Was tun gegen den Brand?

„Politische Bildung ist ein ganz zentraler Baustein im Konzept der Rechtsextremismusprävention und -bekämpfung“, schreibt Dr. Gudrun Heinrich von der Universität Rostock. Der Feuerwehrhelm jedoch stehe den politischen Bildnerinnen und Bildnern schlecht. Hier ihr Beitrag aus dem LpB-Buch „Politische Bildung auf schwierigem Terrain“.

Wer hat noch nicht laut nach der politischen Bildung gerufen, um den Brand des Rechtsextremismus einzudämmen? Doch der Feuerwehrhelm steht den politischen Bildnerinnen und Bildnern schlecht, wollen sie doch langfristig Kompetenzen aufbauen und Verständnis für politische Prozesse erreichen. Dennoch ist die politische Bildung ein ganz zentraler Baustein im Konzept der Rechtsextremismusprävention und -bekämpfung. Daher ist es notwendig, die grundlegenden Prämissen der politischen Bildung vor dem Hintergrund dieser Aufgabe immer wieder neu zu reflektieren.

Mit dem Beutelsbacher Konsens wurden vor nunmehr über 35 Jahren die zentralen Qualitätskriterien für einen politischen Politik-Unterricht in einer pluralistischen Demokratie beschrieben. Der „Konsens“ wurde am Ende einer Phase hoher Politisierung und Polarisierung in der Gesellschaft möglich – und wohl auch notwendig.(1) In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts war die Auseinandersetzung um politische Bildung eine der zentralen gesellschaftlichen und politischen Fragen in der alten Bundesrepublik. Auch wenn eine solche Politisierung der politischen Bildung nicht immer nur gut getan hat, war sie doch die Voraussetzung für die Bildung dieses informellen Konsenses.

Die Fragen, die sich weiterhin an den Beutelsbacher Konsens als Rahmen politischer Bildung richten, ergeben sich zum einen aus sich ständig ändernden politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Schon 1996 wurde auf einer der Tagungen der Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg gefragt: „Reicht der Beutelsbacher Konsens?“(2) Und auch 2013 stellt sich diese Frage weiterhin. Gerade die Bedingungen sinkender Demokratie-Zufriedenheit, zunehmender grundlegender Kritik am demokratischen System und ein sich als Phänomen relativer Dauer festsetzender Rechtsextremismus definieren neue Herausforderungen.

1 Siehe hierzu den grundlegenden Beitrag von Siegfried Schiele – dem Geburtshelfer des Beutelsbacher Konsenses – in diesem Band.

2 Vgl. Schiele, Siegfried/Breit, Gotthard (Hrsg.): Reicht der Beutelsbacher Konsens. Schwalbach/Ts. 1996.

Eine weitere Debatte über die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit des Beutelsbacher Konsenses speist sich zum anderen aus der Suche nach Qualitätsstandards auch im Bereich der außerschulischen politischen Bildung. Gerade die Frage der Arbeit gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit und für Demokratie und Toleranz stützt sich in wesentlichen Teilen auf außerschulische Träger politischer Bildung. Hier treffen zwei Herausforderungen aufeinander: das Kontroversitätsgebot und das in gleicher Weise unumstößliche Überwältigungsverbot treffen auf die moralisch wie politisch akzeptierte Notwendigkeit der Bekämpfung des Rechtsextremismus und scheinen dabei Instabilitäten hervorzurufen.

In der schulischen politischen Bildung sind die im Konsens formulierten Qualitätsmerkmale im Rahmen der fachdidaktischen Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer fest verankert. Auch wenn ein Blick in die schulische Praxis zeigt, dass diese Standards nicht immer eingehalten werden, so sind sie doch als Richtschnur allgemein akzeptiert. Die Bedeutung der im Konsens formulierten Standards für die außerschulische politische Bildung ist hingegen deutlich umstrittener.(3) So muss diskutiert werden, ob und inwieweit sich außerschulische Akteure an dem für den schulischen Kontext „entwickelten“ Beutelsbacher Konsens orientieren können und wollen.

Eine weitere Debatte ergibt sich aus dem Gesamtkonzept der drei Beutelsbacher Grundsätze. Gerade der häufig vergessene dritte Grundsatz zeigt uns das Spannungsverhältnis zwischen Befähigung zur Partizipation im Sinne des Einsetzens für die eigenen Interessen einerseits und dem Überwältigungsverbot andererseits auf.(4)

3 Siehe zu dieser Frage beispielsweise auch die Kontroverse zwischen Ahlheim, Schiele und Sander. Vgl. Ahlheim, Klaus: Die Kirche im Dorf lassen. In: Praxis Politische Bildung, Jg. 14. (2010), H. 2, S. 148f; Schiele, Siegfried: Betr. Beutelsbach. In: Praxis Politische Bildung, Jg. 14, (2010), H. 3, S. 233-235; Sander, Wolfgang: Bildung und Perspektivität. Kontroversität und Indoktrinationsverbot als Grundsätze von Bildung und Wissenschaft. In: Erwägen, Wissen, Ethik 20 (2009), H. 2, S. 239-248.

