Die Installation „Perspektiven zur Freiheit“ in Waren/Müritz ist mit einem weiteren Designpreis ausgezeichnet worden. Nach dem iF DESIGN AWARD und dem European Design Award in Gold gab es jetzt eine Special Mention beim Focus Open 2021 für das zentrale Erinnerungszeichen des Landes an die Friedliche Revolution.
Damit werden die Künstler Dagmar Korintenberg und Wolf Kipper bereits mit dem dritten Designpreis in diesem Jahr für die Installation geehrt. Seit 1991 wird der „Focus Open – Internationaler Designpreis Baden-Württemberg“ vom Design Center Baden-Württemberg, dem Kompetenzzentrum des Landes Baden-Württemberg, ausgelobt. Die Jury vergab insgesamt 49 Preise in vier Kategorien – 13 Gold Awards, 15 Silver Awards, 20 Special Mention Awards und einen Meta Award.
„Ich gratuliere Dagmar Korintenberg und Wolf Kipper sehr herzlich zu diesem Designpreis“, sagte Kulturministerin Bettina Martin. „Sie haben die Jury mit ihrem künstlerischen Konzept für das Erinnerungszeichen an die Friedliche Revolution von 1989 in Waren/Müritz mehr als überzeugt. Denn der Focus Special Mention wird für ein Designlevel ausgezeichnet, welches über das etablierte Niveau hinausweist, wie das Design Center Baden-Württemberg den Preis beschreibt. Das Erinnerungszeichen in Waren legt Zeugnis ab vom Mut der Frauen und Männer in Waren, die für Demokratie und Freiheit auf die Straße gegangen sind. Diese Erinnerung wach zu halten, gelingt dem Erinnerungszeichen in hervorragender Weise.“
Jochen Schmidt, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung: „Der Installation gelingt es hervorragend, Kunst und Erinnerung zu verbinden. Durch die digitale Erweiterung werden die Betrachterinnen und Betrachter animiert, sich intensiv mit der Geschichte der Friedlichen Revolution auseinanderzusetzen.“
Bereits im Frühjahr 2021 hatte das Erinnerungszeichen den „iF DESIGN AWARD“ erhalten. Fast 10.000 Beiträge waren für diesen Preis eingereicht, rund 1.700 wurden in neun Kategorien ausgezeichnet. Die zweite Auszeichnung folgte mit dem renommierten Designpreis „European Design Awards“. Die Installation „Perspektiven zur Freiheit“ gewann einen der 34 Gold Awards in der Subkategorie „17.4 Exhibition Design“. 172 Auszeichnungen in Bronze, Silber und Gold wurden in acht Kategorien vergeben.
Im Oktober 2020 hatte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig das zentrale Erinnerungszeichen des Landes an die Friedliche Revolution von 1989 der Öffentlichkeit übergeben. Die Installation weckt Neugier, bietet Information und Austausch und lädt im öffentlichen Raum zum Erinnern ein.
In Waren fand 1989 die erste Montagsdemonstration auf dem Gebiet des heutigen Landes Mecklenburg-Vorpommern statt. Mit einem Gang von der St.-Georgen-Kirche zur St.-Marien-Kirche dokumentierten an diesem Tag rund 400 Menschen mit Kerzen in den Händen ihren Willen zur friedlichen Veränderung.
Das Erinnerungszeichen wurde von den Künstlern Dagmar Korintenberg und Wolf Kipper geschaffen und aufgebaut. Ihre Idee hatte sich 2019 bei einem Kunstwettbewerb durchgesetzt. (hier alle Entwürfe aus dem Wettbewerb) Ihre Installation ist begehbar und lädt zum Verweilen ein. Die Texte mit den Losungen sind direkt über den Köpfen der Besucherinnen und Besucher zu sehen. Als Quelle für die Texte dienen sowohl Fotos von Montagsdemonstrationen als auch Akten aus dem damaligen Ministerium für Staatssicherheit, in dem die Forderungen der Demonstranten aus dem ganzen Land zusammengefasst wurden.
Interview
„Losungen mit zeitloser Kraft“
Das Erinnerungszeichen 1989 wurde von Dagmar Korintenberg und Wolf Kipper entworfen. Wir haben mit der Designerin und dem Architekten über das Projekt gesprochen. (Aus dem Archiv)
Erinnerungszeichen 1989: Wie sind Sie auf Ihren Entwurf gekommen?
