Landesverfassungsgericht und Gerichtsbarkeit

Vom / Landeskunde

Rechtsstaatliche Strukturen, Gerichtsstruktur

Mecklenburg-Vorpommern ist ein republikanischer, demokratischer, sozialer und dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verpflichteter Rechtsstaat.“ So steht es in Artikel 2 der Landesverfassung. Dieser Artikel ist ein Bekenntnis zu rechtsstaatlichen Strukturen, die gewährleisten, dass staatliches Handeln an Gesetze gebunden ist. Die Landesverfassung folgt damit dem Rechtsstaatsprinzip, das in Artikel 28 des Grundgesetzes als verbindlich für die Verfassungsordnungen der Länder festgeschrieben ist. Es beinhaltet folgende Kernelemente: die Grundrechte werden garantiert, die Justiz urteilt unabhängig von politischen Institutionen, die Verfassung hat Vorrang vor den einfachen Gesetzen, die Verwaltung ist an Rechtsgrundlagen gebunden und der Rechtsweg steht jedermann offen.

Das Rechtsstaatsprinzip stellt sicher, dass staatliche Macht begrenzt ist, was durch die Gewaltenteilung in legislative (Landtag), exekutive (Landesregierung) und judikative (Landesverfassungsgericht) Gewalt noch erweitert wird. So entsteht ein System gegenseitiger Kontrolle und Rücksichtnahme. Staatliches Handeln an Gesetze zu binden soll Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für die Bürger schaffen. Die Unabhängigkeit der Gerichte soll die Bürger vor willkürlichem Eingriff des Staates schützen. So hat jeder Bürger das Recht, gegen behördliche Maßnahmen Widerspruch einzulegen. Wird der Widerspruch abgelehnt, kann er dagegen vor Gericht zu klagen.

Den Bürgern Mecklenburg-Vorpommerns stehen Gerichte der „ordentlichen Gerichtsbarkeit“ und der „Fachgerichtsbarkeit“ zur Verfügung. Zur „ordentlichen Gerichtsbarkeit“ gehören Zivil- und Strafgerichte. Zivilgerichte sind zum Beispiel zuständig, wenn Bürger untereinander oder Kunden mit Firmen streiten. Die Strafgerichte urteilen über mutmaßliche Straftäter. Arbeitsgerichte, Verwaltungsgerichte, Sozialgerichte und Finanzgerichte bilden die „Fachgerichtsbarkeit“. Arbeitsrichter entscheiden zum Beispiel darüber, ob eine Kündigung rechtens war. Die Verwaltungsgerichte sind zuständig, wenn jemand zum Beispiel den Gebührenbescheid seiner Gemeinde vor Gericht anzweifelt. Die Sozialgerichte befassen sich unter anderem mit Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide. Steuer-Streitigkeiten werden vor den Finanzgerichten entschieden.

Je nach Art und Bedeutung des Falles stehen den Klägern mehrere so genannte Instanzen der Gerichte zur Verfügung. Lehnt eine untere Instanz – zum Beispiel ein Amtsgericht – sein Anliegen ab, kann er sich an die nächste Instanz wenden. In diesem Fall wäre dies das Landgericht. Die Urteile der Gerichte Mecklenburg-Vorpommerns können gegebenenfalls von den jeweils zuständigen Bundesgerichten überprüft werden (siehe Grafik). Sollte jemand seine Grundrechte verletzt sehen, ist es möglich, Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzureichen, sofern der Instanzenweg ausgeschöpft ist.

Reform der Gerichtsstruktur

Mit einer Gerichtsstrukturreform hat der Landtag 2013 auf den demografischen Wandel reagiert und eine Gerichtsstruktur geschaffen, die nach seiner Auffassung langfristig für die Aufgaben der Justiz notwendig ist. Die Reform sieht vor, die Zahl der Amtsgerichte von 21 auf zehn zu reduzieren. Zusätzlich soll es sechs Zweigstellen geben. Die geplante Schließung von Gerichten vor allem im ländlichen Raum stößt auf teilweise heftige Kritik. Auf Initiative zweier Rechtsanwälte und eines Richters wurden genügend Unterschriften für ein Volksbegehren gegen die Gerichtsstrukturreform gesammelt. Da die Mehrheit des Landtags das Anliegen der Initiatoren ablehnte, stimmten im September 2015 die Wähler darüber im Rahmen der ersten Volksabstimmung in Mecklenburg-Vorpommern ab. Zwar votierte eine Mehrheit der Abstimmenden von 83,2 Prozent für den Vorschlag der Reformgegner. Da die Wahlbeteiligung nur bei 23,7 Prozent lag, entsprach diese Mehrheit in absoluten Zahlen aber nicht mehr als 33,3 Prozent der 1,34 Millionen Wahlberechtigten, wie es für einen erfolgreichen Volksentscheid notwendig wäre.

