„Was damals Recht war…“

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Foto: Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas

„»Was damals Recht war…« – Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht.“ Die Wanderausstellung ist jetzt in der Gedenkstätte ehemaliges Wehrmachtsgefängnis Anklam zu sehen.

Die Ausstellung zeigt, wie Unrecht und Willkür den Alltag der Wehrmachtjustiz kennzeichneten und tausende Männer und Frauen, Soldaten und Zivilisten, der Unrechtsjustiz zum Opfer fielen und als Deserteure, so genannte Wehrkraftzersetzer oder Volksschädlinge, ihr Leben verloren.

Zu den zehntausenden Opfern dieser Justiz zählen auch Widerstandskämpfer aus nahezu ganz Europa, die in ihren von der Wehrmacht besetzten Heimatländern oder in Deutschland inhaftiert, vor Gericht gestellt und in großer Zahl exekutiert worden sind.

Zentrale Haftorte der deutschen Militärjustiz waren acht Wehrmachtgefängnisse im Deutschen Reich –  Germersheim am Rhein, Freiburg,  Bruchsal, Torgau an der Elbe, Glatz in Schlesien, Graudenz an der Weichsel – und Anklam. Der ehemalige Offiziersanwärter Günther Rosahl schilderte, was er dort erlebte: „In Anklam empfängt mich die Hölle. Eine schreiende Meute von Aufsehern fällt über uns Ankömmlinge her, schleift uns durch die Kasematten des Gefängnisses und über die Höfe. ›Auf, Marsch, Marsch! Hinlegen!‹ Immer wieder bis zur völligen Erschöpfung. So wird die Persönlichkeit von Neulingen gebrochen.“

„Fast 15.000 Menschen durchlitten in Anklam Haftstrafen, mehr als 130 von ihnen wurden hingerichtet“, sagte Kulturministerin Bettina Martin am Mittwoch zur Eröffnung der Ausstellung. „Umso wichtiger ist es, dass wir diesen Ort als Mahnung gegen Krieg und Gewaltherrschaft bewahren. Die Anzahl der Zeitzeugen wird immer geringer. Um aber junge Menschen über die Zeugnisse der Vergangenheit zu informieren und ein Zeichen für Frieden, Freiheit und Demokratie zu setzen, nimmt das ehemalige Wehrmachtsgefängnis einen hohen Stellenwert ein.“

Konzept

Konzipiert wurde die Ausstellung, die erstmals 2007 in Berlin gezeigt wurde, von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, unterstützt von der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, Gedenkstätte ROTER OCHSE Halle (Saale), der Bundeszentrale für politische Bildung und der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e. V.

Ausstellungskatalog

Der Begleitband zur Wanderausstellung dokumentiert mit zahlreichen Fotos, Tagebuchaufzeichnungen, Briefen und Aktenstücken das Schicksal von Soldaten und Zivilisten, die zwischen 1939 und 1945 zu Opfern der deutschen Wehrmachtjustiz wurden. Der Katalog ist für 10 Euro erhältlich unter info@stiftung-denkmal.de.

Ausstellungsort

Gedenkstätte ehemaliges Wehrmachtsgefängnis, Friedländer Landstraße 3a, 17389 Anklam

Ausstellungsdauer

April bis Ende Oktober 2024

Öffnungszeiten, Workshops und Führungen

auf Anfrage im Museum im Steintor
unter 03971 – 24 55 03 oder info@museum-im-steintor.de

Hintergrund

Von 1940 bis 1945 befand sich in Anklam eines von acht Wehrmachtsgefängnissen. Es war das einzige für diesen Zweck neu errichtete Gebäude, angeschlossen an eine seit Reichsgründung 1871 betriebene Kriegsschule. Konzipiert war das Gebäude für 600 Häftlinge, die tatsächliche Anzahl ist auf Basis bekannter Quellen schwer zu schätzen. Fachleute gehen von bis zu 1.500 Häftlingen aus, die gleichzeitig unter menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht wurden. Viele der in dem Gefängnis inhaftierten Soldaten wurden der „Fahnenflucht“, der „unerlaubten Entfernung“ und der „Wehrkraftzersetzung“ beschuldigt. Todesurteile gegen die oft jungen Wehrmachtsangehörigen wurden ohne angemessene Gerichtsverfahren ausgesprochen und vollstreckt. Zunehmend wurden Gefangene auch in Bewährungs- und Strafeinheiten geschickt, zumeist an die Ostfront.

Nach Kriegsende wurde der Todeszellentrakt von der DDR als Mahnmal erhalten, der Rest des Gebäudes diente als Getreidelager. Eine Arbeitsgruppe des Kulturbundes der DDR bemühte sich um die Erforschung der NS-Militärjustiz und des Strafvollzugs in Anklam. Nach der Vereinigung Deutschlands 1990 verfiel das nicht mehr genutzte Gebäude. 2005 übernahm die Bürgerstiftung Zentrum für Friedensarbeit – Otto Lilienthal – der Hansestadt Anklam die Verantwortung für das ehemalige Wehrmachtsgefängnis. Nach der Teilrestaurierung durch die Stiftung und viele freiwillige Leistungen dient das Gebäude jetzt als Zentrum nationaler und internationaler Friedensarbeit. Im Jahr 2021 hat die Hansestadt Anklam das Gebäude mit Unterstützung des Landes erworben.

Die Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern (LpB), insbesondere deren DemokratieLaden Anklam, ist regelmäßig als Veranstalter zu verschiedenen Themen in der Gedenkstätte zu Gast. In der von der LpB herausgegebenen Reihe „Erinnerungsorte in Mecklenburg-Vorpommern“ war 2021 Band 6 dem ehemaligen Wehrmachtgefängnis gewidmet. Zuletzt erschien ein auf Auszügen des Dokumentarfilms „Ungehorsam als Tugend“ des Rostocker Dokumentarfilmers Jörg Herrmann basierendes Arbeitsheft für Schulen im Digital- wie auch im Printformat. Alle genannten Publikationen können über die LpB bezogen werden. www.lpb-mv.de

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