Der Fall Helmuth Schmidt

Vom / Landeskunde, LpB, Zeitzeugen

Eine Aufnahme der Staatssicherheit. Links zu erkennen: das Protestschreiben.

Die Ausbürgerung von Wolf Biermann 1976: Helmuth Schmidt aus Parchim hat gegen diese Willkürmaßnahme protestiert und Flugblätter verfasst. Dafür musste er ins Gefängnis. Sein Fall wird beschrieben im Dokumentationszentrum des Landes für die Opfer der Diktaturen in Deutschland.

Helmuth Schmidt siedelt 1953 im Alter von 21 Jahren als überzeugter Sozialist von der Bundesrepublik in die DDR über. Der Westfale aus dem Ruhrgebiet glaubt, sich mit diesem Schritt für das bessere und friedlichere Deutschland entschieden zu haben. Seine ersten Jahre in der neuen Heimat verbringt er in Thüringen. Später zieht es ihn nach Parchim, dem Wohnort seiner Großeltern. 1962 heiratet er seine große Liebe und gründet eine Familie. Nicht nur privat, sondern auch beruflich scheint es für ihn voran zu gehen.

Innerlich gerät Helmuth Schmidt jedoch zunehmend ins Grübeln: Der Ungarn-Aufstand 1956, der Mauerbau 1961 und die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 sind Ereignisse, die sich nicht mit seinen politischen Idealen vereinbaren lassen. Die Ausbürgerung des regimekritischen Liedermachers Wolf Biermann im Anschluss an ein Konzert in Köln am 13. November 1976 veranlasst nicht nur viele DDR-Intellektuelle zum Protest. Entsetzt über die einseitige Berichterstattung in den Medien legt der Wahl-Parchimer zunächst telefonisch Beschwerde bei der Redaktion der „Schweriner Volkszeitung” ein. Nach der Herstellung und Verteilung von Flugblättern gegen diese Willkürmaßnahme des SED-Regimes wird er wegen „staatsfeindlicher Hetze” verhaftet und zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Nach der Herabsetzung des Strafmaßes auf drei Jahre wird er zunächst in die Strafvollzugsanstalt Cottbus und später nach Brandenburg-Görden verlegt.

Nach der Hälfte der Haftzeit wird Hellmuth Schmidt durch Freikauf wieder in die Bundesrepublik abgeschoben. Kurz darauf dürfen auch seine Ehefrau und sein Sohn ihm ins Ruhrgebiet folgen.

Nach der Friedlichen Revolution wurden in einem Rehabilitierungsverfahren die Urteile von 1977 aufgehoben und Hellmuth Schmidt 1992 vollständig rehabilitiert. Fortan beginnt er über seine Zeit als politischer Häftling in der DDR zu schreiben. So entsteht nicht nur sein Buch, sondern auch eine enge Freundschaft zu Wolf Biermann.

Regelmäßig besuchte Helmuth Schmidt das Dokumentationszentrum in Schwerin, wo er seine Untersuchungshaft 1976/77 verbüßen musste. Diese Besuche verband er stets mit Zeitzeugengesprächen mit verschiedenen Besuchergruppen. Es war für ihn eine große Genugtuung, sein 2006 erschienenes Buch „Zorn und Trauer“ im Dokumentationszentrum mit einem Konzert von Wolf Biermann zu präsentieren.

Helmuth Schmidt verstirbt im Alter von 80 Jahren in seinem Geburtsort Hamm-Heessen am 18. Mai 2012.

Wolf Biermann über Helmuth Schmidt:

Helmuth Schmidt – tja, so heißt er nun mal. Als dieser Mann mich vor etlichen Jahren nach einem meiner Konzerte ansprach und seinen Namen nannte, dachte ich, das sollte eine kleine Politblödelei sein. Solch ein Helmuth mit „th” fehlte mir gerade noch. Seit ich diesen Sommer 2005 das Buchmanuskript mit dem Bericht über seine Erfahrungen als Häftling in den Jahren 1976, 77 und 78 las, kann ich ohne alle Übertreibung sagen: gerade dieser unberühmte Schmidt fehlte mir wahrhaftig noch in meinem privaten Pantheon tapferer Menschen.

Seine Vita liest sich streckenweise so, als ob ich in einen zerbrochenen Spiegel starre: verwirrende Ähnlichkeiten, entwirrende Unterschiede. Ich entdecke in seinem Schicksal verfremdet mein eigenes, sehe also mit neuem Blick auch meine eigene Lebensgeschichte. Beide kamen wir aus dem Westen in die DDR, und beide sind wir dabei womöglich östlicher geworden als die eingeborenen Ur-Ossis, wir nämlich waren freiwillig in diesem falschen Paradies.

Hintergrund

Das Dokumentationszentrum

Am 6. Juni 2001, haben Bundespräsident Johannes Rau und Ministerpräsident Harald Ringstorff das Dokumentationszentrum am Schweriner Demmlerplatz eröffnet. Der Gerichts- und Gefängniskomplex galt seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 bis zum Mauerfall 1989 als ein Ort der Repression und Rechtsbeugung. Weiterlesen

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