Briefumschlag mit Gift-Symbol

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Bild: DuG

In der Dokumentations- und Gedenkstätte Rostock werden 2023 persönliche Erinnerungsstücke an Protest, Verweigerung und Opposition in der DDR gezeigt. Geplant ist eine Ausstellung zum Mitmachen. Dr. Michael Kreuzberg hat u.a. handschriftliche Kopien von Texten des Liedermachers Wolf Biermann zur Verfügung gestellt.

Dr. Michael Kreuzberg

Sie stellen das Exponat Nummer 1 der geplanten Ausstellung. Was haben Sie mitgebracht?

Dr. Michael Kreuzberg: Handschriftliche Kopien von Texten des Liedermachers Wolf Biermann. Damals war ich Schüler einer Erweiterten Oberschule, in der DDR entsprach das einem Gymnasium. In meiner Klasse gab es eine kleine Gruppe von Freunden, die nicht „linientreu“ und politisch sehr interessiert waren. Besonders ab der Klassenstufe 11 sahen wir die politische Situation in der DDR immer kritischer. Wolf Biermann durfte damals nur noch in Kirchen auftreten, seine Texte kursierten unter kritisch eingestellten Menschen, vor allem auch jungen Leuten. In diesem Freundeskreis wurde viel diskutiert, man tauschte „Westliteratur“ aus, z.B. den „Spiegel“, „Die Revolution entlässt ihre Kinder“ oder eben Biermann. Mir war bewusst, dass ich von der Schule geflogen wäre, wenn mich jemand verraten hätte. Das sieht man auch an der Bemalung des Briefumschlages, in dem ich die Texte aufbewahrte – das Symbol für Gift.

Sie waren in der Umweltbewegung aktiv. Ahnten Sie, dass Sie bespitzelt worden sind?

Ich gründete 1985 die Umweltgruppe „Interessengemeinschaft Stadtökologie Warnemünde“. Mit der Machtübernahme von Michail Gorbatschow in der Sowjetunion und der von ihm begründeten völlig neuen Politik hatte ich die Hoffnung, dass man nun etwas erreichen könnte. Ich ahnte natürlich, dass solche Umweltgruppen vom Ministerium für Staatssicherheit „betreut“ wurden und wählte daher bewusst den Weg der Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen und vermied eine Konfrontation, benannte aber offen Missstände im Umweltbereich. In einem der Ausstellungsstücke, einer Kopie aus meiner Stasiakte, ist zu lesen, dass ich von selber Abstand von der Übergabe von Material an den „Spiegel“ nahm, um Schaden von der Umweltgruppe und mir abzuwenden. Das aber so viele Spitzel (IM) auf mich angesetzt waren, insgesamt 18, und dass gegen mich eine Operative Personenkontrolle (OPK) lief, die kurz vor der Überleitung in einen Operativen Vorgang (OV) stand und dass ich für das Isolierungslager vorgesehen war, erfuhr ich erst durch die Einsicht in meine Stasiakte.
 
Ende 1989 halfen Sie mit, die Staatssicherheit aufzulösen. Was genau war Ihre Aufgabe im Unabhängigen Ausschuss?

Zunächst machte ich, was wir alle dort zu tun hatten – wir gingen von Zimmer zu Zimmer und sichteten und sicherten Akten. Wir beschlossen aber bald, diese auch für einen Abschlussbericht auszuwerten. Mir fiel die Aufgabe zu, das Kapitel „Das MfS und die Rostocker Demonstrationen vom Herbst 1989“ für diesen Bericht zu schreiben.

Folgerichtig ein weiteres Exponat für die Mitmachausstellung: Welchen Ausweis haben Sie mitgebracht?

Es ist mein Ausweis des Unabhängigen Untersuchungsausschusses (UUA) mit der Nr. 28. Auf diesem Ausweis ist auch noch meine damalige Personalausweisnummer vermerkt. In der Pforte das Stasi-Gebäudes saß ja nun ein Volkspolizist, dem wir beim Betreten unseren Ausweis zeigen mussten.

Die Mitmachausstellung

2023 jährt sich der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zum 70. Mal. Anlässlich dieses für die deutsche Demokratie- und Freiheitsgeschichte bedeutenden Datums startet die LpB MV ein Themenjahr rund um Protest, Verweigerung und Opposition in der DDR.

Die Dokumentations- und Gedenkstätte Rostock plant dafür eine Sonderausstellung zum Mitmachen. Gezeigt werden sollen persönliche Erinnerungsstücke von Menschen aus dem ehemaligen Bezirk Rostock: Briefe und Eingaben, Fotos, Plakate oder Kunstobjekte, Ton- und Videoaufnahmen, Buttons, Aufnäher, Kleidungsstücke und Gedichte. Die Sammlung der persönlichen Erinnerungsstücke läuft bis 1. Februar 2023. Weiterlesen

Kontakt

Dokumentations- und Gedenkstätte in der ehemaligen Untersuchungshaft der Staatssicherheit Rostock

Grüner Weg 5, 18055 Rostock

Ansprechpartnerin: Dr. Steffi Brüning

Mail: S.Bruening@lpb.mv-regierung.de

Telefon: 01573 0285136

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