Fremde Grenzen

Vom / Demokratie, Landeskunde

Luisa Taschner bringt Jugendlichen im Grenzhus Schlagsdorf die Zeit der deutschen Teilung näher. Fotos: Kuska

Grenzhus Schlagsdorf. Luisa Taschner möchte hier ins Gespräch kommen. Mit jungen Menschen. Über Heimat, Identität, Zugehörigkeit. Das Informationszentrum an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze macht mit bei „Jugend erinnert“. 

Luisa Taschner steht im Durchgang zweier Räume. Die Bilder an der Wand erzählen Geschichte und Geschichten. Von Schlagsdorf, einer Gemeinde im ehemaligen Kreis Gadebusch, mitten im Sperrgebiet. Von Zwangsaussiedlungen und geschleiften Dörfern, Flucht und Lebensalltag im Grenzraum. 

1952. 1961. 1971. 1989. Die Jahreszahlen auf den Schautafeln führen zurück in eine Zeit deutsch-deutscher Geschichte, die mit der Friedlichen Revolution 1989 und der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 in den Geschichtsbüchern verschwand, bis heute jedoch Menschen und Regionen prägt. 

Diese Zahlen und ihre Zeit heranzuholen, einer Generation greifbar zu machen, die in eine Welt mit einem wiedervereinten Deutschland hineingeboren wurde – das ist die Aufgabe von Luisa Taschner. Sie leitet im Grenzhus das Projekt „FREMD? Deutsche Teilungs- und Einigungsgeschichte“. Der Titel begleitet ihre museumspädagogische Arbeit dabei in doppelter Hinsicht: Er steht für eine Zeit, die Jugendlichen heute fremd erscheint. „Und wir wenden uns mit diesem Angebot ausdrücklich an Menschen mit Migrationshintergrund zwischen 14 und 27 Jahren.“ Eingebettet und mit 170.000 Euro gefördert wird es über das Bundesprogramm „Jugend erinnert“. 

Zu DDR-Zeiten lag Schlagsdorf mitten im Sperrgebiet. 

Als Luisa Taschner im Herbst 2021 mit ihrer Arbeit beginnt, braucht sie zunächst einmal eines: Ideen, Ideen, Ideen. Sie plant Workshops, Projekttage, Führungen. Ein interkulturelles Musik-Camp. Eine digitale Entdeckertour durch die Ausstellung und das Gelände, eine sogenannte Actionbound-Rallye. Aber auch Fortbildungen für Lehrer/innen und andere Multiplikatoren. Im Mittelpunkt der Ideen stehen vier Themenschwerpunkte: Aufbau, Ausbau und Entwicklung der innerdeutsche Grenze. Zwangsaussiedlungen. Flucht & Migration. Die Friedliche Revolution. Nun heißt es, die Theorie mit Leben zu füllen. 

Wie ein Tag zu diesem Projekt aussehen könnte? Hier legt sich Luisa Taschner nicht auf ein Schema F fest. Wichtig sei, miteinander ins Gespräch zu kommen. Zum Beispiel darüber, was Heimat bedeutet, welche Werte den jungen Leuten wichtig sind, was sie mitnehmen würden, wenn sie eine Stunde Zeit hätten, das Nötigste zu packen. Auch die Videoberichte von Zeitzeugen oder Bezüge zu eigenen Erfahrungen können ein Ankerpunkt sein. „Der genaue Ablauf ergibt sich ganz individuell von Besuchergruppe zu Besuchergruppe.“ Für wen das Angebot gedacht ist? Für vielfältige Schulklassen mit und ohne Migrationshintergrund, Migrantenselbstorganisationen, Volkshochschulen, Vereine, die Integrationsfachdienste Migration MV, zählt Luisa Taschner beispielhaft auf. „Wer unser Projektangebot nutzen möchte, kann sich einfach bei uns melden. Telefonisch unter 038875/20735 oder per Mail an lt@grenzhus.de.“


Veranstaltungen

… zu „„FREMD? Deutsche Teilungs- und Einigungsgeschichte“:

  • 28. Mai, 10.30 bis 16.30 Uhr: Projekttag „Heimatfragen“. Gemeinsam mit Künstlerin Renate Schürmeyer können sich Jugendliche hier mit dem Thema Zwangsaussiedlungen an der innerdeutschen Grenze auseinandersetzen und Collagen zu dem Thema Heimat erarbeiten. Altersgruppe: 14 bis 17 Jahre. 
  • 25. Juni, 11 bis 15 Uhr: Workshop „angekommen?!“ In diesem Workshop stehen die Schwerpunkte Flucht und Migration im Mittelpunkt. Und eine eigene Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Weggehen, Ankommen, Lebenswege, Heimat und Identität.
  • 17. bis 20. Juli 2022: interkulturelles Musik-Camp auf dem Schlossberg Gadebusch in Zusammenarbeit mit kultursegel gGmbH. In diesem Camp können sich Jugendliche zwischen 16 und 19 Jahren musikalisch mit der deutschen Teilungs- und Einigungsgeschichte auseinandersetzen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Flucht- und Migrationsgeschichten. Die Campteilnehmer/innen besuchen das Grenzhus Schlagsdorf und schreiben gemeinsam Liedtexte. Ziel ist es, einen gemeinsamen Song zu entwickeln. 
  • 2. bis 4. September und 9. bis 11. September: Comic-Workshop „Das geteilte Deutschland“. Der erste Termin findet im Grenzhus Schlagsdorf und mit Übernachtung statt. Der zweite Termin in Hamburg und ohne Übernachtung. Altersgruppe: 18 bis 27 Jahre. 
  • Weitere Veranstaltungen und Infos unter www.grenzhus.de, Anmeldung unter lt@grenzhus.de.

„Jugend erinnert“ ist ein Förderprogramm des Bundes. Gefördert werden Projekte, in denen sich junge Menschen mit der Geschichte und den Folgen des SED-Unrechts auseinandersetzen. Damit soll auch das Demokratiebewusstsein von jungen Leuten zwischen 12 und 27 Jahren und das Wissen um die Unterschiede zwischen Diktatur und Demokratie gestärkt werden. Bis Ende 2023 werden 44 Vorhaben aus 11 Bundesländern gefördert, die das Leben und den Alltag in der kommunistischen Diktatur, die Realität der deutschen Teilung, jugendliche Subkulturen in der DDR und weitere Themen über altersgerechte Vermittlungsformate erfahrbar machen. Koordiniert wird das Programm von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

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