10 Uhr – und alles ist anders

Vom / Landtag, Politik

Anderthalb Stunden kurz. Fünf Punkte lang. Fast ohne Rededuelle. So tagte der Landtag am Mittwoch. Corona hat auch hier die Abläufe durcheinandergewirbelt. Entscheidungen fielen trotzdem. Eine davon im Eiltempo, um in Not geratenen Unternehmen durch die Krise zu helfen.

Wegen der Corona-Krise kamen die Abgeordneten nur zu einer kurzen Landtagssitzung zusammen. Foto: Kuska

Wie viel Geld nimmt das Land in den kommenden beiden Jahren ein? Wie viel gibt es aus – und wofür? Keine vier Monate ist es her, als die Abgeordneten im Landtag den Haushalt für 2020 und 2021 festzurrten. Und dennoch mussten sie am Mittwoch schon im Eiltempo über einen Nachschlag beraten.

Denn das Corona-Virus hat auch Mecklenburg-Vorpommern fest im Griff. Kitas und Schulen – dicht. Geschäfte, Restaurants, Hotels, Theater – geschlossen. Veranstaltungen aller Art – abgesagt. Das öffentliche Leben in MV steht nahezu still. Das bringt viele in Not. Unternehmen. Selbstständige. Beschäftige. Um ihnen zu helfen, hat die Landesregierung ergänzend zu den Unterstützungen vom Bund einen milliardenschweren Schutzfonds errichtet. Geld, das so im Haushalt nicht eingeplant ist. Deshalb muss der im Dezember beschlossene Etat geändert und für 2020 ein Nachtragshaushalt beschlossen werden. 1,1 Milliarden Euro zusätzlich soll es geben, die Summe zum Teil über neue Schulden aufgebracht werden.

Der Landtag muss sein Okay geben

Ein Hilfsprogramm zu schnüren, ist Sache der Landesregierung, diesen zusätzlichen Ausgaben zuzustimmen, Aufgabe des Landtags. Deshalb legte die Landesregierung den Abgeordneten am Mittwoch Entwürfe für ein Nachtragshaushaltsgesetz und ein Haushaltsbegleitgesetz vor.

Bevor Gesetze beschlossen werden, durchlaufen sie verschiedene Stufen. Erste Lesung. In der Regel Beratung im Ausschuss. Zweite Lesung. Abstimmung. Das gilt auch in ungewöhnlichen Zeiten wie diesen. Lässt aber Raum für kreative Lösungen.

Drei Entscheidungen, keine Debatte

Ein Blick auf die Uhr. 10.30 Uhr. Normalerweise stünden die Abgeordneten jetzt am Beginn eines langen Sitzungstages. Und mitten in der Aktuellen Stunde. Diese entfällt heute. Stattdessen ruft Landtagspräsidentin Birgit Hesse eine halbe Stunde nach Sitzungsbeginn schon Tagesordnungspunkt vier auf.

Zuvor haben die Abgeordneten ohne Debatten das Finanzausgleichsgesetz beschlossen, das Gesetz zur Beseitigung tierischer Nebenprodukte geändert und die Pläne der Landesregierung, Grundschullehrern mehr Geld zu zahlen, zur weiteren Beratung in die Ausschüsse verwiesen.

Keine Zeit für lange Reden

Punkt 4 ist eröffnet: die Erste Lesung zum Nachtragshaushalt. Unter regulären Umständen würden die Abgeordneten jetzt lange diskutieren. Heute müssen sie sich kurz fassen. Jede Fraktion hat zehn Minuten, um ihre Standpunkte zu äußern. Das hat der Ältestenrat so entschieden. Auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig muss mit diesem Limit auskommen.

Vor den Rednern: viele leere Stühle. 71 Abgeordnete hat das Plenum. Zusammen würden sie in Corona-Zeiten viel zu dicht beieinander sitzen. Deshalb hat jede Fraktion weniger Abgeordnete in den Saal geschickt. Einige tragen Mundschutz und Handschuhe. Auch auf der Regierungsbank bleibt fast die Hälfte der Plätze leer.

Debatten über den Haushalt sind üblicherweise ein lebhafter Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition. Heute bleibt es ruhig. Keine Zwischenrufe. Keine Interventionen. Keine Ermahnungen von der Landtagspräsidentin. Hier und da etwas Applaus zwischendurch. Nach jedem Redner desinfiziert eine Reinigungskraft das Pult.

Nach 50 Minuten ist für heute alles gesagt. Nun stimmen die Abgeordneten ab, ob der Nachtragshaushalt in die Fachausschüsse überwiesen wird. Wenn ja, würde er dort üblicherweise in den kommenden Wochen im Detail beraten. Wenn nein, käme er spätestens nach drei Monaten zur Zweiten Lesung ins Plenum. In jedem Fall würde eine Menge Zeit verstreichen. So lange können die von Schließungen oder Kurzarbeit betroffenen Unternehmen aber nicht warten. Deshalb sollen Ausschussarbeit und Zweite Lesung auch gleich heute noch stattfinden.

Eine schnelle Entscheidung

„Wer stimmt für die Überweisung? Wer dagegen? Stimmenthaltung?“ Die Landtagspräsidentin blickt in die Runde und überweist die Gesetzentwürfe einstimmig in den Wirtschafts- und Finanzausschuss. Dann schließt sie die Sitzung.

Ein paar Räume weiter steigen beide Ausschüsse sofort in eine gemeinsame Beratung ein. Gut eine Stunde später empfehlen sie dem Landtag, dem Nachtragshaushalt zuzustimmen.

12.45 Uhr. Ein Gong ruft die Abgeordneten zu Tagesordnungspunkt 5 in den Plenarsaal zurück. Die Zweite Lesung des Nachtragshaushalts beginnt. Weitere Reden dazu hat der Ältestenrat nicht vorgesehen. Landtagspräsidentin Birgit Hesse eröffnet die Abstimmung. Fünf Minuten später ist das Milliardenpaket einstimmig angenommen. Und eine ungewöhnliche Sitzungswoche an einem Tag beendet.

Lesen Sie auch: 1. April? Nein. Der Landtag tagt wirklich zweimal!

Facebook