Dokumentations- und Gedenkstätte wiedereröffnet

Vom / Landeskunde, LpB

Foto: Landeszentrale für politische Bildung MV

In Rostock ist am Freitag die sanierte Dokumentations- und Gedenkstätte in der ehemaligen Stasi-Untersuchungshaftanstalt wiedereröffnet worden. Rund 4900 Frauen und Männer waren hier zwischen 1960 und 1989 inhaftiert.

Viele Menschen seien über Monate festgehalten worden, häufig ohne Kontakt zur eigenen Familie, sagte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig bei der Eröffnung. „Und all das nur, weil sie eine andere Meinung hatten, weil sie mehr Freiheiten wollten.“

Schwesig (SPD) hielt am Freitag ebenso ein Grußwort wie der Bundestagsabgeordnete Eckhardt Rehberg (CDU). Das Land habe die Sanierung der Dokumentations- und Gedenkstätte mit 2,4 Millionen Euro gefördert, der Bund habe sich mit weiteren 1,8 Millionen Euro beteiligt, so Schwesig. Die Gedenkstätte informiere eindrucksvoll über die Arbeit der Staatssicherheit, die Haftbedingungen in der Anstalt und über die Verhörmethoden der Stasi.

„Ich hatte Angst, dass sie mir die Zähne ausschlagen“, erinnerte sich der ehemalige Inhaftierte Jürgen Eggert. Auch die kommissarische Bundesvorsitzende des Verbandes der Opfer des Stalinismus, May-Britt Krüger, war hier inhaftiert, 83 Tage lang im Jahr 1989. Besonders die ständigen Beobachtungen seien schlimm gewesen, so Krüger: „Überall waren Augen – ob man schlafen wollte, duschen wollte oder auf Toilette wollte.“

Die Untersuchungshaftanstalt wurde Ende der 1950er Jahre errichtet. Nicht einsehbar für Außenstehende befand sie sich auf dem Gelände der Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit. Die Untersuchungshaftanstalt verfügte über rund 50 Zellen auf drei Etagen. Die Inhaftierten mussten im Durchschnitt fünf bis sechs Monate Untersuchungshaft mit ständigen Verhören und unter starker Isolation über sich ergehen lassen, bis sie durch ein Gericht formal abgeurteilt und in eine Strafvollzugseinrichtung verlegt wurden.

„Gedenkstätten sind Orte nicht nur der historischen, sondern auch der politischen Bildung“, sagte der Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, Jochen Schmidt. „Hier an diesem Ort hat das Ministerium für Staatssicherheit seit 1960 Menschenrechte und Menschenwürde der Ideologie und der Macht geopfert. Hier an diesem Ort lässt sich lernen, dass die Macht in einer Diktatur in letzter Instanz nur mit Verfolgung und Unterdrückung erhalten werden kann.“

Bereits am 68. Jahrestag des DDR-Volksaufstandes (17. Juni 1953) hatten ehemalige Häftlinge erstmals die Gelegenheit, das Gebäude zu besichtigen. Die Gedenkstätte soll nach dem Willen der neuen Leiterin, Dr. Steffi Brüning, ein offenes Haus für die Betroffenen sein. Trägerin der Dokumentations- und Gedenkstätte ist die Landeszentrale für politische Bildung.

„Diese Gedenkstätte hier in Rostock zeigt uns ganz eindringlich: Demokratie und Freiheit sind keine Selbstverständlichkeit“, sagte Manuela Schwesig am Freitag. „Wir müssen alles dafür tun, um Freiheit, Demokratie und den Rechtsstaat zu bewahren, für eine Zukunft, in der Platz ist für alle, unabhängig von Herkunft, Religion oder politischer Meinung.“

Die Wiedereröffnung am Freitag in Rostock. Foto: LpB

Hintergrund

„Schicksale bleiben in Erinnerung“

Das Dokumentationszentrum in der Rostocker Hermannstraße. Seit Ende 2018 wurde das Gebäude saniert, Land und Bund investierten mehr als vier Millionen Euro. Wir sprachen mit der neuen Leiterin Dr. Steffi Brüning über ihre Pläne. Hier ein Auszug.

