Verschwörung im Teehaus

Vom / Landeskunde

Ein kleines Backsteinhaus mit hohen Fenstern und einer weißen Eingangstür. Es steht im Park, umgeben von viel Grün. Neben dem Häuschen steht eine Schautafel.
Fotos: Kuska

20. Juli 1944. Es ist der Tag, an dem Claus Schenk Graf von Stauffenberg versucht, Hitler im Führerbunker in Ostpreußen zu töten. Bei den Vorbereitungen für das Attentat spielte auch ein Teepavillon in Klein Trebbow eine Rolle. 

Ostern 1944. Die Feiertage fallen auf das zweite Aprilwochenende. Dass sich Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg an jenen Tagen in Klein Trebbow verabreden, ist kein Zufall. Die beiden wollen reden. Reden über einen Plan, der längst im Raum steht und nun weiter in die Details geht. Einen Plan, der größte Vorsicht und Geheimhaltung bedarf. Die Feiertage und Abgeschiedenheit des kleinen Ortes täuschen geschickt darüber hinweg, was die beiden Männer hier zusammenführt: der Plan, Hitler zu töten. 

Eine Schautafel mit einem Foto von Fritz-Dietlof von der Schulenburg
Fritz-Dietlof von der Schulenburg auf einer Schautafel am Pavillon.

Aus Bewunderung wird Widerstand

Beide sind keine Widerstandskämpfer der ersten Stunde. Im Gegenteil. Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg wächst in preußischer Adelstradition auf. Sein Vater, Friedrich Graf von der Schulenburg, geboren in Bobitz, ist unter anderem Militärattaché in der Deutschen Botschaft in London, später Flügeladjutant von Kaiser Wilhelm II. Ende 1931 tritt er der NSDAP bei. Er sitzt im Reichstag, wird SS-Mitglied und SS-Obergruppenführer. Als er stirbt, ist das Begräbnis groß und Hitler persönlich da. Sohn Fritz-Dietlof tritt 1932 in die NSDAP ein. Kurz darauf wird er Regierungsrat im Königsberger Oberpräsidium. Es folgen unter anderem Stationen als Landrat, Stellvertretender Polizeipräsident von Berlin und Regierungspräsident in Schlesien. 1941 nimmt er am Russlandfeldzug teil.

Seine Abkehr vom Hitler-Regime – ein langsamer Wandel. „Schulenburgs zunehmende Entfremdung vom Nationalsozialismus resultierte wesentlich aus drei Dingen: seinem mit persönlicher Integrität und Unbestechlichkeit gepaarten ethischen Rigorismus, dem Glauben an die Unverzichtbarkeit eines am preußischen Dienstideal orientierten Berufsbeamtentums und seinem Beharren auf den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit“, schreibt Manfred Zeidler auf der Homepage der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen über Schulenburg.

Nach der verlorenen Schlacht um Stalingrad wird Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg zum zentralen Verbindungsmann zwischen den zivilen und militärischen Widerstandsgruppen. „Er nutzte seine vielfältigen Kontakte, die er als Sohn eines bekannten Generals, als Jurastudent, Beamter, Reserveoffizier und nicht zuletzt als beliebter und lebenslustiger Zeitgenosse geknüpft hatte“, schreibt die „Denkstätte Teehaus Trebbow“ auf ihrer Seite. „Ab Herbst 1943 half von Schulenburg, Claus Schenk Graf von Stauffenberg in das Widerstandsnetzwerk zu integrieren.“ 

Eine Schautafel mit Text und Bildern
Auf einer Info-Tafel erfahren Besucher/innen mehr über das Herrenhaus Trebbow und den Teepavillon. Foto: Kuska

Konspiration in ländlicher Idylle

Claus Schenk Graf von Stauffenberg – auch er ist zunächst ein Bewunderer des Führers. Er bildet Mitglieder der Sturmabteilung (SA) aus. Ist bei der Besetzung des Sudentenlands dabei, am Polenfeldzug beteiligt, an der Westoffensive gegen Frankreich. Die Verluste der Wehrmacht in Russland mehren jedoch seine Zweifel an der militärischen Führung. Im Herbst 1942 schließt er sich dem aktiven Widerstand an. Nach seiner schweren Verwundung im Afrikafeldzug 1943 steht für ihn fest, Hitler auszuschalten. Fortan arbeitet er maßgeblich am Umsturzplan „Operation Walküre“ mit. 