4 Siehe hierzu u.a. Dirk Lange, der für den Zusammenhalt der drei Grundsätze plädiert: Lange, Dirk: Das Bürgerbewusstsein und der Beutelsbacher Konsens in der außerschulischen Bildung. In: Ahlheim, Klaus/Schillo, Johannes (Hrsg.): Politische Bildung zwischen Formierung und Aufklärung. Hannover 2012, S. 63-74.

Eine radikale Position nimmt hier Benedikt Widmaier ein, der vor allem aus dem Blickwinkel der außerschulischen Bildung formuliert: „Dazu gehört meines Erachtens – wenn die Politische Bildung (politische) Partizipation als Bildungsziel ernst nimmt – auch die Anregung und Begleitung von politischer Aktion …“.(5) Damit vertritt er eine Position, die nicht bei der Befähigung zur Partizipation als Ziel politischer Bildung endet, sondern das politische Handeln selbst einbezieht und sich damit dem Vorwurf der Gefährdung von Kontroversität und Überwältigungsverbot aussetzen muss.

Die politische Bildungsarbeit im Themenfeld der Rechtsextremismusaufklärung und -prävention nimmt in Mecklenburg-Vorpommern angesichts einer sehr aktiven rechtsextremen Bewegungsszene und der Vertretung der rechtsextremen NPD im Landtag (Hinweis der Redaktion: der Beitrag stammt von 2016) einen besonderen Stellenwert ein. Gerade in der Arbeit in diesem Themenfeld scheinen moralische Argumentationsmuster und Konzeptionen, die ihren Fokus auf soziale Kompetenzen legen, eine starke Position einzunehmen.

Es ist daher notwendig, eine auf den Kern politischer Bildung konzentrierte Qualitätsdebatte im Bereich der schulischen wie der außerschulischen Bildungsarbeit im Themenfeld der Rechtsextremismusprävention zu führen. Im Folgenden soll daher die Frage diskutiert werden: Gilt der Beutelsbacher Konsens auch bei der Thematisierung von Rechtsextremismus im Rahmen schulischer und außerschulischer politischer Bildung? Konkret gefragt: müssen wir auch bei der Behandlung des Themas Rechtsextremismus den Grundsatz der Kontroversität und das Verbot der Überwältigung beachten?

5 Widmaier, Benedikt: Das ganze Erfolgspaket auf seine Bedeutung hin befragen! Der Beutelsbacher Konsens und die aktionsorientierte Bildung. In: Außerschulische Bildung. Materialien zur politischen Jugend- und Erwachsenenbildung – Mitteilungen des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten e.V. Jg. 42 (2011), H. 2, S. 142-150, hier: S. 145.

1. Rechtsextremismus als Herausforderung

1.1 Rechtsextremismus als gesellschaftliches Phänomen

Rechtsextremismus tritt uns als Verhaltensphänomen in der gesellschaftlichen Realität in der Regel in Form von Gewalttaten, Demonstrationen und Aufmärschen oder in Form von Musik mit rechtsextremen Texten und dem Zur-Schau-Stellen eindeutiger Symbolik entgegen. Als Einstellungsphänomen begegnet uns Rechtsextremismus nicht nur in Form von Stammtischdebatten, sondern immer wieder in alltäglichen Gesprächen und politischen Diskussionen. Die Attraktivität dieser Gedanken- und Erlebniswelten beschränkt sich nicht nur auf wenige randständige Gesellschaftsgruppen. Rechtsextremismus ist vielmehr als eine Form einer sozialen Bewegung zu verstehen, die ein vielfältiges Angebot an Aktivitäten und inhaltlichen Verortungen zur Verfügung stellt und auf breite Verankerung in der Gesellschaft zielt.(6)

Die gedankliche Grundlage, auf der die Aktivitäten und Einstellungsmuster beruhen, lässt sich nicht in Form einer ausformulierten Ideologie identifizieren. „Was hier vorliegt ist vielmehr ein Mythen-Konglomerat, das sich zu einer bestimmten Mentalität und Gesinnung ausformt“.(7) Wesentliche Elemente dieses Konglomerates sind der Gedanke der Ungleichheit der Menschen, eine dichotome Einteilung der Menschen in Freund oder Feind und ein biologistisches Menschen- und Gesellschaftsbild. Die einzelnen Elemente stehen in einem engen Zusammenhang und produzieren Einstellungsmuster, die Fremdenfeindlichkeit bis zu Fremdenhass in unterschiedlichsten Ausprägungen (Antisemitismus, Islamophobie etc.) produzieren, den Nationalsozialismus rechtfertigen und eine autoritäre Staatsform befürworten.

