
Die Ausstellung in der Kunsthalle Rostock heißt „abgegeben – Wochenkrippen in der DDR“. Das Symposium dazu findet vom 21. bis 23. April statt. Hier die wichtigsten Infos.
Hintergrund
Wochenkrippen wurden in den 1950er-Jahren eingeführt und waren in der DDR weit verbreitet. Ab der sechsten Lebenswoche bis zum dritten Lebensjahr konnten dort Babys wochenweise inklusive der Nächte abgegeben werden. Für Kinder bis zu sechs Jahren gab es entsprechende Wochenheime – jeweils fernab der Eltern und Familien. Das pädagogische Konzept bestand aus zentralen Erziehungsplänen, Richtlinien und Bestimmungen, die allenfalls für eine Grundversorgung der Säuglinge und Kleinkinder reichten.
Seit einigen Jahren sind die Geschichte der Wochenbetreuung und die Entwicklung der dort untergebrachten Kinder ins Interesse verschiedener Forschungsprojekte gerückt. Erste Ergebnisse werden auf diesem Symposium diskutiert. Dabei kommen auch ehemalige Wochenkinder selbst zu Wort, so wie in der Ausstellung „abgegeben“ von Sophie Linz.
Eine solche Fremdbetreuung über Nacht gab es aber nicht nur in der DDR. Deshalb werden auf diesem Symposium auch Forschungsprojekte zu ähnlichen Betreuungsformen in anderen Ländern vorgestellt: zu Wochenkrippen in der damaligen ČSSR sowie zu Säuglingsheimen in der BRD zu jener Zeit und in der Schweiz.
Wissenschaftliches Symposium
21.–23. April 2023: Im Rahmen der Ausstellung findet ein – bereits ausgebuchtes – Symposium in Kooperation mit der Universitätsmedizin Rostock, der Landeszentrale für politische Bildung MV, wochenkinder.de und der Kunsthalle Rostock statt. Es spricht Betroffene und all jene an, für die Kinderbetreuung heute relevant ist – und präsentiert aktuelle Forschungsergebnisse der wochenweisen Fremdbetreuung auch im internationalen Kontext. Weitere Infos: wochenkinder.de/aktuelles/symposium
Aus dem Programm
Freitag, 21.4.2023:
18.00 Uhr: Führung in der Ausstellung: „abgegeben“
19.00 Uhr: Buchvorstellung: „Wochenkinder in der DDR“, (Psychosozial-Verlag) mit der Autorin Heike Liebsch
Samstag, 22.4.2023:
9.15 Uhr: Die Bedeutung der frühen Objektbeziehungen und Folgen zu früher Trennungserfahrungen (Dr. Agathe Israel, Psychotherapeutin)
10.00 Uhr: Biographische Folgen von Heimaufenthalten Prof. Dr. Karsten Laudien (Evangelische Hochschule Berlin)
11.00 Uhr: Erfahrungen mit der kollektiven Erziehung von Kleinkindern in der ehemaligen ČSSR (Dr. Jaroslav Šturma, Dětské centrum Paprsek, Prag)
11.45 Uhr: Säuglingsheimplatzierungen in der Schweiz – Lebensgeschichten nach 60 Jahren.
Dr. Patricia Lannen (Marie Meierhofer Institut für das Kind der Universität Zürich)
13.30 Uhr: Beschädigte Kindheit – zum Krippensystem der DDR.Prof. Dr. Florian von Rosenberg (Universität Erfurt)
14.15 Uhr: Säuglingsheime in West- und Ostdeutschland. Dr. Felix Berth (Deutsches Jugendinstitut München)
18.00-18.30 Uhr: „Sprachlos“ Pantomimischer Ausklang mit Azl
Sonntag, 23.4.2023:
10.00 Uhr: Führung in der Ausstellung: „abgegeben“
11.00 Uhr: Filmvorführung: „Děti bez lásky“ (Kinder ohne Liebe) / vollständiger Originalfilm (1963) von dem Prager Psychologen Zdeněk Matějček mit deutschen Untertiteln
12.00 Uhr: Filmvorführung und Gespräch mit den Autoren: „Die Tränen der Kinder.“ Ein Film von Katja Aischmann und Steffen Hengst über die Wochenkrippenkinder in der DDR (Film aus dem Jahr 2021)
Ausstellung

- ca. 20 Werke aus dem Sammlungsbestand der Kunsthalle Rostock, die von einer Mitarbeiterin der Kunsthalle, ebenfalls ein ehemaliges Wochenkrippe-Kind, ausgesucht wurden und in einem Kontext zum Thema stehen.
- Ein von der international bekannten Künstlerin Nadine Schemmann geschaffenes Werk aus textilen Materialien, ein intuitives Statement mit in sich zerfließenden Farben.
- Eine Installation rund um ein Kinderbettchen aus den 1950er Jahren der DDR mit Kommentaren von Betroffenen der Künstlerin Karla Sachse.
- Zehn multimediale Bildsequenzen von Sophie Linz mit Porträts der Betroffenen, Fotografien aus den Wochenkrippen, mit Collagen aus persönlichen Erinnerungsstücken sowie Auszügen aus Interviews mit ihnen, die über Kopfhörer angehört werden. Die Porträtfotografien stammen von der freien Berliner Fotokünstlerin Anja Lehmann. Sie sind eine Auseinandersetzung und Aneignung im Umgang mit der Vergangenheit.
- Die Ausstellung wird durch zeithistorische Fotografien und Objekte aus ehemaligen Wochenkrippen sowie Texttafeln und Filme zum Thema ergänzt. Darunter ist auch der tschechoslowakische Film „Kinder ohne Liebe“ aus dem Jahr 1963 über Wochenkrippen, in dem bereits auf die teils schweren psychischen Folgen für die Kinder hingewiesen wurde. Der Film ist erstmals in voller Länge mit deutschen Untertiteln zu sehen.
Rahmenprogramm
„Was braucht ein Kind, um glücklich zu sein?“ Mit Führungen, Lesungen und Gesprächsabenden lädt die Kunsthalle Rostock ein, sich mit dem Thema Wochenkrippe und der Bedeutung frühkindlicher Fremdbetreuung und Entwicklung auf vielfältige Weise zu beschäftigen.
Kunsthalle Rostock
Hamburger Str. 40
18069 Rostock
Tel: 0381 381 7000
www.kunsthallerostock.de
Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag 11 – 18 Uhr
Montag geschlossen
Förderung und Unterstützung
Die Ausstellung wird unterstützt durch die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und die Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern. Die Kunsthalle Rostock wird gefördert durch die Hanse- und Universitätsstadt Rostock und durch das Ministerium für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten Mecklenburg-Vorpommern.