Der Landtag hat gestern Änderungen beschlossen am „Rundfunkänderungsstaatsvertrag“. Was für ein Wort. Dahinter verbirgt sich ein Vertrag zwischen den Bundesländern, der die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks festlegt. Da dieser in seiner aktuellen Fassung bereits seit 2009 gilt und sich die Welt seitdem weitergedreht hat, soll der Vertrag nun geändert werden. Ziel ist es, dem seit 2009 geänderten Nutzungsbedürfnis und Nutzungsverhalten der Konsumenten entgegenzukommen. Hintergrund ist, dass das Internet die Seh- und Konsumgewohnheiten seiner Nutzer stark verändert hat.
Der Gesetzentwurf beschreibt die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunk so: Er soll ein Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern bilden und ein Programm anbieten, das eine große inhaltliche Vielfalt präsentiert, die die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse jeder Gesellschaft befriedigt. Darüber hinaus kommt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine besondere Bedeutung zu im Hinblick auf gesellschaftliche Polarisierung, Populismus und (bewusste) Falschmeldungen. Er soll Kontroversen nicht unterdrücken, sondern verschiedene Sichtweise gleichberechtigt zu Wort kommen lassen. Andererseits soll er Fälschungen und Verzerrungen durch sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, entkräften und dadurch zu einer rationalen gesellschaftlichen Diskussion beitragen. Mit anderen Worten, der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll durchaus dem Gemeinwohl und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienen.
Dafür ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in besonderer Weise geeignet, weil er nicht ökonomischen Anreizen folgen muss, weil er sich nur zu einem geringen Teil durch Werbeeinnahmen finanziert. Dies erlaubt ihm eine gewisse Unabhängigkeit von massenattraktiven Inhalten, die nicht auf Meinungsvielfalt ausgerichtet sind. Private Medien unterliegen einem starken ökonomischen Druck, für die Werbewirtschaft interessante hohe Reichweiten zu erzielen. Dadurch steigt der Anreiz, mit Hilfe von Algorithmen jedem Nutzer auf seine Interessen und Neigungen zugeschnittene Inhalte zu präsentieren, die zur Ausbildung von Filterblasen, Intoleranz anderen Positionen gegenüber und gesellschaftlicher Polarisierung führt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll ein Gegengewicht dazu bilden.
Um ihm zu ermöglichen, eben dies noch erfolgreicher zu tun, wird nun der Rundfunkänderungsstaatsvertrag geändert. Insgesamt wird dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die „zeitgemäße Gestaltung der Telemedienangebote, also eine Ausrichtung an der besonderen technologischen und inhaltlichen Dynamik des Internets“, aufgegeben. Das u.a. soll anders werden:
- Der Abruf von Sendungen des Rundfunks wird nicht mehr nur nach, sondern nun auch vor deren Ausstrahlung ermöglicht. Außerdem dürfen sie jetzt länger als sieben Tage zur Verfügung gestellt werden.
- Der öffentliche Rundfunk kann in Zukunft eigene Inhalte für den Online-Bereich erstellen, die nicht Teil ihres regulären Programms sind.
- Es dürfen auch Spielfilme und Serien, die keine Eigen- oder Auftragsproduktionen sind, bis zu 30 Tage lang zum Abruf bereitgestellt werden.
- Die Verweildauer von Großereignissen, z.B. Spiele im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft, wird auf bis zu sieben Tage verlängert.
- Zeit- und kulturgeschichtliche Archive können mit der Produktion von Online-Inhalten beauftragt werden.
- Neuerdings dürfen die Rundfunkanstalten auch auf externe Inhalte verlinken, wenn diese ihren journalistischen Ansprüchen genügen.
- Da das Verbot der Presseähnlichkeit bestehen bleibt, muss der Schwerpunkt der Angebote bei Video- und Audioformaten liegen. Text darf die Angebote – im Wesentlichen – nur begleiten und nicht allein stehen.
Mit diesen Änderungen soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Zeitalter von Internet und Social Media ankommen.
PS: Es geht auch schlimmer als Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Kennt ihr dieses Wort: https://de.wikipedia.org/wiki/Rindfleischetikettierungs%C3%BCberwachungsaufgaben%C3%BCbertragungsgesetz?