Zweieinhalb Jahre hat die Sanierung des Gebäudes gedauert. Worauf wurde besonders geachtet?

Dr. Steffi Brüning: Aus ganz praktischer baulicher Sicht ging es um Themen wie Brandschutz, Sicherheit, Statik, aber auch Barrierefreiheit. Die Architekten von Stadt+Haus, die Projektleitung vom SBL Neubrandenburg und alle Beteiligten haben dabei immer auf die Besonderheiten einer Gedenkstätte geachtet. Viele sehr aufwendige Sanierungsarbeiten sind deswegen nicht sichtbar. Sichtbares, wie zum Beispiel der neue Eingangsbereich, der Aufzug oder auch Rekonstruktionen im „Freihof“, wurde mit großer Sorgfalt geplant und umgesetzt.

Sie werden die Gedenkstätte leiten. Was haben Sie sich vorgenommen?

Ich habe großen Respekt vor dieser Aufgabe, die im ersten Schritt vor allem die Wiedereröffnung und den Aufbau der Bildungsarbeit vor Ort beinhaltet. Wir können hier auf die langjährigen Erfahrungen des Stasi-Unterlagen-Archivs Rostock als ehemaligen Träger zurückgreifen. Mir ist ein großes Anliegen, ein würdiges Gedenken mit modernen, auch digitalen Lernformaten in Einklang zu bringen. Im nächsten Schritt werde ich langfristig an einer neuen Dauerausstellung und Bildungsformaten arbeiten. Wir werden die Arbeit in der Gedenkstätte Schritt für Schritt aufbauen, dabei auf Bewährtes zurückgreifen und gleichzeitig neue Akzente setzen.

An wen richtet sich das Angebot?

Die individuelle Besichtigung, Führungen und andere Bildungsformate richten sich grundsätzlich an die breite Öffentlichkeit. Vor der Sanierung waren Jugendliche aus der Region und Touristinnen und Touristen quantitativ die größten Besuchergruppen. Aber auch Studierende, Auszubildende, Erwachsene aus verschiedenen Kontexten besuchten die Gedenkstätte. Hier wollen wir anknüpfen.

Welche Rolle spielen Internet und Social Media?

Bildungsarbeit im digitalen Raum hat gerade durch die Pandemielage einen großen Schub bekommen. Das betrifft Live-Online-Angebote, digitale Bildungsmaterialien und anderes. Wir werden diese Angebote auf jeden Fall mitdenken, auch wenn Präsenzveranstaltungen wieder dauerhaft möglich sind. In den sozialen Netzwerken sind wir auf den Kanälen der Landeszentrale für politische Bildung präsent und posten hier regelmäßig kleine und große Neuerungen im Rahmen der Öffnung.

Sind in der Dokumentations- und Gedenkstätte auch einzelne Schicksale dokumentiert?

In der Interimsausstellung sind ganz verschiedene Biografien von Inhaftierten und Verfolgten zu sehen, die das autoritäre System der SED und das konkrete Wirken der Staatssicherheit nachvollziehbar machen.

Ist Ihnen eines dieser Schicksale besonders in Erinnerung geblieben?

Grundsätzlich bleibt nahezu jedes Schicksal in Erinnerung. Lange beschäftigt hat mich zum Beispiel die Geschichte einer Frau, die in den 1980er Jahren inhaftiert wurden, weil sie kritische Flugblätter und Briefe in Rostock verteilt hat. Dabei beeindruckt mich bis heute, dass sie allein protestiert hat. Ohne Anschluss an eine oppositionelle Gruppe hat sie während ihrer Ausbildung Missstände gesehen und sich entschieden, aktiv zu werden.

Das komplette Interview – hier

Bereits am 68. Jahrestag des DDR-Volksaufstandes hatten ehemalige Häftlinge erstmals die Gelegenheit, das Gebäude zu besichtigen. Foto: LpB

Facebook