Der Fall Gartenschläger

Wie schwierig es ist, mutmaßliches DDR-Unrecht durch bundesdeutsche Gerichte aufzuarbeiten, zeigt der Fall Michael Gartenschlägers. Er wurde 1976 von einem Stasi-Kommando in der Nähe von Boizenburg erschossen, als er zum dritten Mal versuchte, vom Westen aus eine der tödlichen Selbstschuss-Anlagen von den DDR-Grenzanlagen zu demontieren. Gartenschläger wurde als „unbekannte Wasserleiche“ auf dem Waldfriedhof in Schwerin anonym beerdigt. Seine Verwandten erfuhren erst nach der Wende, wo sein Grab liegt.

Gartenschläger wuchs im brandenburgischen Stausberg auf. Der Fan westlicher Rockmusik lehnte sich 1961 zusammen mit drei Freunden gegen den Bau der Mauer auf und wurde wegen „staatsgefährdender Hetze“ und „staatsgefährdender Gewalttaten“ zu lebenslanger Haft verurteilt. Selbst die Todesstrafe wurde in dem Schauprozess für den damals 17 Jahre Lehrling erwogen. Die Richter sahen ihn „auf dem Dunghaufen der Geschichte“.

Nach zehn Jahren Haft wurde er von der Bundesrepublik freigekauft. Er lebte als Tankwart in Hamburg und leistete für Freunde und Bekannte Fluchthilfe aus der DDR. 1976 holte er zwei „Todesautomaten“ vom Grenzzaun. Die Berichte darüber stellten die DDR bloß. Sie hatte deren Existenz verleugnet. Bei einem dritten Versuch lauerte ihm ein Stasi-Trupp auf und erschoss Gartenschläger. Drei der von der DDR mit hohen Orden ausgezeichneten Schützen wurden im Jahr 2000 jedoch vom Landgericht Schwerin freigesprochen, weil nicht auszuschließen sei, dass der von neun Kugeln getroffene Gartenschläger zuerst geschossen habe.