Dagmar Korintenberg/Wolf Kipper: Zunächst haben wir überlegt, was wir beitragen können zum Thema der Ausschreibung. Da wir keine Zeitzeug/innen der Friedlichen Revolution sind, war klar, dass wir keine persönliche Geschichte erzählen und keine Deutung der damaligen Ereignisse vornehmen möchten. Vielmehr wollten wir einen Ort schaffen, der die Vielstimmigkeit der Proteste zeigt, Blickwinkel einzelner Zeitzeug/innen erlebbar macht und auch die Möglichkeit der Beteiligung bietet.
Was hat sich bei den Recherchen ergeben?
Bei unseren Recherchen war uns schnell klar, dass wir mit den Losungen der Demonstrierenden arbeiten wollten, da viele neben ihrer historischen Aussage auch eine zeitlose Kraft besitzen und uns bei unserer Arbeit immer wieder aufs Neue berührt haben. Des Weiteren sind die Fotoaufnahmen einiger Zeitzeug*innen sehr aussagekräftig und zeichnen ein eindrückliches Stimmungsbild. Deshalb wollten wir diese ebenfalls für die Betrachtenden im öffentlichen Raum zugänglich machen.
Wie liefen die Arbeiten?
Dank der engen Zusammenarbeit und tatkräftigen Unterstützung durch die Stadt Waren/Müritz liefen die Bauarbeiten sehr gut. Gemeinsam mit unserem Metallbauer aus Leipzig konnten wir alles wie geplant fertig stellen.
Wie haben denn die Passanten in Waren/Müritz reagiert?
Während der Arbeiten hinter dem Bauzaun hatten wir leider nicht viel Kontakt zu Passant/innen und Anwohner/innen. Das Informationsbanner auf dem Bauzaun haben sich aber einige Tourist/innen angesehen, die beeindruckt waren, dass sie hier am Ort der ersten Demonstrationen in den Nordbezirken der ehemaligen DDR stehen.
Welche Funktion soll das Erinnerungszeichen erfüllen?
Die Grundidee unseres Entwurfes ist es, die Losungen der Friedlichen Revolution 1989 wieder im öffentlichen Raum sichtbar zu machen. Die zusätzlich über eine App aufrufbaren Zeitzeug/innen-Fotos können für Beteiligte Erinnerungen aufleben lassen und gleichzeitig für Außenstehende Informationen bieten und ein Stimmungsbild schaffen.
Die digitale Anwendung spielt eine wichtige Rolle.
Dadurch möchten wir einen breiten Zugang für unterschiedliche Altersgruppen wie auch die jüngere Generation ermöglichen. Bei unseren Recherchen hatten wir auch immer wieder spannende und beeindruckende Gespräche mit Zeitzeug/innen. Wichtig war uns, dass die Möglichkeit dieser Beteiligung von Zeitzeug/innen nicht mit der Fertigstellung des Denkmals endet. Deshalb besteht auch weiterhin die Möglichkeit, Bilder zum digitalen Teil des Denkmals beizutragen. So hoffen wir, dass der Vorplatz der St.-Georgen-Kirche zu einem Möglichkeitsraum wird, einem Ort des Erinnerns, der Information und des Austauschs.
Wie werden eigentlich die anderen Orte von 1989 eingebunden?
Zum einen war es uns bei der Auswahl der Losungen aus Mecklenburg-Vorpommern wichtig, dass die Zitate aus möglichst vielen Orten kommen. Auch die Fotos in der digitalen Anwendung haben diesen starken Ortsbezug. So haben wir Zitate und Ansichten aus Rostock, Schwerin, Neubrandenburg, Greifswald, Güstrow und Waren im Denkmal vereint.
Auf den Tafeln in Waren: Gibt es da eine Losung, die Sie besonders beeindruckt?
„Eine Hoffnung lernt gehen“ – weil in diesem kurzen Satz so viel von der Geschichte der Friedlichen Revolution steckt. Von der Hoffnung als einem Ausgangspunkt, dem Aufbruch bis hin zum Großwerden der Proteste.
Und wenn Sie eine zweite Losung nennen sollen?
Dann: „Frieden ohne Waffen, Mauern und Stacheldraht“ – weil diese Aussage eine der Grundforderungen der Friedlichen Revolution 1989 widerspiegelt, sie aber auch eine zeitlose Kraft besitzt und zeigt, dass demokratische Werte überall auf der Welt und immer wieder aufs Neue verhandelt und verteidigt werden müssen.
Hintergrund
Erstes Erinnerungszeichen in MV
In Mecklenburg-Vorpommern erinnert ein zentrales Erinnerungszeichen an die Friedliche Revolution 1989. In Waren/Müritz ist das Kunstwerk „Perspektiven zur Freiheit“ im Oktober 2020 eingeweiht worden. Hier unser Bericht. Weiterlesen (Aus dem Archiv)