Treuhand – ein deutsches Drama

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Dezember 1990: Stahlwerker protestieren gegen die Treuhand. Foto: Bundesarchiv (Bild 183-1990-1219-006). Fotograf: Klaus Franke

Die Treuhand ist ein Reizthema, Synonym für die Zerschlagung der ostdeutschen Wirtschaft, für Massenarbeitslosigkeit und westdeutsche Rücksichtslosigkeit nach der Wende. Dieser sehr emotionalen und aus ihrer Sicht nicht immer ganz fairen Sichtweise wollen die Autoren von „Die Treuhand. Ein deutsches Drama“ etwas entgegensetzen. Das Buch ist im LpB-Shop erhältlich. Hier die Rezension von Conny Proske (Landeszentrale).

So, wie die ostdeutschen Negativerfahrungen mit der DDR sich nach der Wende auf die Stasi konzentrierten und dadurch andere staatliche Organe und Parteien in den Hintergrund gerieten, geschah es nach Ansicht der Autoren auch bei der Treuhand. Dass nicht die Treuhand selbst ihr Aufgabenfeld, ihre Vorgehensweise und den Zeitraum, der ihr für ihre Aufgaben blieb, bestimmt hat, sondern die letzte DDR-Regierung und die Volkskammer, die sie eingerichtet haben, werde in der Diskussion um den Niedergang der ostdeutschen Wirtschaft häufig aus dem Blick verloren.

Die Akten der Treuhand sind erst seit Kurzem zugänglich – Aufarbeitung und Debatte ihrer Tätigkeit, über Erfolg und Misserfolg begännen deshalb erst, so die Autoren. Das Buch sieht sich daher als Beitrag zu einer Debatte, die erst ganz am Anfang steht.

Als die DDR dem Geltungsbereich des Grundgesetzes und damit der BRD beitrat, hatte ihre Wirtschaft bereits einen gigantischen Investitionsrückstau und hohe Schulden in der Bundesrepublik. Die Einführung der D-Mark bedeutete, dass eigene währungs-, fiskal- und zollpolitische Instrumente nicht mehr zur Verfügung standen.

Darüber hinaus seien für die Unternehmen der DDR weitere Schwierigkeiten entstanden, die ihre Ursachen in politischen Entscheidungen hatten, heißt es im Buch. So hatte sich die Bundesregierung beispielsweise ausdrücklich gegen die Entschuldung der ostdeutschen Unternehmen zulasten des Staates ausgesprochen. Das stellte für die Unternehmen, die aus einem völlig anderen System stammten, das u.a. eine doppelte Buchführung nach kapitalistischem Muster nicht kannte, eine große Hypothek dar. Außerdem habe die Arbeitsgesellschaft der DDR, die die Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung, Freizeit, Urlaub, Kultur u.v.m. direkt über den Arbeitsplatz organisierte, zu Betriebsstrukturen geführt, die im westdeutschen Wirtschaftssystem „obsolet sein mussten“. (S. 106). (Siehe u.a. bei Kowalczuk: Die Übernahme)

Der größte Teil des Buches besteht aus der Nachzeichnung von zehn DDR-Unternehmen, die in die Hände der Treuhand übergeben wurden – und ihrem Schicksal in der folgenden Zeit.

Die Bilanz sieht düster aus, in dreierlei Hinsicht. Zum einen, was die Überlebensrate der von der Treuhand privatisierten und in die Marktwirtschaft überführten Unternehmen betrifft. Zweitens erwirtschaftete die Treuhand selbst ein Minus von 204,4 Mrd. D-Mark und schließlich kostete die Deindustrialisierung Ostdeutschlands, die damit verbundene Arbeitslosigkeit sowie die Abwanderung gerade der Leistungsträger der ostdeutschen Bevölkerung in den Westen viel Steuergeld vor allem in Form von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Dagegen gerechnet werden müsste jedoch der Boom der westdeutschen Wirtschaft nach dem Fall der Mauer, der durch den ostdeutschen Konsum ausgelöst wurde und mit zu sinkenden Arbeitslosenzahlen im Westen geführt habe.

Ganz so einfach ist die Sachlage allerdings auch wieder nicht, wie die Autoren betonen. So kann bisher gar nicht seriös geklärt werden, welchen Anteil die Treuhand konkret an der Arbeitslosigkeit im Osten Deutschlands hat. Die Autoren sehen die Treuhand daher auch „in der Rolle eines Sündenbocks“ (S. 109), die der „sehr komplexen Geschichte“ (S. 111) der Treuhand nicht gerecht wird. Diese wurde maßgeblich nicht nur von den Entscheidungsträgern in der Treuhand selbst, sondern mindestens ebenso von der Ebene der Politik, lokalen Unternehmen, Investoren, externen Beratern, Betriebsleitern und Betrügern gestaltet und beeinflusst.

Dass jedoch ein Strukturwandel auch langfristig und sozial gestaltet werden kann, zeige die Kohleindustrie, heißt es weiter. Hier sind viele Mrd. D-Mark – und Euro – hineingeflossen, um nicht die gleiche Massenarbeitslosigkeit zu erzeugen, wie sie die neuen Bundesländer lange prägte – und es vielleicht bis heute tut. Dem lagen jedoch entsprechende politische Entscheidungen zu Grunde.

Buchtipp

Olaf Jacobs (Hg.):
Die Treuhand. Ein deutsches Drama.
Halle (Saale) 2020. Mitteldeutscher Verlag. Hier bestellen

Hintergrund

  • Wieso war der Hass so groß? Die Treuhand diente nach 1990 als Projektionsfläche für alles, was im Osten schief lief, sagt der Forscher Marcus Böick. Das Interview in der ZEIT im Osten: hier
  • Norbert F. Pötzl erzählt die Geschichte der Treuhand. Er rät bei aller Wut vieler Ostdeutscher: auf die Fakten schauen. Die Rezension in der Süddeutschen Zeitung: hier
  • Im Juli 1990 konstituiert sich die Treuhandanstalt. Sie soll 12.000 volkseigene Betriebe privatisieren. Allein in Mecklenburg-Vorpommern 1.364 Firmen, darunter die VEB Fleischwirtschaft in Greifswald. Der NDR-Bericht: hier
  • Für viele Menschen – vor allem im Osten – gilt sie noch immer als Synonym für Ausbeutung und zerstörte Existenzen. Woran ist die Treuhand gescheitert? Die ZDF-Doku: hier
  • Die Treuhand. Der Hintergrund der Bundeszentrale für politische Bildung: hier

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