Radikale Ideologien und vor allem auf Mythen gründende Gedankenmuster sind rationalen Argumentationen nicht zugänglich. Die Hoffnung, rechtsextreme Wortführer mit dem Hinweis von ihren Gedanken abzubringen, ihr Konzept sei doch nicht logisch und verfüge über inhaltliche Brüche, schlägt ins Leere. Vorurteile und Mythen lassen sich nicht durch Argumente entkräften.(8) Sie sind gegenüber politischer Bildung so gut wie immun und „weitestgehend aufklärungsresistent“.(9)

6 Dies belegen zahlreiche Studien, u.a.: Decker, Oliver/Kiess, Johannes/Brähler, Elmar: Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012. Bonn 2012; Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.): Deutsche Zustände. Folge 10. Frankfurt/Main 2012; Ahlheim, Klaus: Rechtsextremismus – Ethnozentrismus – Politische Bildung. Hannover 2012, S. 68f.

7 Lenk, Kurt: Ideengeschichtliche Dispositionen rechtsextremen Denkens. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 9-10 (1998), S. 13-19, hier: S. 18.

8 Vgl. ebenda, S. 17.

9 Ahlheim, Klaus: Prävention von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. In: Sander, Wolfgang (Hrsg.): Handbuch politische Bildung. 2. Aufl., Bonn 2007, S. 379-391, hier: S. 388.

Wenn uns im Alltag Sprüche entgegenschlagen, wie „Die Fremden sind doch an allem Schuld“, „die nehmen uns die Arbeitsplätze weg“, dann zeigen sich daran die auf ein zweidimensionales Weltbild reduzierten Einstellungen. Angesichts der Herausforderungen einer zunehmend vielfältigen, globalisierten Welt reduziert der Rechtsextremismus das Weltbild auf Freunde und Feinde. Die Menschen zählen nicht als Individuen, deren Würde und Unverletzlichkeit unser höchstes Gut ist, sondern nur als Teil einer völkischen Gemeinschaft, die ethnisch rein erhalten werden muss, um überlebensfähig zu sein. Auf dieser völkisch-biologistischen und menschenverachtenden Gedankenwelt fußen die Einstellungsmuster, die in einer Ablehnung von Demokratie und Pluralismus Ausdruck finden, daraus speist sich die Legitimation und Motivation für Diffamierungen und Gewalttaten.

1.2 Ursachen des Rechtsextremismus

Die Ursachen für den Zulauf, den sowohl die rechtsextreme Gedankenwelt als auch die rechtsextreme Erlebniswelt zu verzeichnen hat, sind vielfältig. Eine endgültige Erklärung hat die Forschung nicht parat. Es ist ein Bündel von Faktoren, die als Ursachenkomplexe herangezogen werden. Stark vereinfacht können folgende Elemente herausgestellt werden:

Ein Erklärungsfaktor liegt in den individuellen Persönlichkeitsstrukturen sowie in den individuellen, vor allem frühkindlichen Sozialisationserfahrungen. Zurückgehend auf Theodor W. Adornos Studien zur autoritären Persönlichkeit werden immer wieder einzelne Persönlichkeitsmerkmale als zentrale Ursache für die Herausbildung einer „autoritären Persönlichkeit“ genannt. In neuerer Zeit belegen Studien sowohl den Einfluss der Erziehung(10) als auch struktureller Rahmenbedingungen.(11)

Ein weiterer Erklärungsstrang sieht das Erstarken des aktuellen Rechtsextremismus vor allem als Reaktion auf die Herausforderungen der Moderne. Durch die Entwicklungen der Globalisierung und Individualisierung entstehen neue und komplexe Anforderungen an das Individuum. Rechtsextreme Deutungs- und Erklärungsmuster produzieren eine Reduktion auf scheinbar einfache Antworten indem sie rückwärtsgewandte Szenarien anbieten, die uns von den komplexen Fragen und Aufgaben entlasten. „Der aktuelle Rechtsextremismus stellt sich so betrachtet als eine antimodernistische Ideologie dar, die bezogen auf verschiedene Aspekte des Prozesses der Modernisierung moderner Gesellschaften die Forderung etabliert, dass diese aufgehalten bzw. rückgängig gemacht werden sollen und können“.(12)

Ein Ansatz, der vor allem vom Soziologen Wilhelm Heitmeyer verfolgt wird, sieht als Ursachen für die Phänomene „Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“(13) vor allem differenzierte Prozesse der ökonomischen und sozialen Desintegration und deren Folgen. Menschen, die sich ökonomisch und sozial in dieser Gesellschaft nicht mehr aufgehoben fühlen und davon ausgehen, keinen Einfluss auf diese Gesellschaft mehr zu haben, neigen nach Heitmeyer zu den vom ihm beschriebenen Einstellungsmustern der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“.(14)

10 Auch Decker und Brähler bezogen Fragen der Erziehung und Sozialisation in ihre Studie ein: Decker, Oliver/Brähler, Elmar/Geißler, Norman: Vom Rand zur Mitte. Rechtsextreme Einstellungen und ihre Einflussfaktoren in Deutschland. Berlin 2006.

