Jüdisches Leben in MV

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Foto: pixabay/hurk

Zwischen 1845 und 1945 gab es 45 jüdische Gemeinden mit insgesamt rund 7000 Mitgliedern. Heute sind noch zwei Gemeinden in MV aktiv – eine in Rostock und eine in Schwerin. Zusammen zählen sie 1200 Mitglieder. Teil 2 unserer Serie. Heute: Jüdisches Leben in Mecklenburg-Vorpommern.


Jüdische Gemeinden in MV

Quelle: Roland Regge-Schulz

Im Max-Samuel-Haus in Rostock fand am 15. November 1992 die Gründung der Landesgemeinde Mecklenburg-Vorpommerns statt. Von hier aus wurden u.a. die vielen jüdischen Einwanderer aus Russland betreut, die ab 1990 ins Land kamen. Die Zahl der Gemeindemitglieder wuchs ständig, so dass am 24. April 1994 eine eigene Rostocker Gemeinde gegründet wurde. In der Augustenstraße gibt es heute wieder einen Synagogenraum mit einer Thorarolle und Platz für die Gemeindearbeit – wie Religionsunterricht und Sonntagsschule für Kinder sowie karitative Tätigkeiten. Das Gemeindeleben ist vielfältig, in dieser Woche zum Beispiel finden die achten Jüdischen Kulturtage statt. Jüdische Gemeinde Rostock

Die Jüdische Gemeinde Schwerin besteht heute aus knapp 600 Mitgliedern, darunter auch die in Wismar lebenden Juden. 70 Jahre nach der Zerstörung konnte auf den noch existierenden Fundamenten im Jahr 2008 eine neue Synagoge errichtet werden. In der ehemaligen Schlachterstraße, jetzt Landesrabbiner-Holdheim-Straße. Die Synagoge bietet etwa 100 Menschen Platz. Sie wird genutzt für Gottesdienste und jüdische Feste. Aber nicht nur: Jedes Jahr gibt es einen Tag der offenen Tür. Zudem kommen Schulklassen und Reisegruppe, Schwerinerinnen und Schweriner besuchen Konzerte und andere Veranstaltungen – wie den interreligiösen Dialog mit Christen und Muslimen. Jüdische Gemeinde Schwerin

Der Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern hat ebenfalls in Schwerin seinen Sitz und wird seit 2015 vom Landesrabbiner Yuriy Kadnykov betreut. Landesverband der jüdischen Gemeinden


Hintergrund

Unterstützt werden die jüdischen Gemeinden im Rahmen eines Staatsvertrages. Dieser wurde 1996 zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und dem Landesverband jüdischer Gemeinden geschlossen und im August 2021 um fünf Jahre verlängert. Mit dem Vertrag werden unter anderem jüdische Feiertage und die Friedhofs- und Denkmalpflege anerkannt.


Zum Ausprobieren

Scannen Sie diesen Code mit der Actionbound-App, um den Bound zu starten.

Digitaler Stadtrundgang in zweieinhalb Stunden: Mit einer kostenlosen App kann die Geschichte des jüdischen Lebens in Rostock erkundet werden. Jüdisches Leben per App erkunden

Die Partnerschaft für Demokratie Greifswald hat den digitalen Stadtrundgang „Jüdisches Leben in Greifswald“ mit der App „Actionbound“ entwickelt.

Das Wissen um Namen und Einzelschicksale von mehr als 140 jüdischen Bürgerinnen und Bürgern zu vertiefen und zu fördern: Das ist das Ziel der „Initiative zur Erinnerung an Jüdisches Leben in Stralsund“. Die Adresse dazu lautet: www.gedenkbuch-stralsund.de.


Gegen Hass und Vorurteile

Nikolaus Voss ist der Beauftragte für das jüdische Leben und gegen Antisemitismus in MV. Im Fokus seiner Arbeit: Dialog. Aufarbeitung. Und Bekämpfung von alltäglichem Antisemitismus. Hier ein Auszug aus unserem Interview (Archiv).