Das Treffen in Klein Trebbow soll die Pläne unter dem Deckmantel ländlicher Idylle weiter vorantreiben. Das Gut Trebbow gehört Schulenburgs Schwester Tisa und ihrem – inzwischen eingezogenen – Mann, Carl Ulrich von Barner. Seit ein paar Monaten lebt auch Schulenburgs Frau Charlotte mit den Kindern hier. Alles sieht nach einem Besuch unter Familien und Freunden aus. Die beiden Männer spazieren durch den Park, ziehen sich in einen kleinen Pavillon, das Teehaus, zurück. Ihre Gespräche sind vertraulich, drehen sich um den Umsturz und die Zeit danach. Um Überlegungen, wer nah genug an Hitler herankommen und wer die künftige Regierung stellen könnte. So lässt es sich rekonstruieren. Was die Männer im Detail besprechen? Das bleibt verborgen in ländlicher Idylle. 

Bäume, Wiese und ein See
Idyllisch ist der Park auch heute noch. Foto: Kuska

Ein Vierteljahr später: das Attentat

Dreieinhalb Monate später. 900 Kilometer entfernt, im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ in Rastenburg (heute Kętrzyn). Als Stabschef des Befehlshabers des Ersatzheers hat Claus Schenk Graf von Stauffenberg problemlos Zugang zu den Lagebesprechungen. So auch an jenem 20. Juli 1944: Stauffenberg soll berichten, wie die Rote Armee an der Ostfront abgewehrt werden kann. Er betritt den Besprechungsraum. In der Hand: eine Tasche mit Sprengstoff. Er stellt sie unter den Tisch, gibt vor, telefonieren zu müssen und verlässt den Raum. Kurz darauf geht der Sprengsatz hoch. Es gibt Tote. Verletzte. Hitler überlebt leicht verletzt. 

Claus Schenk Graf von Stauffenberg und drei weitere Offiziere werden noch in der Nacht erschossen. Unzählige Verschwörer, Mitwisser und Helfer verhaftet. Unter ihnen: Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg. Am 10. August 1944 verurteilt der Volksgerichtshof ihn zum Tode. Seine Schlussworte: „Wir haben diese Tat auf uns genommen, um Deutschland vor namenlosem Elend zu bewahren. Ich bin mir klar, daß ich daraufhin gehängt werde, bereue meine Tat nicht und hoffe, daß sie ein anderer in einem glücklicheren Augenblick durchführen wird.“ Das Urteil wird noch am selben Tag vollstreckt. 

Blick in den Teepavillon Foto: Kuska

Das Teehaus, in dem sich Schulenburg und Stauffenberg trafen, gibt es noch immer. Heute ist es eine Denkstätte. Der Verein „Denkstätte Teehaus Trebbow e.V.“ hat sich dafür stark gemacht und sie 2004 als Denkstätte für den Widerstand gegen Diktaturen, für Zivilcourage und Bürgergesellschaft eingeweiht. 


Hintergrund


Lesetipps

Stiftung 20. Juli 1944: „Trebbow – Ort der Verschwörung. Und ein spät zugestellter Brief”.

Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg: Der schicksalhafte Lebensweg zum Mitorganisator des Attentats vom 20. Juli 1944. Der Text ist Teil des Online-Gedenkbuchs der Stadt Recklinghausen „Opfer und Stätten der Herrschaft, des Widerstands und der Verfolgung in Recklinghausen 1933-1945. Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg hat für einige Jahre in Recklinghausen gelebt.

Bert Lingnau: Gescheiterter Tyrannenmord – der 20. Juli 1944

Hans Mommsen: „Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg und die preußische Tradition“ aus den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte, 1984, Heft 2

Zum 70. Jahrestag des 20. Juli 1944 organisierte der Förderverein „Denkstätte Teehaus Trebbow e.V.“ eine Ausstellung über Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg und seinen langen Weg in den Widerstand. Die Ausstellung ist vorbei, die Schautafeln gibt es aber noch hier…

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