Metal-Fans in fast jeder Klasse

Vom / Landeskunde, LpB, Zeitzeugen

Nikolai Okunew, wissenschaftlicher Mitarbeiter am ZZF in Potsdam

Heavy-Metal-Fans waren Ende der 1980er-Jahre die vermutlich größte jugendliche Subkultur in der DDR. Sie gingen arbeiten, wirkten meist angepasst, hatten aber „gleichzeitig auf geistiger und persönlicher Ebene mit der DDR abgeschlossen“, sagt Nikolai Okunew. Am 19. Mai stellt der Historiker sein Buch „Red Metal. Die Heavy-Metal-Subkultur der DDR“ in der Dokumentations- und Gedenkstätte Rostock vor. Hier vorab unser Interview.

Heavy Metal in der DDR. Was war das für eine Subkultur?

Nikolai Okunew: Das war eine Gruppe, die eine spezielle Ästhetik wichtiger fand als Politik. Die sich bewusst gut am Arbeitsplatz integrierte, die aber gleichzeitig auf geistiger und persönlicher Ebene mit der DDR abgeschlossen hatte. Statt zu versuchen, die Regierung zu stürzen oder den Staat zu reformieren, bestand das Ziel darin, neue Erfahrungen zu machen. Dabei ging es um Alkohol, um Lärm und um das ausgelassene Feiern. Man stürzte sich also nach Feierabend in die große Konzert-Szene.

Wie viele Heavy-Metal-Fans gab es denn?

Methodisch wirkliche einwandfreie soziologische Studien aus den 1980er Jahren gibt es dazu nicht, aber wenn Zeitgenossen versuchen das abzuschätzen, kommen sie darauf, dass 3 bis 5 Prozent der Jugendlichen Metalheads waren. Da 90 Prozent der Jugendlichen nicht subkulturell eingebunden waren, ist das schon eine enorme Anzahl. Fast in jeder Schulklasse eine(r)!

Waren Heavy-Metal-Fans eher angepasst oder eher unangepasst?

Wie bereits angedeutet, würde ich sagen, dass die beides oder nichts davon waren. Sie fanden einen Umgang mit der DDR, der sie weitgehend ihr Ding machen ließ. Das hatte mit Staatsideologie allerdings nicht mehr viel zu tun. Allein, das konnte bereits gefährlich sein, denn ein Staatssozialismus konnte das nicht ohne weiteres akzeptieren.

Wie hat der DDR-Staat die Szene überwacht?

Für die Stasi reichten schon kleine Abweichungen von der wahrgenommenen Normalität oder Freundschaften in anderen DDR-Bezirken, um verdächtig zu wirken. Das Netz der Überwachung wurde also auch über die Heavys gespannt. Die Berichte sind dabei eigentlich wenig spektakulär; manchmal klingen die Geheimpolizisten sogar etwas enttäuscht darüber, dass Platten und Konzerte das Wichtigste waren und nicht Orgien und Anschlagspläne. Sie haben dennoch mehrere 100.000 Seiten über die Szene produziert, was für mich als Historiker natürlich günstig war.

Was bedeutete das Ende der DDR für die Heavy-Metal-Szene?

Sie hatte sich in der DDR eingerichtet und war, obwohl man mit dem Staat nicht viel zu tun haben wollte, mit ihr verwoben. Einige Praktiken der Szene hatten im wiedervereinigten Deutschland keine Funktion mehr. Es ist ein wenig paradox, aber das Ende der DDR hatte auf die Szene einen katastrophale Wirkung. Die meisten Bands verschwanden, die Fans vereinzelten und bekannte Treffpunkte mussten schließen. Es dauerte ein paar Jahre, bis im Osten etwas Neues entstand.

Die Veranstaltung

Nikolai Okunew, wissenschaftlicher Mitarbeiter am ZZF in Potsdam, präsentiert die Ergebnisse aus seiner Dissertation „Red Metal. Die Heavy-Metal-Subkultur der DDR“. Gunnar Schroeder, Sänger & Gitarrist der Rostocker Punk-Rock-Formation Dritte Wahl, spielt Stücke aus seinem Solo-Programm „Ein Abend zum Vergessen“. Durchs Programm führen Dr. Robert Pommrich, Moderator des Metaltörn auf Radio LOHRO 90.2 MHz, und Dr. Steffi Brüning, DuG Rostock. Die Teilnahme ist kostenfrei, die Anzahl der Teilnehmenden begrenzt.

Anmeldung zur Veranstaltung am 19. Mai 2022 (ab 18 Uhr) in der DuG Rostock unter dug-rostock@lpb.mv-regierung.de oder telefonisch: 01573/0285136

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