Nikolaus Voss ist Ansprechpartner für die jüdischen Gemeinden im Land und berät die Landesregierung in allen Fragen jüdischen Lebens. Foto: Ecki Raff

Herr Voss, Sie sprechen von einem Dreiklang, wenn es um Ihre Aufgaben geht. Welche drei Schwerpunkte sind das?

Nikolaus Voss: Erstens möchte ich, dass dem jüdischen Leben von heute in seiner ganzen Vielfalt begegnet werden kann. Wenn man bedenkt, dass in Mecklenburg-Vorpommern nur 0,075 Prozent der Bevölkerung Jüdinnen und Juden sind, ist das eine große Herausforderung. Deshalb plädiere ich für möglichst niedrigschwellige Begegnungsarbeit, angefangen in der Schule. Das Programm des Zentralrats der Juden „Meet a Jew“ bietet die Möglichkeit, dass junge Jüdinnen und Juden in die Schulen kommen und live aus ihrem Leben erzählen.

Zweitens gilt es, den Antisemitismus zu bekämpfen. Ich habe hier einen klaren Fokus auf den alltäglichen Antisemitismus in der Arbeitswelt, im Schulalltag, in Freizeit und Sport. Es kommt darauf an, dass antisemitische Sprüche nicht unwidersprochen bleiben. Aber Widersprechen muss und kann man erlernen.

Und drittens…

…müssen wir uns der Frage stellen, wie in Zukunft über die unfassbaren Schrecken des Holocaust angesichts der Tatsache zu sprechen ist, dass die Zeitzeugen aussterben werden. Wichtig sind weiterhin gut vor- und nachbereitete Fahrten von Schulklassen in die Gedenkstätten. Es braucht aber auch innovative Formen wie das „Zeitzeugen-Portal“ oder spannende Ausstellungen wie die „Operation Finale“ über die Ergreifung des Massenmörders Adolf Eichmann.

Wo kann man sich denn über jüdisches Leben in MV informieren? 

Nikolaus Voss: Natürlich zunächst einmal in den beiden jüdischen Gemeinden in Schwerin und Rostock selbst. Aber es ist auch lohnend, die alten Synagogen in Hagenow, in Röbel, in Krakow am See oder in Stavenhagen zu besuchen. Nicht zuletzt bietet das Max-Samuel-Haus in Rostock zahlreiche Veranstaltungen und Ausstellungen an. (Das komplette Interview – hier im Archiv)


Links

Synagoge in Hagenow

Synagoge in Röbel

Synagoge in Krakow am See

Synagoge in Stavenhagen

Max-Samuel-Haus in Rostock


Extra

Die Dokumentations- und Informationsstelle Antisemitismus Mecklenburg-Vorpommern (kurz DIA.MV) wurde 2021 gegründet, um antisemitische Vorfälle und die Verbreitung antisemitischer Einstellungen im Bundesland sichtbar zu machen. Weiterlesen


Zum Nachlesen

Das Schicksal der Davidsohns

Das Schicksal der Kychenthals

Die Deportation der Juden

Juden in Mecklenburg 1845–1945. Lebenswege und Schicksale

Die Landeszentrale für politische Bildung (LpB) und das Institut für Zeitgeschichte München/Berlin (iFZ) haben gemeinsam ein Gedenkbuch zur Geschichte der Juden in Mecklenburg vorgelegt. Hier gibts weitere Informationen zum Buch und hier geht’s zur Bestellung.

Dorothee Freudenberg: Geschichte der jüdischen Gemeinde Stavenhagen 1750-1942. Schwerin 2020.

Dieses Buch dient der Erinnerung an die jüdische Gemeinde Stavenhagens. Ihre Geschichte begann um 1750 mit den ersten „Schutzjuden“ und fand 1942 mit der Deportation und Ermordung der letzten Stavenhagener Juden ihr schreckliches Ende. Hier geht’s zur Bestellung


Israel-Serie

Ein Angebot der LpB

Der Nahostkonflikt – kurz und knapp erklärt

Juden in Mecklenburg-Vorpommern

Hier kann ich mich aktuell informieren

Deutsch-Israelische Beziehungen

Vier Bücher für Ihren Hintergrund: Tipps aus dem LpB-Shop

Der tägliche Blick auf Nahost

Der Nahostkonflikt für Kinder erklärt

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