11 Vgl. Oesterreich, Detlef: Massenflucht in die Sicherheit? Zum politischen Verhalten autoritärer Persönlichkeiten. Theoretische Überlegungen und Ergebnisse von vier empirischen Untersuchungen. In: Loch, Dietmar/Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.): Schattenseiten der Globalisierung. Frankfurt/Main 2001, S. 275-298.

12 Scherr, Albert: Befunde der Rechtsextremismusforschung: Gründe und Ursa-chen der Attraktivität rechtsextremer Orientierungen für Jugendliche. In: Dünkel, Frieder/Geng, Bernd (Hrsg.): Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Bestandsaufnahme und Interventionsstrategien. Mönchengladbach 1999, S. 69-88.

13 „Hinter dem Konzept steht die theoretische Ausgangsposition, dass Menschenfeindlichkeit sich nicht an individuellen Feindschaftsverhältnissen festmachen lässt, sondern auf Gruppen zielt. Werden Personen aufgrund gewählter oder zugewiesener Gruppenzugehörigkeit als ungleichwertig markiert und feindseligen Mentalitäten ausgesetzt, dann sprechen wir von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.“ (Heitmeyer, Wilhelm/Mansel, Jürgen: Gesellschaftliche Entwicklung und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit: Unübersichtliche Perspektiven. In: Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.): Deutsche Zustände. Folge 6, Frankfurt/Main 2008, S. 13-35, hier S. 18.)

14 Die Längsschnittstudie von Heitmeyer berücksichtigt hierbei: Abwertung Langzeitarbeitsloser, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Etabliertenvorrechte, Abwertung Behinderter, Abwertung Obdachloser, Homophobie, Sexismus, Islamophobie.

Spezifische Rahmenbedingungen in den neuen Bundesländern verstärken die Neigung zu rechtsextremen Überzeugungen durch eine starke – aus Einstellungsmustern der DDR tradierte – Autoritätsorientierung und Staatsfixierung. Einzelne Elemente der ostdeutschen politischen Kultur können daher als positive Rahmen-bedingungen bei der Verankerung rechtsextremer Einstellungen gesehen werden. Die vor allem in der Politik immer wieder diskutierte These, der Zulauf der rechtsextremen Bewegung wie auch die Wahl rechtsextremer Parteien ließe sich vor allem auf ein – kurzfristiges – Protestverhalten zurückführen, ist von der Forschung seit langem der wissenschaftliche Boden entzogen worden. Eine aktuelle, europaweit vergleichende Studie kommt zu dem klaren Schluss: „Obwohl ein deutlicher Einfluss der Unzufriedenheit mit den Leistungen des politischen Systems nicht von der Hand zu weisen ist, kann die These von der ‚unideologischen Protestwahl‘ damit als widerlegt gelten.“(15)

Komponenten von Protest und Provokation spielen bei der Wahl extremer Verhaltensweisen eine Rolle, vor allem bei Jugendlichen ist dies in der pädagogischen Arbeit immer wieder zu berücksichtigen. Umso wichtiger ist die Auseinandersetzung mit den Jugendlichen, um deren wahre Motive und inhaltlichen Beweggründe zu erfahren. Nicht hinter jeder inhaltlich als rechtsextrem zu verortenden Äußerung steht ein überzeugter Ideologe. Dies sensibel zu hinterfragen, ist Element pädagogischer Arbeit.

Vor dem Hintergrund der hier vereinfacht dargestellten Debatte zu den Ursachenkomplexen des Rechtsextremismus ist nun der Blick auf die Möglichkeiten und Grenzen politischer Bildung zu richten.

15 Vgl. Arzheimer, Kai: Die Wähler der extremen Rechten 1980-2002. Wiesbaden 2008, S. 385.

2. Was ist politische Bildung – und was nicht?

2.1 Das Ziel politischer Bildung

Das Ziel politischer Bildung ist die Stärkung von Demokratie. Demokratie lässt sich nur dann lebendig erhalten, wenn die Bürgerinnen und Bürger bereit und in der Lage sind, an den demokratischen Entscheidungsprozessen teilzunehmen. Dies können sie nur, wenn sie in die Lage versetzt wurden, sich ein eigenes, abwägendes Urteil über politisch offene Fragen zu bilden. Daher ist die Fähigkeit der politischen Urteilsbildung das Kernziel jeglicher politischen Bildung. Wer sich ein Urteil in politischen Fragen bilden möchte, muss die Fakten kennen, die Grundzüge des politischen Systems und seiner Entscheidungsverfahren verstanden haben, unterschiedliche Positionen nachvollziehen können sowie seinen eigenen Standpunkt kennen und kritisch reflektieren können.

