Erinnerung an den Herbst 1989

Vom / Landeskunde, Zeitzeugen

Foto: Dagmar Korintenberg/Wolf Kipper

Der 9. November 1989. Wir blicken zurück auf einen historischen Tag, stellen das Erinnerungszeichen in Waren (Müritz) vor, geben Leseempfehlungen – und beginnen mit diesem Ausstellungstipp.

Doppelausstellung „Perspektivwechsel“ – in Rostock und Lübeck

Gemälde, Grafiken, Plastiken werden zusammengeführt: Die Kunsthalle St. Annen in Lübeck und die Kunsthalle Rostock werfen einen gemeinsamen Blick auf die Geschichten der Häuser und die Entwicklung ihrer Sammlungen aus der Zeit der innerdeutschen Teilung bis in die Gegenwart. „Der Dialog der Kunstwerke ermöglicht es, Haltungen und Sehgewohnheiten in Frage zu stellen und eröffnet die Chance der Brücke und des Austausches für die Institutionen und insbesondere für die Besucherinnen und Besucher“, heißt es in der Beschreibung der Doppelausstellung, die anlässlich des 9. Novembers von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, eröffnet wird – um 15 Uhr in Rostock, um 18:30 Uhr in Lübeck. Weitere Infos – hier

Hintergrund

Der Fall der Berliner Mauer

Am 9. November 1989 um 18.53 Uhr verlas SED-Politbüromitglied Günter Schabowski, auf der gerade eingeführten, täglichen Pressekonferenz – die vom DDR-Fernsehen und im Radio live übertragen wurde – eher beiläufig eine Meldung, die ihm Egon Krenz eine Stunde zuvor zugesteckt hatte. Bei dem, was der frisch ernannte Sekretär für Informationswesen des ZK der SED von einem zweiseitigen Papier ablas, handelte es sich um einen Beschluss des Ministerrates der DDR „zur Veränderung der Situation der ständigen Ausreise von DDR-Bürgern nach der BRD über die ČSSR“. Dieser sollte am kommenden Morgen, dem 10. November, um 4 Uhr in Kraft treten und die Ausreisewelle über Drittländer in die Bundesrepublik stoppen.

Bei der Beratung des Papiers im ZK der SED war Schabowski nicht anwesend. So verkündete er – ohne Kenntnisse der Details –, dass der Ministerrat der DDR „auf Empfehlung des Politbüros” eine Regelung beschlossen habe, die es „jedem Bürger der DDR” möglich mache, „über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen”. Reiseanträge für „Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen – Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse – beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Die zuständigen Abteilungen Pass- und Meldewesen der Volkspolizeikreisämter (…) sind angewiesen, auch Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen, ohne dass dafür noch geltende Voraussetzungen für eine ständige Ausreise vorliegen müssen.” Die Ausreise in den Westen könne über alle Grenzübergangsstellen des Landes „zur BRD bzw. zu Berlin-West” erfolgen. Auf Nachfrage des „Bild”-Zeitungsreporters Peter Brinkmann, wann diese Bestimmung in Kraft trete, antwortete Schabowski konfus: „Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“

Die dpa setzte bereits wenige Minuten nach Ende der Pressekonferenz die Eilmeldung ab: „Von sofort an können DDR-Bürger direkt über alle Grenzstellen zwischen der DDR und der Bundesrepublik ausreisen.” Daraufhin setzte ein Ansturm auf die Grenzübergänge zwischen Ost- und Westberlin ein, auf den die DDR-Grenzhüter in keiner Weise vorbereitet waren. Gegen 21.30 Uhr ließen sie an der Bornholmer Straße einzelne DDR-Bürger die Absperrungen passieren, um Druck aus der Situation zu nehmen. Doch was als Ventillösung gedacht war, löste schon bald eine Flutwelle aus. Ihnen gegenüber standen lediglich 15 Grenzkontrolleure. Um 23.25 Uhr befahl ihr von seinen Vorgesetzten im Stich gelassener Befehlshaber dann in eigener Verantwortung, die Grenzschranken zu öffnen. Jubelnd strömten die Menschen nach Westberlin.

Die Öffnung weiterer Berliner Übergänge folgte im Minutenabstand. Nach Mitternacht öffneten auch die Kontrollpunkte im Berliner Umland ihre Sicherungssperren.

(aus Lindner, Bernd, 2010: Die demokratische Revolution in der DDR 1989/90. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung)

Buchtipps

Spurensuche. Orte der Friedlichen Revolution in Mecklenburg-Vorpommern

Herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern. Schwerin 2019

Der Fotograf Hendrik Lietmann und die Autorin Sandra Pingel-Schliemann haben sich auf Spurensuche durch Mecklenburg-Vorpommern begeben. Dabei entdeckten sie Orte, die auf besondere Weise die Geschichte der Friedlichen Revolution 1989 erzählen.

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Sandra Pingel-Schliemann / Doreen Hilbert: Frauen der Friedlichen Revolution 1989. Zwanzig Porträts aus Mecklenburg-Vorpommern. Schwerin 2014

Eine Fotografin und eine Autorin haben 20 Frauen aus Mecklenburg-Vorpommern porträtiert, die sich auf unterschiedliche Art und Weise im Herbst 1989 für Reformen in der DDR eingesetzt haben. In den Porträts erzählen die Frauen rückblickend von ihrem Engagement, ihren Hoffnungen, Ängsten, aber auch von ihren Enttäuschungen.

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Mehr Informationen

  • Atlas des Aufbruchs. Geschichten aus Mecklenburg-Vorpommern – hier
  • Die Grenzöffnung in Mecklenburg-Vorpommern – hier
  • Die Friedliche Revolution in Mecklenburg-Vorpommern – hier

Hintergrund

Am 16. Oktober fand mit dem Zug von der St. Georgenkirche zur St. Marienkirche in Waren (Müritz) die erste öffentliche Demonstration des Herbstes 1989 im Norden statt. Aus diesem Grund ist die Müritzstadt zum „Zentralen Erinnerungsort Mecklenburg-Vorpommern“ gewählt worden.

Das Erinnerungszeichen 1989 heißt: Perspektiven zur Freiheit. Entworfen wurde es von Dagmar Korintenberg und Wolf Kipper. Wir haben mit der Designerin und dem Architekten über das Projekt gesprochen – hier

Die Losungen von oben. Foto: Korintenberg/Kipper

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