Der Mut von Margarete Wegener

Vom / Landeskunde, LpB, Zeitzeugen

Margarete Reuter (später Wegener) in der U-Haft des MfS, 1953

Margarete Wegener, geb. Reuter. Ihre christliche Nächstenliebe wird in der DDR zur Straftat erklärt. Sie kommt 1953 ins Gefängnis. Ihr fester Glauben führt sie durch diese schwere Zeit. Über das Leben einer mutigen Frau.

In Hohenkirchen bei Wismar als viertes Kind in einer Altbauernfamilie geboren, arbeitet Margarete Reuter (3.4.1928 – 15.1.2017) nach der Schulausbildung am Ende des Zweiten Weltkrieges zunächst auf dem elterlichen Hof. Später beginnt sie eine Neulehrerausbildung in Stralsund, um dann das Katechetische Seminar in Schwerin zu besuchen. Ab 1951 arbeitet Margarete Reuter als Katechetin in Brüel und bereitet als Religionslehrerin junge Christen auf die Konfirmation vor. Ehrenamtlich leitet sie die Junge Gemeinde im Ort. Mit ihrer christlichen Arbeit steht sie dem Versuch der SED, das materialistische Weltbild in der DDR-Jugend- und Schulpolitik zu verankern, im Weg. Anfang 1953 führte die SED eine DDR-weite Offensive gegen die als „Tarnorganisation für Kriegshetze” diffamierte „Junge Gemeinde”, der auch Margarete Reuter durch Denunziation zum Opfer fällt.

Verhaftet am 27. Februar 1953

Am 27. Februar 1953 wird ihre Wohnung polizeilich durchsucht und der Fund des Kinderbuches „Die Schwestern aus Memel“ zum Vorwand genommen, sie wegen „Rassenhetze“ zu verhaften. Nach Verhören in Brüel und Sternberg wird Margarete Reuter am 18. März 1953 in die Stasi-Haftanstalt Schwerin-Demmlerplatz überführt. In den Vernehmungen geht es fortan hauptsächlich um die Arbeit der Jungen Gemeinde und ihre Unterstützer, sowie um ein zwei Jahre zurückliegendes Ereignis. Damals stand sie mit ihren Studienkollegen des Katechetischen Seminars regelmäßig vor dem benachbarten Gefängnis in der Schweriner Klosterstraße, um mit dem Gesang von Liedern den Insassen Trost zu spenden. Sie wusste, dass unter ihnen auch viele politische Häftlinge waren. Nach dem Verbot des Singens auf offener Straße setzten sie die Gesänge auf dem Balkon ihres nahegelegenen Seminargebäudes fort.

Ein Vierteljahr nach ihrer Verhaftung kommt es vor dem Schweriner Landgericht zum Prozess. Dieser endet mit einer Verurteilung zu acht Jahren Zuchthaus wegen „Kriegs- und Boykotthetze” nach Artikel 6 der Verfassung der DDR. Das Verlesen der Urteilsverkündung findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Anschließend wird Margarete Reuter in das Frauengefängnis Bützow verbracht, in dem für die Gefangenen katastrophale hygienische Zustände herrschen. Ihr fester Glauben führt sie durch diese schwere Zeit. Nach Herabsetzung des Strafmaßes auf vier Jahre wird sie kurz vor Weihnachten 1955 vorzeitig entlassen.

Unbeugsam und aufrichtig

Mitte 1956 beginnt Margarete Reuter erneut als Katechetin zu arbeiten; allerdings nicht in Brüel, sondern in Kühlungsborn. Sie lernt ihren späteren Mann Pastor Ludwig Wegener kennen, mit dem sie die Pfarrstelle in Groß Varchow übernimmt und eine Familie gründet. Unbeugsam und aufrichtig arbeitet sie hier bis zu ihrer Pensionierung 1996. Da hatte sie bereits den Rehabilitierungsbeschluss des Landgerichts Schwerin über die Anerkennung der zu Unrecht verbüßten Haftstrafe (1992) erhalten.

Nach der Friedlichen Revolution nimmt Margarete Wegener regelmäßig an den Treffen ehemaliger Bützower politischer DDR-Gefangener teil. Dieses Forum wird ihr zur bedeutsamen Begegnungs- und Gesprächsstätte. Sie berichtet vor Jugendlichen von ihrer eigenen Verfolgungsgeschichte in der DDR und erinnert zugleich an die vielen tragischen Schicksale der durch die DDR-Justiz zu Unrecht Verurteilten. Ihr Wirken hat Spuren hinterlassen. Die Erinnerung an eine außerordentliche Persönlichkeit wird im Dokumentationszentrum für die Zukunft bewahrt.

Margarete Wegener verstarb am 15. Januar 2017 im Alter von 88 Jahren. 

Das Dokumentationszentrum in Schwerin

Der Gefängniskomplex wurde 1916 errichtet. Heute ist hier ein historischer Ort der Erinnerung, des Gedenkens und ein offener Lernort. Foto: Dokzentrum

Das Dokumentationszentrum des Landes für die Opfer der Diktaturen in Deutschland ist eine Einrichtung der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern und wurde am 6. Juni 2001 eröffnet. Wie kaum ein anderer Ort in der Region steht es für politisches Unrecht und staatliche Verfolgung im 20. Jahrhundert. Die wechselvolle Wirkungsgeschichte des 1916 errichteten Schweriner Gerichts- und Gefängniskomplexes wird in einer dreiteiligen Dauerausstellung gezeigt. In deren Mittelpunkt stehen Schicksale der Häftlinge, die während der Zeit des Nationalsozialismus, der sowjetischen Besatzungszeit und der SED-Diktatur aus politischen Gründen verfolgt, inhaftiert und verurteilt wurden. Das Dokumentationszentrum am Schweriner Demmlerplatz versteht sich als ein historischer Ort der Erinnerung, des Gedenkens und als offener Lernort.

Telefon: 0385/745299-11
Mail: dokuzentrum-schwerin@lpb.mv-regierung.de

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