Natürlich braucht eine demokratische Gesellschaft auch ein ganzes Bündel weiterer Kompetenzen auf Seiten ihrer Bürger – Empathiefähigkeit, Toleranz sowie Diskurs- und Konfliktfähigkeit sind weitere wesentliche Elemente – aber sie finden ihre Zuspitzung und konkrete Umsetzung in der demokratischen Urteilsbildung. Der Beutelsbacher Konsens mit seinen drei Grundsätzen bildet quasi das Grundfundament für den Weg zu diesem Ziel. Die konkrete Ausgestaltung ist im Sinne einer pluralistischen Demokratie in unterschiedlicher Weise möglich. Aber der Konsens fordert von den politischen Bildnern bei der Konstruktion des Lerngegenstandes immer das Prinzip der Kontroversität zu gewährleisten und damit Indoktrination zu verhindern. Politische Bildung muss sich in mehrfacher Hinsicht abgrenzen. Politische Bildung ist weder reduzierbar auf die reine Vermittlung von Sachinformationen, noch auf die Darstellung einseitiger politischer Positionen, noch lässt sich ausschließliche soziale Bildung, welcher der Kontext zum politischen Agieren fehlt, als politische Bildung klassifizieren.

2.2 Politische Bildung ist weder politische Kunde noch Schulung

Dort, wo sich politische Bildung darauf reduzieren lässt, Informationen zu einem Sachthema zu geben (wie beispielsweise Informationen über von Rechtsextremen genutzte Symbolik, Fragen der rechtlichen Handhabe gegen rechtsextreme Aktivitäten etc.), sollten wir nicht von politischer Bildung, sondern von politischer Kunde oder politischer Schulung sprechen. Veranstaltungen, die auf einzelne Positionen abheben und diese ohne die Möglichkeit zur Kontroverse darstellen, sind ebenfalls keine politische Bildung. Ein Vortrag, der eine politische Position zu einem gesellschaftlich umstrittenen Thema referiert, wird erst dann zur Veranstaltung im Sinne politischer Bildung, wenn die Chance zur Auseinandersetzung besteht, sei es im Rahmen der Veranstaltung selbst oder im Zusammenspiel mit einem breiten, in ein Konzept zusammengefasstes Angebot.

2.3 Soziale Bildung ist nicht politische Bildung

Deutlich kontroverser ist die Frage zu diskutieren: ist soziale Bildung auch politische Bildung? Fragen sozialen Lernens sind unstrittig Teil der politischen Bildung – vorrangig auch im schulischen Kontext. Schauen wir auf die Zielstellungen und Themensetzungen der politischen Bildung in der Schule, so gehören Elemente wie soziales Lernen und Lebenshilfe als Voraussetzungen und Lernhilfen auf dem Weg zur Mündigkeit fraglos zum schulischen Katalog. Die Grenzen zeigen sich hier jedoch mit Blick auf die Konzentration auf das Element des Demokratie-Lernens. Schulklassen setzen sich intensiv damit auseinander, wie der Klassensprecher zu wählen ist, ob die Klassenfahrt nach X oder Y unternommen wird. Schüler lernen Regeln sozialer Kommunikation wie „ausreden lassen“, „zuhören“ und lernen auch die Vorteile deren Einhaltung schätzen. Können wir politische Bildung in der Schule dann abschaffen? Zahlreiche Untersuchungen machen deutlich, dass sich politische Bildung nicht im Erleben und Erlernen von demokratischen Regeln in Schule und ihrem Umfeld erschöpft. Die Identifikation mit sozialen und demokratischen Grundwerten ist eine unabdingbare Voraussetzung für das dauerhafte Gelingen des „Projektes Demokratie“. Die Zustimmung zu demokratischen Werten an sich bewirkt jedoch noch kein Demokratieverständnis an sich.(16) Politische Bildung zielt zusätzlich auf Orientierungsfähigkeit und damit Handlungsfähigkeit im demokratischen Regelungs- und Herrschaftssystem ab. Diese kann man nur erlangen, wenn politische und gesellschaftliche Phänomene und ihre Wirkungen verstanden wurden, Mechanismen der Mehrheitsbildung und Fragen der Legitimation allgemeinverbindlicher Entscheidungen gekannt und verstanden sind. Für ein so verstandenes Konzept politischer Bildung, das auf die Mündigkeit im gesellschaftlichen Regelungs- und Entscheidungssystem abzielt, ist der Beutelsbacher Konsens notwendige Bedingung.

