2.10.1989: Aufbruch im Norden

Vom / Landeskunde, LpB, Zeitzeugen

Erinnerung in der Paulskirche in Schwerin. Foto: Wiebke Marcinkowski

2. Oktober 1989. Mit dem öffentlichen Treffen der Bürgerbewegung in der Schweriner Paulskirche reihten sich auch die oppositionellen Kräfte der drei Nordbezirke in das Netzwerk ein, das mit den Massenprotesten der Friedlichen Revolution die SED-Herrschaft beendete. Genau 35 Jahre später ist an dieses Treffen am selben Ort erinnert worden. Hier unsere Fotogalerie.


Der Aufbruch im Norden – künstlerisch gestaltet.
Uta Loheit und Martin Klähn, die zu den Organisatoren des Treffens 1989 gehörten.
Elisabeth Kudla und Karolina Zyczynska führten am Mittwoch durch das Programm.
Der Landesbeauftragte für MV für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, Burkhard Bley
Die Paulskirche als Modell. Ein Projekt des Pädagogiums Schwerin. Fotos: Marcinkowski

Hintergrund

Was riskierten die Menschen, die SED und Staatssicherheit im Herbst 1989 die Stirn boten? Was bedeutet ihr Engagement für heute? Diesen Fragen sind Schülerinnen und Schüler von fünf Schweriner Schulen in Gesprächen mit Zeitzeugen nachgegangen. Am Mittwoch wurden die Ergebnisse in der Paulskirche präsentiert.

Die Initiative 2. Oktober 1989 – 2. Oktober 2024 wurde von Dr. Ulrike Petschulat und weiteren ehemaligen Mitgliedern des Neuen Forums ins Leben gerufen und wird unterstützt von der Friedensgemeinde Schwerin, dem Landesbeauftragten für MV für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, der Landeszentrale für politische Bildung MV, vom Paulskirchenmusik e.V., von Politische Memoriale e.V., dem Stasi-Unterlagen-Archiv Schwerin und der Stiftung Mecklenburg.


Der Herbst 1989

Am 10. September 1989 formulierten in Grünheide bei Berlin 30 Bürgerrechtler den Aufruf „Aufbruch ʼ89 – Neues Forum“ und forderten alle an einer Umgestaltung der Gesellschaft interessierten DDR-Bürger auf, dem Neuen Forum beizutreten. Mit der politischen Plattform sollten im demokratischen Dialog Reformen erreicht werden. Grundsätzlich für die Bewegung sei der „Wunsch nach Gerechtigkeit, Demokratie, Frieden sowie Schutz und Bewahrung der Natur“.

Als einziger Vertreter aus dem Norden der DDR unterzeichnete Martin Klähn den Aufruf und brachte ihn nach Schwerin mit. Dort begann er sofort Unterstützerunterschriften für das Neue Forum zu sammeln. Am 18. und 19. September reichten die Initiatoren in allen Bezirken eine Anmeldung als Vereinigung ein. Für den 2. Oktober 1989 wurde eine Gründungsveranstaltung in Schwerin geplant und dafür das Gemeindehaus der Paulsgemeinde angemietet. Für die vielen Interessenten reichte der Platz nicht, so dass beschlossen wurde, in die Paulskirche umzuziehen und zwar nicht alle zusammen, sondern in kleinen Gruppen. Den Behörden sollte kein Vorwand für den Zugriff gegen eine ungenehmigte Demonstration geliefert werden. Mit 800 bis 900 Menschen war die Paulskirche bis auf den letzten Platz gefüllt. Zahlreiche Teilnehmer hinterlegten ihre Privatadressen und luden ein, sich in den Folgetagen zu thematisch arbeitenden Basisgruppen zu treffen. Ausgehend von dem Schweriner Treffen entstanden innerhalb weniger Tage überall auch im Norden der DDR Gruppen der Bürgerbewegung und sorgten für den Aufbruch ʼ89.

Nach den gewaltsam niedergeschlagenen Protesten seit Anfang September in Leipzig und am 7. Oktober 1989 in Berlin und Plauen, folgte die entscheidende friedliche Montagsdemonstration am 9. Oktober in Leipzig mit etwa 70.000 Menschen und den Rufen „Wir sind das Volk“, „Schließt euch an“, „Keine Gewalt“. Am 16. Oktober 1989 versammelten sich in Waren (Müritz) 400 Menschen mit Kerzen zur ersten größeren Demonstration im Norden, es folgten Neubrandenburg mit 5.000 Teilnehmern am 18. Oktober, Rostock mit 10.000 Menschen am 19. Oktober und schließlich am 23. Oktober Schwerin mit 40.000 Demonstranten. Im Ergebnis der Friedlichen Revolution verlor die herrschende Staatspartei SED ihre Macht. Über Runde Tische wurde die Demokratisierung eingeleitet. Die erste und letzte aus freien Wahlen am 18. März 1990 hervorgegangene DDR-Regierung beschritt einen schnellen Weg zur deutschen Einheit, die bereits am 3. Oktober 1990 mit dem Beitritt der DDR in die Bundesrepublik vollzogen wurde.

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