judenfreien“ Ort zu machen. Doch es waren ihm die Hände gebunden. Der Kaufvertrag des Kurhauses aus dem Jahr 1923 legte zum Beispiel fest, dass das Kurhaus, und damit Kaba-Klein, sämtliche Kurveranstaltungen in Binz durchzuführen hatte. Genau diese Regelung erschien dem nationalsozialistischen Bürgermeister unerträglich. Mit Handzetteln rief er zu einem Boykott gegen den jüdischen Kaba-Klein und sein Kurhaus auf. Die Menschen sollten einen Besuch des Kurhauses verweigern und auch andere davon abhalten, zu den dort stattfindenden Veranstaltungen zu gehen. Als Kaba-Klein von der Aktion gegen ihn und sein Hotel erfuhr, schaltete er die ungarische Botschaft in Berlin ein. Diese forderte den Binzer Bürgermeister umgehend auf, derartige „wirtschaftliche Kampfmaßnahmen gegen den ungarischen Staatsangehörigen Klein“ zu unterbinden.

Binzer Strand mit Hakenkreuzfahne. Archiv: Prora-Zentrum

Der Druck auf den jüdischen Geschäftsmann blieb aber auch künftig durch andere Aktionen bestehen, bei denen er oftmals den Schutz der ungarischen Botschaft in Berlin anfordern musste. Ungarn war bis Anfang 1944 ein verbündeter Staat des nationalsozialistischen Deutschlands. Daher besaß Kaba-Klein als ungarischer Staatsbürger, im Gegensatz zu Juden mit deutscher Nationalität, für längere Zeit einen Schutz im NS-Staat. Für deutsche Juden galten bereits seit September 1935 die Nürnberger Gesetze, die ihnen unter anderem die Bürgerrechte entzogen.

Mordanschläge durch SA und SS

Allerdings stand auch Kaba-Klein ständig unter Druck, sogar Verfolgungen und Mordanschlägen durch Mitglieder der örtlichen Sturmabteilung (SA) und Schutzstaffel (SS) war er, wie er später berichtete, ausgesetzt. Gegen die Drangsalierungen wehrte er sich heftig und es gelang ihm im Jahr 1936 trotz allem, gemeinsam mit seiner Frau im Kurhaus und Kaiserhof eine gute Saison mit vielen Gästen und besonderen Veranstaltungen zu verwirklichen.

Im Jahr 1937 verschlechterte sich die Situation für Kaba-Klein massiv. Die Gemeinde Binz beschlagnahmte unrechtmäßig seinen gesamten Besitz. Er erstritt sich diesen zwar gerichtlich zurück, aber er und seine Frau blieben zu ihrer eigenen Sicherheit in Berlin, während der Betrieb im Kurhaus weiterlief. Das Jahr 1938 zerstörte dann die Hoffnung auf eine gerechte Behandlung endgültig. Die neuen Verordnungen des Reichswirtschaftsministeriums gegen Juden zwangen auch den ungarischen Staatsbürger Kaba-Klein und seine Mitbesitzer dazu, das Kurhaus Binz zu verkaufen. Derartige so genannte Arisierungen, die im gesamten NS-Staat vorgenommen wurden, waren nichts anderes als Enteignungen, denn die jüdischen Besitzer und Besitzerinnen erhielten bei den allermeisten Zwangsverkäufen viel zu wenig oder gar kein Geld.

Ankündigung der „Arisierung“ des Kurhauses Binz und des Hotels Kaiserhof, Mai 1938. Kreisarchiv Rügen, Rüg III/6/136


Auch wenn die „Arisierung“ des Kurhauses bereits im Mai 1938 öffentlich verkündet wurde, so gab es zunächst nur einen Pachtvertrag für die neue „Kurhaus Binz GmbH“ der Gemeinde Binz. Aber Kaba-Klein und seine Frau führten in der Saison 1938 das Kurhaus nicht mehr. Der eigentliche Verkauf fand erst im Jahr 1940 über einen Treuhänder statt. Der Fabrikant Walter Schäfer und seine Frau Marga aus Berlin kauften das Kurhaus und den Kaiserhof für 360.000 RM. Von dieser ohnehin schon geringen Verkaufssumme erhielten Kaba-Klein und seine drei Teilhaber nichts. Für den Zeitraum von April 1939 bis zum 15. Januar 1940 erhielt das Ehepaar Klein lediglich 5.000 RM Unterhalt.

Als der Zwangsverkauf des Kurhauses 1940 erfolgte, war Kaba-Klein bereits in Budapest, wo Armin und Eugen Reichard, seine Teilhaber und Verwandten, lebten. Zuvor hatte ihn die Gestapo (Geheime Staatspolizei) in Berlin in Haft genommen. Die deutschen Truppen waren inzwischen in Polen einmarschiert und der Zweite Weltkrieg hatte am 1. September 1939 begonnen. Erst durch den Einspruch der ungarischen Botschaft wurde Kaba-Klein in Berlin wieder frei gelassen. Allerdings war die Entlassung damit verbunden, dass er sich verpflichten musste, nicht länger in Deutschland zu bleiben.