So breit akzeptiert die Grundsätze inzwischen im schulischen Kontext sind – da hier die Schülerinnen und Schüler ohne freie Entscheidung den von Lehrerinnen und Lehrern konstruierten Lernprozessen ausgesetzt sind –, so umstritten ist die strikte Anwendung innerhalb der außerschulischen politischen Bildung.(17)

Das Kriterium für die Anwendbarkeit der Beutelsbacher Grundsätze sollte aus meiner Perspektive jedoch nicht der Lernort (Schule oder außerschulischer Lernort) oder der jeweilige Anbieter (Lehrer oder Träger der politischen Bildung) sein. Vielmehr müssen die jeweilige Adressatengruppe und deren Lernbedingungen die Qualitätskriterien bestimmen: Nehmen die Teilnehmer freiwillig die Angebote politischer Bildung wahr? Ist die politische Mündigkeit in ihrer Ausbildung begriffen – also ein zartes zu behütendes Pflänzchen – oder sind die Teilnehmer im weitesten Sinne politisch entscheidungsfähig? Angesichts der begrüßenswerten Angebote außerschulischer Akteure und Träger im Bereich der schulischen politischen Bildung in Form von Ganztagesangeboten, Wahlpflichtkursen und Projekttagen sowie Angeboten für Kinder und Jugendliche außerhalb der Schule sind die Debatten um Qualitätsstandards gerade in diesem Bereich intensiv zu führen. Die Gefahr, die in einer strengen und von oben verordneten Setzung der Prinzipien als conditio sine qua non für die außerschulische Arbeit besteht, ist ein Verlust an Freiheit und Vielfalt, die politische Bildung in der Demokratie prägen müssen. Daher plädiere ich für die Orientierung an den Kriterien der Kontroversität, des Überwältigungsverbotes und der Befähigung zur Partizipation als immer wieder neu zu definierende und mit Inhalt zu füllende Qualitätsmerkmale.

16 Vgl. Reinhardt, Sibylle: Was leistet Demokratie-Lernen für die politische Bildung? Gibt es empirische Indizien zum Transfer von Partizipation im Nahraum auf Demokratie-Kompetenz im Staat? Ende einer Illusion und neue Fragen. In: Lange, Dirk (Hrsg.): Demokratiedidaktik. Impulse für die Politische Bildung. Wiesbaden 2010, S. 125-141.

17 Siehe hierzu auch die Ausführungen von Siegfried Schiele in diesem Band.

3. Möglichkeiten der politischen Bildung gegen Rechtsextremismus zu wirken

Die hehren Grundsätze werden angesichts der Herausforderung des Rechtsextremismus auf eine harte Probe gestellt. Wie kann ich als politische Bildnerin oder politischer Bildner nicht überwältigend und kontrovers über menschenverachtende Inhalte sprechen – ist nicht hier die Grenze des Beutelsbacher Konsenses erreicht?(18)

3.1 Die Begrenzung der Möglichkeiten: was kann politische Bildung erreichen?

Mit politischer Bildung werden wir nicht die politisch Überzeugten erreichen, die bereits fest in der rechtsextremen Gedankenwelt verhaftet sind. Ihnen gegenüber kann politische Bildung nur einen aus anderen Quellen gespeisten Verunsicherungsprozess unterstützten. Die rechtsextreme Gedankenwelt ist „rationalitätsimmun“, wer tief in ihr verhaftet wird, kann nicht durch Gegenargumentationen zu einem Ausstieg bewogen werden. Politische Bildung kann durch unterschiedliche Elemente dazu beitragen, die Verbreitung extremistischer Gedanken und Verhaltensweisen zu begrenzen.

18 Auch Wolfgang Sander thematisiert aus konstruktivistischer Sicht die Grenzen des Kontroversitätsgebotes, wenn er fragt: „Wie soll mit extremistischen oder fundamentalistischen Positionen wie mit obskuren Heilslehren innerhalb der eigenen Gesellschaft umgegangen werden?“ Für ihn ist Bildung jedoch gerade als „Gegengift“ gegen solche Positionen zu verstehen und so definiert er: „Hier genau liegt die Grenze der Multiperspektivität: in der Forderung, nur solche kulturellen Positionen als legitim in Bildungsangeboten zu repräsentieren, die ihrerseits bereit sind, andere als die eigene als legitim anzuerkennen.“ (Sander, 2009, a.a.O., S. 247).

1. Gute politische Bildung wirkt durch die Umsetzung ihres Ziels der demokratischen Urteilsbildung per se demokratiestärkend. Gelingt es uns, die Fähigkeit zu vermitteln, sich unter Abwägung unterschiedlicher Positionen und eigener Interessen und auf der Grundlage klarer Kriterien ein politisches Urteil zu bilden, dann fördern wir eine mündige Auseinandersetzung mit Politik und Gesellschaft. Dies ist die Grundlage für demokratische Entscheidungsprozesse.

