„Immer Gitterstäbe“

Vom / Landeskunde, LpB, Zeitzeugen

Foto: Kunsthalle Rostock

Anlässlich der Ausstellung „abgegeben – Wochenkrippen in der DDR“ lädt die Kunsthalle Rostock am Donnerstag, 18 Uhr, zu einem Gesprächsabend mit Cornelia Gloger ein, die von 1969 bis 1972 einen Teil ihrer Kindheit in einer Wochenkrippe in Hennigsdorf bei Berlin verbrachte. Sie sagt: „Um mich herum waren immer Gitterstäbe.“

Cornelia Gloger hat Spuren hinterlassen: Als Projektleiterin des Künstlerviertels „Mandauer Glanz“ sanierte sie gemeinsam mit einem Künstler den Innenstadtbereich Zittaus, der heute als touristische Attraktion gilt. „Doch mit dem Erfolg kam keine Erfüllung“, sagt sie – die Architektin stürzte in eine Lebenskrise. Im Gespräch erzählt sie, was diese mit ihrer Kindheit zu tun hat und wie sie ihre Jahre in der Wochenkrippe mittels Therapie und Schreibprogramm aufarbeitete.

Moderiert wird der Gesprächsabend von der Journalisten und Projektbeteiligten Ulrike Fischer. Die Teilnahmegebühren sind im Eintrittspreis enthalten.

Die Ausstellung beinhaltet verschiedene Komponenten, mit denen die Besucher/innen auf eine Reise durch die Welt der Wochenkrippen begleitet werden.

Hintergrund

Wochenkrippen wurden in den 1950er-Jahren eingeführt und waren in der DDR weit verbreitet. Ab der sechsten Lebenswoche bis zum dritten Lebensjahr konnten dort Babys wochenweise inklusive der Nächte abgegeben werden. Für Kinder bis zu sechs Jahren gab es entsprechende Wochenheime – jeweils fernab der Eltern und Familien. Wie Linz erklärt, stand „hinter den Wochenkrippen ein übergeordnetes ökonomisches Interesse der DDR. Frauen sollten arbeiten können.“ Es habe kein Zwang bestanden, die Kinder dort unterzubringen, viele Mütter hatten aber keine andere Wahl.

Das pädagogische Konzept bestand aus zentralen Erziehungsplänen, Richtlinien und Bestimmungen, die allenfalls für eine Grundversorgung der Säuglinge und Kleinkinder reichten.

Ausstellung

Laufzeit: bis 1.5.2023
  • ca. 20 Werke aus dem Sammlungsbestand der Kunsthalle Rostock, die von einer Mitarbeiterin der Kunsthalle, ebenfalls ein ehemaliges Wochenkrippe-Kind, ausgesucht wurden und in einem Kontext zum Thema stehen.
  • Ein von der international bekannten Künstlerin Nadine Schemmann geschaffenes Werk aus textilen Materialien, ein intuitives Statement mit in sich zerfließenden Farben.
  • Eine Installation rund um ein Kinderbettchen aus den 1950er Jahren der DDR mit Kommentaren von Betroffenen der Künstlerin Karla Sachse.
  • Zehn multimediale Bildsequenzen von Sophie Linz mit Porträts der Betroffenen, Fotografien aus den Wochenkrippen, mit Collagen aus persönlichen Erinnerungsstücken sowie Auszügen aus Interviews mit ihnen, die über Kopfhörer angehört werden. Die Porträtfotografien stammen von der freien Berliner Fotokünstlerin Anja Lehmann. Sie sind eine Auseinandersetzung und Aneignung im Umgang mit der Vergangenheit.
  • Die Ausstellung wird durch zeithistorische Fotografien und Objekte aus ehemaligen Wochenkrippen sowie Texttafeln und Filme zum Thema ergänzt. Darunter ist auch der tschechoslowakische Film „Kinder ohne Liebe“ aus dem Jahr 1963 über Wochenkrippen, in dem bereits auf die teils schweren psychischen Folgen für die Kinder hingewiesen wurde. Der Film ist erstmals in voller Länge mit deutschen Untertiteln zu sehen.


Rahmenprogramm
„Was braucht ein Kind, um glücklich zu sein?“ Mit Führungen, Lesungen und Gesprächsabenden lädt die Kunsthalle Rostock ein, sich mit dem Thema Wochenkrippe und der Bedeutung frühkindlicher Fremdbetreuung und Entwicklung auf vielfältige Weise zu beschäftigen.

Wissenschaftliches Symposium
21.–23. April 2023: Im Rahmen der Ausstellung findet ein Symposium in Kooperation mit der Universitätsmedizin Rostock, der Landeszentrale für politische Bildung MV, wochenkinder.de und der Kunsthalle Rostock statt. Es spricht Betroffene und all jene an, für die Kinderbetreuung heute relevant ist und präsentiert aktuelle Forschungsergebnisse der wochenweisen Fremdbetreuung auch im internationalen Kontext. Weitere Info und Anmeldung: wochenkinder.de/aktuelles/symposium/

Kunsthalle Rostock

Hamburger Str. 40

18069 Rostock

Tel: 0381 381 7000

www.kunsthallerostock.de

Öffnungszeiten

Dienstag bis Sonntag 11 – 18 Uhr
Montag geschlossen

Förderung und Unterstützung

Die Ausstellung wird unterstützt durch die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und die Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern. Die Kunsthalle Rostock wird gefördert durch die Hanse- und Universitätsstadt Rostock und durch das Ministerium für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten Mecklenburg-Vorpommern.

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