Landesverfassungsgericht

Das Landesverfassungsgericht ist der oberste Hüter der Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommerns. Es ist die Kontrollinstanz für die Verfassungsmäßigkeit der Landespolitik. Es ist – wie der Landtag und die Landesregierung – selbst ein Verfassungsorgan des Landes. Um seine Unabhängigkeit zu wahren, untersteht es keiner weiteren Dienstaufsicht. Entscheidungen des Landesverfassungsgerichts binden alle Verfassungsorgane sowie Gerichte und Behörden des Landes. Gegen Entscheidungen des Gerichts können keine Rechtsmittel eingereicht werden, auch nicht beim Bundesverfassungsgericht.

Ein Schwerpunkt der Arbeit des Landesverfassungsgerichts ist es, über Verfassungsbeschwerden zu entscheiden. Das heißt, es urteilt darüber, ob Landesgesetze Mecklenburg-Vorpommerns gegen das Grundgesetz verstoßen. Für Verfassungsbeschwerden, die mit der Behauptung erhoben werden, Behörden oder Gerichte des Landes hätten mit einer Einscheidung Grundrechte verletzt, ist hingegen weitgehend das Bundesverfassungsgericht zuständig, sofern vorher vor den jeweils zuständigen Gerichten erfolglos geklagt wurde.

Das Landesverfassungsgericht entscheidet zudem über so genannte Organstreitverfahren. Wenn sich “Organe”, die von der Verfassung mit besonderen Rechten ausgestattet sind, zum Beispiel über bestimmte Rechte und Pflichten streiten, entscheidet das Landesverfassungsgericht, wie die Landesverfassung in diesen Fällen auszulegen ist. Solche “Organe” sind neben der Landesregierung und dem Landtag zum Beispiel die Fraktionen und die Ausschüsse im Landtag, aber auch der einzelne Abgeordnete sowie auch die Parteien. Gestritten werden kann zum Beispiel über die Zusammensetzung von Ausschüssen oder über das Rederecht und Fragerecht im Landtag.

Der dritte große Aufgabenkomplex betrifft die so genannten Normenkontrollverfahren. Bei der abstrakten Normenkontrolle können die Landesregierung oder mindestens ein Drittel der Mitglieder des Landtages das Landesverfassungsgericht auffordern zu überprüfen, ob ein Landesgesetz mit der Landesverfassung vereinbar ist. Bei einer konkreten Normenkontrolle ruft ein anderes Gericht das Landesverfassungsgericht an, wenn die Richter bezweifeln, dass ein Landesgesetz mit der Landesverfassung vereinbar ist.

Das Landesverfassungsgericht entscheidet zudem, wenn es im Landtag Streit gibt über die Einsetzung oder den konkreten Auftrag eines Untersuchungsausschusses, oder wenn die Zulässigkeit oder der Erfolg von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden umstritten ist. Oberste Instanz ist es bei der Entscheidung über Wahlprüfungsangelegenheiten.

Um ein Verfahren einzuleiten, muss ein schriftlicher Antrag beim Landesverfassungsgericht eingereicht werden. Unzulässige oder offensichtlich unbegründete Anträge können durch einstimmigen Beschluss vom Landesverfassungsgericht zurückgewiesen werden.

Wahl, Zusammensetzung

Das Landesverfassungsgericht besteht aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und fünf weiteren Mitglieder. Jedes Mitglied hat einen Stellvertreter, der es bei dessen Verhinderung vertritt. Sowohl Präsident und Vizepräsident als auch zwei Mitglieder sowie vier Stellvertreter müssen die Befähigung zum Richteramt besitzen. Vier der Verfassungsrichter müssen also voll ausgebildete Juristen sein, bei drei weiteren ist dies keine Voraussetzung. Die Mitglieder des Landesverfassungsgerichts und deren Stellvertreter werden vom Landtag gewählt. Für eine erfolgreiche Wahl ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten notwendig. Die Wahlvorschläge kommen von einem hierfür eigens vom Landtag eingerichteten Ausschuss, der die möglichen Kandidaten auf ihre Eignung prüft. Sie müssen mindestens 35 Jahre alt und „sollen im öffentlichen Leben erfahrene Personen des allgemeinen Vertrauens und für das Amt besonders geeignet” sein, wie es das Landesverfassungsgerichtsgesetz besagt. Die Mitglieder und Stellvertreter des Landesverfassungsgerichts werden auf zwölf Jahre gewählt. Eine Wiederwahl ist nicht möglich.

Facebook