Erinnerung an das KZ Wöbbelin

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Baracke im KZ Wöbbelin. Foto: USHMM Washington

An die rund 1000 Toten des KZ-Außenlagers ist am Dienstag an der Gedenkstätte Wöbbelin erinnert worden – zum 78. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers.

Am 2. Mai 1945 hatten Soldaten der 82. US-Luftlandedivision das Auffanglager Wöbbelin erreicht. Die US-amerikanischen Truppen ließen die entdeckten Leichen durch die deutsche Bevölkerung exhumieren und am 7. und 8. Mai in Ludwigslust zwischen Schloss und Schlosskirche sowie in Schwerin, Hagenow und Wöbbelin öffentlich bestatten.

Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sprach bei einer ökumenischen Andacht am Dienstag von einer Mahnung an die Menschen heute. „Aus der Geschichte zu lernen, ist unsere Verantwortung“, sagte Schwesig. „Wir stehen heute und in Zukunft für Frieden, Freiheit und eine offene Gesellschaft, für Menschenrechte und Selbstbestimmung.“

Hintergrund

Kurz vor Kriegsende finden die Gräueltaten der Nationalsozialisten einen neuen Schauplatz – in Wöbbelin. Unweit des Dorfes, direkt an der Straße zwischen Ludwigslust und Schwerin, entsteht im Februar 1945 eines der letzten Konzentrationslager. Es existiert zehn Wochen. Pfercht 5000 Häftlinge zusammen. Rund 1000 sterben.

Es ist eine kalte Nacht, mitten im Februar 1945, als die Nazis 500 Häftlinge aus dem KZ Neuengamme bei Hamburg in Holzbaracken nahe Wöbbelin schaffen. Das kleine Lager, in das sie gebracht werden, gibt es seit Herbst 1944. Errichtet von Zwangsarbeitern und italienischen Kriegsgefangenen. Ein paar hundert Meter von hier sollen die Häftlinge zusammen mit Firmen aus der Umgebung ein Lager für amerikanische und englische Kriegsgefangene aus dem Boden stampfen. Bis 23. März kommen, verteilt auf zwei weitere Transporte, noch einmal 207 Häftlinge an. In diesen sechs Wochen sterben 82 Gefangene. An Kälte. Hunger. Harter Arbeit. Bei Fluchtversuchen.

Der jüngste Häftling ist neun

Im April, als die Alliierten immer näher rücken, räumt die SS etliche Konzentrationslager. Wöbbelin wird zum Auffanglager. Insgesamt rund 5000 Häftlinge aus mehr als 20 Nationen kommen hier an. Der jüngste ist gerade einmal neun. Die Zustände: Katastrophal. Das Lager ist noch nicht fertig. Die Steinbaracken haben keinen Fußboden. Keine Fenster. Kein Wasser. Auf dem Gelände – eine Wasserpumpe für alle. Zu Essen gibt es, wenn überhaupt, Wassersuppe und Brot. Jeden Tag sterben Häftlinge.

Unterdessen kommen die Alliierten immer näher. Am 1. Mai treibt die SS die Häftlinge in einen Güterzug. Er fährt aber nicht los: Die Lok ist kaputt. Die Gefangenen kehren ins Lager zurück. Überall liegen jetzt noch mehr tote Menschen. Erschossen. Weil sie versuchten, sich zu verstecken.

Am 2. Mai stellt die SS noch einmal Häftlinge für einen Transport zusammen. 300 Deutsche. Auf dem Marsch Richtung Schwerin setzen sich die Wachmänner ab. Auch im KZ verlassen die Wächter das Gelände. 3500 bis 4000 Häftlinge bleiben zurück. Einige von ihnen gehen los. In die Freiheit. In Ludwigslust wird ein amerikanischer Soldat auf drei von ihnen aufmerksam, als sie in einem kaputten Schaufenster nach Kleidung suchen. Die Amerikaner folgen den Erklärungen – und finden das Lager. Der Leichengeruch schlägt ihnen schon von Weitem entgegen. In den Tagen nach ihrer Befreiung sterben noch einmal mehr als 180 Menschen.

Am 7. und 8. Mai 1945 setzen die Amerikaner die Toten aus dem Lager in Ludwigslust, Hagenow, Schwerin und Wöbbelin bei. Auf ihren Befehl hin muss die Bevölkerung dabei mithelfen und an den Bestattungen teilnehmen.

Stätte des Mahnens und Gedenkens

Nach seiner Räumung nutzt zunächst die Sowjetische Militäradministration das Gelände für evakuierte, geflüchtete und vertriebene Menschen sowie Bauern und Gutsbesitzer, die im Zuge der Bodenreform enteignet wurden. Seit 1965 informiert eine Dauerausstellung über die Geschichte des KZ Wöbbelin, seit 2014 interaktiv.

Am 2. Mai 2005, zum 60. Jahrestag der Befreiung, wurde ein Gedenkplatz eingeweiht. Mit Steinen, die mehr als 800 Namen und Nummern gestorbener Häftlinge tragen. Zudem erinnern die Mahn- und Gedenkstätten Wöbbelin mit einem breiten Angebot an Gedenkorten, Informationen und Veranstaltungen an dieses grausame Kapitel deutscher Geschichte.

Quelle: Mahn- und Gedenkstätten Wöbbelin

Erinnerung an Marianne Grunthal

Foto: Landeshauptstadt Schwerin

Am 2. Mai 1945 fand die Lehrerin Marianne Grunthal im Alter von 49 Jahren auf dem Bahnhofsvorplatz in Schwerin einen gewaltsamen Tod.

Zuvor hatte sie sich mit ihrer Freundin nach Bombenangriffen auf Berlin einem Flüchtlingstreck in Richtung Mecklenburg angeschlossen. In Zippendorf wurde sie mit den anderen Flüchtlingen von der Nachricht überrascht, Hitler sei tot. „Gott sei Dank, dann gibt es Frieden!“ – ihre Reaktion auf die Todesnachricht wurde ihr zum Verhängnis.

Marianne Grunthal wurde verhaftet und zusammengeschlagen, von der NS-Kreisleitung verurteilt und auf einem Lastwagen in die Stadt transportiert. SS-Männer wollten sie auf dem Bahnhofsvorplatz an einem Leitungsmast der Straßenbahn mit einem Strick aufhängen. Doch der Strick riss. Erst mit einer Drahtschlinge gelang die grausige Tat.

Am Dienstag hat sich der Todestag von Marianne Grunthal zum 78. Mal gejährt. Die Landeshauptstadt erinnerte daran mit einem Blumengebinde, das Stadtpräsident Sebastian Ehlers und Oberbürgermeister Rico Badenschier am Gedenkstein neben dem Bahnhofsgebäude auf dem Grunthalplatz niederlegten.

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