2. Durch die offene Bearbeitung der Themen, die vom Rechtsextremismus aufgegriffen und genutzt werden, kann politische Bildung zur Stärkung demokratischer Einstellungsmuster beitragen. Ein Verständnis der Grundlagen der Demokratie und eine Auseinandersetzung mit Themen wie Migration und Integration, Europäische Integration oder Politik- und Parteienverdrossenheit sind ein Fundament zur Verhinderung extremer antidemokratischer Positionen und Verhaltensweisen. Die Vermittlung von „immunisierenden“ Kenntnissen und Einsichten kann es den Vertretern der Legenden- und Mythenbildung erschweren, Fuß zu fassen. Hier ist politische Bildung im klassischen Sinne gefragt.(19)

3. Hingegen wirkt die Aufklärung über Rechtsextremismus nur indirekt präventiv gegen Rechtsextremismus. Die Studien über Ursachen und Hintergründe rechtsextremer Einstellungen und Verhaltensweisen zeigen klar, dass nicht die fehlende Kenntnis über das Phänomen Rechtsextremismus die Ursache für den teilweise regen Zulauf ist. Würde eine Aufklärung über die wirklichen Ziele und Positionen des Rechtsextremismus sich auf dessen Anhänger oder potentiellen Anhänger auswirken, so wären dies lediglich verleitete und irregeführte Protestierer.(20)

19 Siehe hierzu auch die gewinnbringende Debatte unterschiedlicher Ansätze der politischen Bildung, wie beispielsweise Menschenrechtserziehung, historisch-politische Bildung bei: Hormel, Ulrike/Scherr, Albert: Bildung für die Einwanderungsgesellschaft. Perspektiven der Auseinandersetzung mit struktureller, institutioneller und interaktioneller Diskriminierung. Wiesbaden 2004.

20 So bewertet Gänger, der sich mit schulischer Präventionsarbeit auseinandergesetzt hat, sowohl „Aufklärung“ über Rechtsextremismus als auch direkte „Intervention“ nur als Ergänzung einer schulischen Präventionsarbeit, die auf den Säulen: demokratische Unterrichtskultur und Förderung der sozialen Beziehungen aufbauen muss. Vgl. Gänger, Sven: Schule gegen Rechtsextremismus – Schwerpunkte und Ergänzungen. In: Kursiv (2007), H. 4, S. 74-84.

Dennoch ist politische Bildung sowohl in Schule und als auch in außerschulischen Kontexten gefordert, über den Rechtsextremismus, seine ideologischen Hintergründe, die Ziele und die Aktionsformen aufzuklären, gilt es doch demokratische Jugendliche bzw. Erwachsene in ihren Positionen zu stärken, Argumentationen gegen Rechtsextremismus zu erarbeiten und die eventuell Schwankenden und mit extremistischen Positionen Sympathisierenden in ihrer demokratischen Urteilsbildung zu unterstützen.

3.2 Herausforderungen bei der Thematisierung von Rechtsextremismus

Bei der Thematisierung von Rechtsextremismus sind wir in der außerschulischen wie schulischen politischen Bildung mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Aus der eingehenden Beobachtung und Analyse von Bildungsprozessen wissen wir: „Die Adressaten wehren dann Informationen und Argumente gerade deshalb ab, weil sie wahrnehmen, dass Pädagogen versuchen, auf sie einzuwirken, und dies als einen illegitimen Versuch bewerten, sie zu beeinflussen oder gar zu manipulieren. Daraus kann sich eine Dynamik der sich aufschaukelnden Konfrontation entwickeln, in der jeder weitere Versuch zu argumentieren, als unzulässiger Übergriff auf die eigene Person zurückgewiesen wird.“(21)

Die Bearbeitung des Themas Rechtsextremismus unterliegt damit der Gefahr, durch das Abrutschen in eine sogenannte „Konfrontationsfalle“ kontraproduktiv zu wirken. Da die kritische Betrachtung rechtsextremer Inhalte und Verhaltensweisen nicht immer zur Alltagserfahrung der Adressaten der Bildungsveranstaltungen gehört, können diese durch die Konfrontation in eine Abwehrhaltung getrieben werden. Diese wird verstärkt, wenn sich die Bildungseinheit in ihrer Darstellung des Gegenstandes als vor allem moralisch konstruiert zeigt („Moralisierungsfalle“).(22) Auch aus der Gedenkstättenpädagogik wissen wir, dass moralische Argumentationen keine eigenen Erkenntnisse ermöglichen, sondern in besonderem Maße Abwehrreaktionen hervorrufen können.(23) Bei der Behandlung des Themas Rechtsextremismus werden die beiden Gefahrenpotentiale ergänzt durch die latente Gefahr, durch die Zur-Schau-Stellung rechtsextremer Inhalte, diese erst publik zu machen („Werbefalle“). Gute politische Bildung kann sich diesen Herausforderungen stellen, indem sie ihre Qualitätskriterien des Beutelsbacher Konsenses auch und gerade bei der Behandlung des Themas Rechtsextremismus anwendet.

21 Hormel, Ulrike/Scherr, Albert: Bildung für die Einwanderungsgesellschaft. Perspektiven der Auseinandersetzung mit struktureller, institutioneller und interaktioneller Diskriminierung, Bonn 2005, S. 277.

22 Vgl. Scherr, Albert: Kommunikationsfähigkeit ist gefragt. Forderungen aus der Wissenschaft. Bundeszentrale für Politische Bildung. Online verfügbar unter www.bpb.de/themen/0L586G.html, zuletzt geprüft am 05.03.2013.

