Erinnerung braucht Orte

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Mittwoch, Dokumentationszentrum in Schwerin: Uwe Neumärker, Jan Holze, Ministerin Bettina Martin, Anna Kaminsky, Jochen Schmidt (LpB, v.l.) Foto: Wiebke Marcinkowski

„Erinnerung braucht Zukunft. Erinnerung braucht Orte.“ So heißt der Evaluationsbericht zur Gedenkstättenarbeit in Mecklenburg-Vorpommern, der am Mittwoch in Schwerin vorgestellt worden ist. Hier Ergebnisse und Hintergründe.

Für die Evaluation wurde eigens eine ehrenamtliche Kommission eingerichtet, die im Januar ihre Arbeit aufnahm. Zur Kommission gehören:

  • Dr. Anna Kaminsky, Direktorin sowie Vorstandsmitglied der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur sowie Mitglied in den Beiräten mehrerer Gedenkstätten und Stiftungen
  • Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“, Vorstandsvorsitzender des Dokumentationszentrums Prora e.V.
  • Jan Holze, jahrelanger Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der Ehrenamtsstiftung MV, seit 2020 Vorstand der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt
v.l.: Jan Holze, Uwe Neumärker, Anna Kaminsky

Die Mitglieder hatten unter anderem 13 Mahn- und Gedenkstätten besucht und vor Ort mit Akteurinnen/Akteuren und Trägervereinen gesprochen. Die Ergebnisse stellten sie jetzt im Dokumentationszentrum des Landes für die Opfer der Diktaturen in Deutschland vor. Ihren Bericht überreichten sie dabei an Kulturministerin Bettina Martin und den Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, Jochen Schmidt.

„Wir haben eine große Vielfalt an Orten des Gedenkens in Mecklenburg-Vorpommern, die mit einem teilweise unglaublichen Engagement betrieben werden. Diese Landschaft müssen wir pflegen, erhalten und ausbauen“, sagte Anna Kaminsky. „Die finanzielle Ausstattung aller im Land befindlichen Gedenkstätten und Erinnerungsorte muss deshalb nachhaltig und dauerhaft verbessert werden“, heißt es im Abschlussbericht (Lesen Sie weiter unten die Handlungsempfehlungen).

Anna Kaminsky im Interview

Nach Angaben von Bettina Martin stellt das Land derzeit jährlich 270.000 Euro für die Arbeit der landesweit zumeist im Ehrenamt betriebenen 26 Gedenkstätten und Erinnerungsorte bereit. Die LpB koordiniere deren Arbeit und werde vom kommenden Jahr an zehn Prozent mehr Geld bekommen, so die Ministerin.

Gedenkstätten würden auch deshalb an Bedeutung gewinnen, weil immer weniger Zeitzeugen ihre Erfahrungen an Jüngere weitergeben können, sagte Anna Kaminsky. Nach ihren Worten müssen sich die Gedenkstätten, in denen nicht nur die Barbarei der Nazis oder die Unterdrückung im SED-Staat, sondern auch Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg thematisiert würden, auf neue Seh- und Aufnahmegewohnheiten der Besucher einstellen. „Wir haben eine Generation, die viel mehr Interaktion möchte. Bundesweit steht die Frage: Was können wir anbieten, damit junge Leute animiert werden, sich tatsächlich mit der Geschichte auseinanderzusetzen.“

Uwe Neumärker hob die Bedeutung der Schulen bei der Geschichts- und Demokratievermittlung hervor. Gedenkstätten als außerschulische Lernorte könnten Schulunterricht nur ergänzen. „Der Kern politischer Bildung ist die Schule, die Universität und die anderen staatlich geförderten Lernorte“, so Neumärker. Der Landeszentrale für politische Bildung komme dabei eine wichtige Scharnierfunktion zu den Gedenkstätten zu.

Mit dem Bericht liegt nun eine Bestandsaufnahme der Gedenkstättenarbeit vor, wie sie in der Koalitionsvereinbarung festgelegt worden war.

Gesprächsrunde mit Ministerin Bettina Martin (3.v.l.)

„Unsere Demokratie gerät zunehmend unter Druck, deshalb wächst die Bedeutung der historischen Orte, die auf die furchtbaren Folgen von Diktatur und Gewalt aufmerksam machen. Auch weil wir dabei immer weniger auf die persönlichen Berichte von Zeitzeugen zurückgreifen können, wird die Erinnerungsarbeit der Gedenkstätten noch wichtiger“, sagte Martin am Mittwoch.

Der Bericht soll in den kommenden Monaten intensiv ausgewertet und mit Fachleuten im Land diskutiert werden, um passende Schlüsse daraus zu ziehen.

„Erinnerung braucht Zukunft. Erinnerung braucht Orte.“ Der Evaluationsbericht kann hier heruntergeladen werden.

Neue Webseite stellt Gedenkstätten vor

Jochen Schmidt, LpB. Fotos: Wiebke Marcinkowski

Ebenfalls am Mittwoch hat Jochen Schmidt, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, die neue Webseite www.gedenkstaetten-mv.de vorgestellt. Darauf zu finden: Informationen über die Bildungsangebote der Gedenkstätten, zu den Öffnungszeiten – und den historischen Gegebenheiten, an welche die Gedenkstätten erinnern. „Die neue Website soll die Gedenkstätten im Land sichtbarer machen, Interessierten Informationen zur Zeitgeschichte in MV bereitstellen und Lehrkräfte mit Material und Infos unterstützen“, so Schmidt.

Hintergründe

Zum Nachlesen: die Empfehlungen der Kommission (Download hier)

Gedenkstätten im Überblick

Quelle: LpB

An zahlreichen Orten in Mecklenburg-Vorpommern finden sich Spuren der Gewaltregime des 20. Jahrhunderts – seien es bauliche Überreste, Erinnerungstafeln, Mahnmale oder Gedenkstätten. Einen Überblick gibt der Gedenkstättenführer MV.

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