Flucht aus Zwangsarbeitslager

Adalbert Bela Kaba-Klein verließ Deutschland gemeinsam mit seiner Frau Anna Dorothea. In Budapest ließ er sich 1943 offiziell von ihr scheiden, weil er glaubte, sie dadurch als „arisch“ schützen zu können. Zwar hatten die Juden im mit Deutschland verbündeten ungarischen Staat bis dahin immer noch einen Schutz vor Deportationen, aber mit der Besetzung Ungarns durch deutsche Truppen im März 1944 änderte sich dies umgehend. Kaba-Klein muss dies geahnt haben. Kurz nach der Besetzung Ungarns wurde ein Sonderkommando mit der Durchführung der „Endlösung der Judenfrage“ in Ungarn eingerichtet. Leiter dieses Sonderkommandos war Adolf Eichmann. Unter ihm wurden innerhalb von nur 56 Tagen etwa 424.000 Juden nach Ausschwitz-Birkenau deportiert.

Auch Kaba-Klein wurde festgenommen und in das Zwangsarbeitslager Budapest-Fergihegy eingeliefert. Hier gelang dem inzwischen 49-Jährigen die Flucht. Von diesem Zeitpunkt an lebte er mit Unterstützung seiner Frau, teilweise auch von ihr versteckt, im Untergrund. Im Oktober 1944 wurde Kaba-Klein erneut verhaftet. Diesmal sollte er nach Auschwitz-Birkenau deportiert werden, aber es gelang ihm erneut die Flucht bei der Verladung in die Waggons.

Bis zur Befreiung von Budapest am 13. Februar 1945 schaffte es Kaba-Klein, versteckt und im Untergrund zu leben. Dies war natürlich mit vielen Entbehrungen und zu bewältigenden Gefahren verbunden, so dass es nicht verwundert, dass er im Februar 1945 sehr glücklich, aber auch schwer krank war. Von den Mitbesitzern des Kurhauses überlebte nur Armin Reichard, er starb 1951 in Budapest. Eugen Reichard und Abraham Lemo überlebten den Holocaust nicht. Insgesamt haben 60 Familienangehörige Kaba-Kleins die NS-Terrorherrschaft nicht überlebt.

Stolpersteine beim Kurhaus Binz, verlegt am 3. August 2012 durch Initiative des Prora-Zentrums. Regelmäßig finden Bildungsprojekte des Vereins Prora-Zentrum zur Geschichte des Kurhauses statt. Archiv: Prora-Zentrum

Nach seiner Genesung hatte Kaba-Klein das feste Ziel, die Rückübertragung des Kurhauses Binz und des Kaiserhofes gerichtlich zu erstreiten. Bereits im Mai 1947 kam er zusammen mit seiner Frau zu diesem Zweck zurück in das Land der Täter. Im Januar 1948, zur Zeit der Besatzungszonen in Deutschland, übernahm Kaba-Klein erneut die Geschäftsführung des Kurhauses mit Erlaubnis der Sowjetischen Militäradministration. Am 25. November 1950, in der frühen Zeit der neu gegründeten Deutschen Demokratischen Republik (DDR), erklärte das Landgericht Greifswald den Kaufvertrag aus dem Jahr 1940 für nichtig. Damit war Kaba-Klein wieder zu einem Viertel Eigentümer des Kurhauses und zugleich Treuhänder für die anderen Eigentümer beziehungsweise deren Nachkommen.

Tragischerweise verlor der bemerkenswert unermüdlich um sein Recht kämpfende Adalbert Bela Kaba-Klein bei der „Aktion Rose“, 1953, in der DDR erneut seinen Besitz durch Enteignung und wurde zu einer hohen Haftstrafe verurteilt. Aus gesundheitlichen Gründen durfte er im Oktober 1956 vorzeitig das Gefängnis in Bützow verlassen und verstarb am 16. April 1962 in West-Berlin im Alter von 67 Jahren.

Auszug aus einem Brief von Kaba-Klein aus West-Berlin an eine befreundete Familie in der Bundesrepublik, 30. März 1957. Archiv: Prora-Zentrum

Hintergrund

Der 8. Mai 1945 gilt als offizielles Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa und als Tag der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus. In Mecklenburg und Vorpommern war der Krieg an vielen Orten aber schon früher vorbei. Die letzten Kampfhandlungen im Nordosten endeten mit dem Zusammentreffen der Roten Armee mit britischen und US-amerikanischen Truppen auf einer Linie zwischen Wismar, Schwerin, Ludwigslust und Dömitz zwischen dem 2. und 4. Mai 1945.

In unserer Serie zum 75. Jahrestag stellen wir Zeitzeugen, Gedenkstätten, Geschichtsprojekte vor. Dazu: Hintergründe und Lesetipps.

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