23 Siehe hierzu auch den Beitrag von Matthias Heyl in diesem Band.

3.3 Kontroversität und Überwältigungsverbot

Es ist dem Pädagogen Albert Scherr zuzustimmen, wenn er als Reaktion auf die beschriebenen Gefahren fordert: „Um eine solche Entwicklung zu vermeiden ist es notwendig, Jugendlichen Aspekte des Themenkomplexes ‚Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Rechtsextremismus‘ als einen von ihrer Person unterschiedenen Lerngegenstand anzubieten.“(24) Dies muss durch eine Konstruktion des Themas geschehen, die eine Bearbeitung des Gegenstandes möglich macht, der die Darstellung kontroverser Positionen zulässt. Es gilt inhaltliche Lernarrangements umzusetzen, in denen rechtsextreme Inhalte bearbeitet, anhand von Kriterien bewertet oder unterschiedliche Positionen zum Umgang mit rechtsextremen Phänomenen diskutiert werden.

Es ist kein Widerspruch, wenn wir gleichzeitig fordern, dass dies auf der Grundlage einer Argumentation für demokratische Positionen geschehen kann und muss. Rechtsextreme Positionen und Inhalte dürfen nicht Inhalt der Bildungsprozesse sein, sondern Gegenstand. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltungen – wie auch die Schülerinnen und Schüler im Unterricht oder im Rahmen von Projekten – müssen befähigt werden, sich dem Gegenstand zu stellen und ihre Position hierzu auf der Grundlage demokratischer Argumentationen zu erarbeiten. Eine Reihe von guten Beispielen zeigt uns, wie Kontroversität und Überwältigungsverbot umzusetzen sind: Sei es durch die Bearbeitung rechtsextremer Inhalte vor dem Hintergrund der Menschenrechte(25) oder der Einbettung in eine sozialwissenschaftliche Analyse.(26) Die Frage eines möglichen NPD-Verbotes ließe sich beispielsweise in ausgezeichneter Weise kontrovers darstellen. Diese sowohl innerhalb der Wissenschaft wie auch der Gesellschaft zu Recht kontrovers diskutierte Frage kann das Verstehen des Rechtsextremismus fördern und gleichzeitig grundlegende Merkmale demokratischer Verfassungsstaatlichkeit vermitteln. In der politischen Bildung zum Thema Rechtsextremismus muss es darum gehen, den Gegenstand in einen Lernprozess einzubetten, der durch die Bearbeitung unterschiedlicher Positionen, Kriterien und Fragestellungen einen eigenen Weg der Urteilsbildung für jeden Teilnehmer und jede Teilnehmerin ermöglicht.

24 Vgl. Scherr, Kommunikationsfähigkeit, a.a.O.

25 Vgl. Kaletsch, Christa: Für Demokratie und Menschenrechte. Bausteine zur Auseinandersetzung mit der „Erlebniswelt Rechtsextremismus“. In: Pädagogik (2010), H. 2, S. 18-21.

26 Vgl. May, Michael/Dietz, Andreas: Thema „Rechtsextremismus“ im Unterricht: Verstehen vs. Moralisieren. Soziologische Reflexionen im Lernfeld Soziologie der gymnasialen Oberstufe. In: Gesellschaft–Wirtschaft–Politik, Jg. 53 (2005), H. 2, S. 223-233; ergänzte Version unter: http://www.zsb.uni-halle.de/archiv/didaktischer-koffer/unterrichtsreihen/reihe09/, zuletzt geprüft: 05.03.2013.

4. Fazit

Die Lernarrangements dürfen demokratische Grundpositionen nicht in Frage stellen, sie müssen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aber die Chance der Auseinandersetzung mit eigenen und fremden Position einräumen. Es geht nicht darum, rechtsextreme Positionen und Äußerungen zu akzeptieren und im Sinne der Kontroversität „zuzulassen“. Die Grundwerte der Demokratie begleiten didaktisches wie pädagogisches Handeln als unumstößliche Wertbezüge, doch ihre Akzeptanz ist Ziel und nicht Voraussetzung politischer Bildung. Auch im Rahmen der politischen Bildungsarbeit, die sich mit antidemokratischen Phänomen wie Rechtsextremismus oder anderen Formen des Extremismus auseinandersetzt, muss daher das Ziel der Herausbildung der politischen Mündigkeit über moralische Betroffenheits-Argumentationen siegen.

Die Autorin

Dr. Gudrun Heinrich ist Leiterin der Arbeitsstelle Politische Bildung am Institut für Politik- und Verwaltungswissenschaften, Universität Rostock

Das Buch

Jochen Schmidt, Steffen Schoon (Hrsg.): Politische Bildung auf schwierigem Terrain. Rechtsextremismus, Gedenkstättenarbeit, DDR-Aufarbeitung und der Beutelsbacher Konsens. Schwerin 2016. Hier