„Dort wo man Bücher verbrennt…“

Vom / Landeskunde, Zeitzeugen

Fotos: LpB

Auf dem Neubrandenburger Markt erinnert jetzt ein Gedenkzeichen an die Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten am 31. Mai 1933.

Damals war auch die Bevölkerung in der Stadt aufgefordert worden, Bücher missliebiger Autoren zum Markt zu bringen, sagte Oberbürgermeister Silvio Witt anlässlich der Enthüllung des Zeichens am Dienstag. „Es war eine Zäsur in der Meinungsfreiheit.“

Das Gedenkzeichen ist mit Unterstützung der Landeszentrale für politische Bildung, des Fördervereins der Regionalbibliothek und privaten Spendern entstanden – ein Betonquader mit Tafeln aus Cortenstahl. Das Zeichen erinnert an die verfolgten und geächteten Autorinnen und Autoren, deren Werke im Rahmen der Aktion „Wider den undeutschen Geist“ verbrannt wurden. Auf der Oberfläche ist ein Zitat von Heinrich Heine von 1823 eingraviert: „Das war ein Vorspiel nur. Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende Menschen.“

Die Enthüllung wurde mit einer Lesung zum Thema „Verbrannte Literatur“ und der Ausstellung „Verbrannt – nicht vergessen: Bücher aus den ,Schwarzen Listen’ der NS-Bücherverbrennungen 1933“ in der Regionalbibliothek begleitet. Zuvor wurde – wie traditionell am 9. November – in Neubrandenburg des Schicksals der ehemaligen jüdischen Bürger und ihrer in der Pogromnacht 1938 zerstörten jüdischen Synagoge gedacht.

Oberbürgermeister Silvio Witt auf dem Synagogenplatz
Gedenken an die Opfer der
Pogromnacht 1938

Hintergrund

9.11.1938: Die Reichspogromnacht

Im Herbst 1938 verschärfte die NS-Regierung ihr Vorgehen gegen die noch in Deutschland lebenden Juden erheblich. An die Stelle von Boykott und Schikane trat nun brutaler staatlicher Zwang und nackte Gewalt.

Die noch bestehenden jüdischen Geschäfte hatten sich als erstaunlich überlebensfähig erwiesen, so dass die Nationalsozialisten sich nun entschieden, mit größter Härte vorzugehen. Zum 30. September 1938 wurde auch den letzten sieben jüdischen Ärzten, die in Mecklenburg noch praktizieren durften, die Approbation entzogen. Am 28. Oktober schließlich deportierte die Polizei 37 Juden polnischer Staatsangehörigkeit aus Rostock nach Polen.

Als kurz darauf Herschel Grünspan, ein junger jüdischer Emigrant, in Paris ein Attentat auf den Legationssekretär Ernst von Rath verübte, ließ die regionale NS-Presse keinen Zweifel, was nun zu erwarten war. Am 8. November lauteten die Schlagzeilen auf der ersten Seite des »Niederdeutschen Beobachters«: »Das Maß nach dem Pariser Attentat voll – Langmut mit Juden zu Ende! […] Schärfste Maßnahmen gegen Juden im Reich notwendig«. Am folgenden Tag berichtete die Zeitung über »spontane Kundgebungen […] vor Synagogen und jüdischen Geschäften« in Kurhessen. Die Parteimitglieder wussten, wie sie solche Anregungen zu interpretieren hatten.

Am 9. November gegen 22:00 Uhr hielt Goebbels in München eine Rede, in der er die anwesenden Gauleiter und SA-Führer zur Zerstörung der Synagogen und jüdischen Geschäfte aufforderte. Dass daraufhin auch der mecklenburgische Gauleiter Friedrich Hildebrandt, der im Festsaal des alten Rathauses zusammen mit Reinhard Heydrich und anderen ranghohen NS-Führern saß, wie diese zum Telefonhörer griff und den Befehl an die zuständigen Gauamtsleiter in Schwerin weitergab, daran gibt es eigentlich keinen Zweifel. Trotzdem dauerte es in Mecklenburg länger als anderswo, bis die Partei aktiv wurde. Es war keineswegs so, dass die SA-Trupps schon überall in Bereitschaft lagen.

Während in Süd- und Westdeutschland schon kurz nach Mitternacht die Schläger ausrückten, um Feuer zu legen, zu plündern und zu zerstören, begann das Pogrom in Mecklenburg erst gegen 5 Uhr morgens. Zuerst – gegen 5:20 Uhr – brannte die Güstrower Synagoge. Zur gleichen Zeit gab die Staatspolizeistelle Schwerin Verhaltensmaßregeln an alle örtlichen Polizeidienststellen. Kurz nach 5:30 Uhr rief Kriminalassistent Dabbert von der Gestapo in Schwerin den Ludwigsluster Stadtrat Paul Hoffmann an und ordnete an, dass gegen Brände von Synagogen und Zerstörung von Wohnungen und Geschäften von Juden nicht einzuschreiten sei. Plünderungen und Misshandlungen sollten aber durch die Polizei verhindert werden. Wohlhabende Juden seien zu verhaften. Um 6 Uhr stand auch die Synagoge in Alt-Strelitz in Flammen. Zur gleichen Zeit drangen Männer in braunen Uniformen in die Synagoge in Teterow ein und verwandeln sie in einen »Trümmerhaufen«, in Neubrandenburg wurde das Konfektionsgeschäft Wolff verwüstet. Gegen 7 Uhr wurden in Waren die Geschäfte von Georg Baruch und Max Loewenberg demoliert. Auch in Schwerin fand die Zerstörung der Geschäfte und der Synagoge in den frühen Morgenstunden des 10. November statt. In den meisten mecklenburgischen Städten hatten die Vandalen ihr Werk bis Tagesanbruch vollendet.

Nur in Rostock, wo die Größe der jüdischen Gemeinde offenbar besondere Vorbereitung erfordert hatte, sah der Ablauf etwas anders aus. Die Zerstörungen begannen hier einige Stunden später. Gegen 8:30 Uhr stand die Synagoge in Flammen. Gegen 10 Uhr drangen etwa 50 »SS-Burschen« in das Haus des Rechtsanwalts Josephy ein, warfen die Möbel aus dem Fenster und zerschlugen die gesamte Inneneinrichtung. Während in den anderen Städten Mecklenburgs zumeist nur die Geschäfte verwüstet wurden, wurden in Rostock offenbar auch systematisch die Wohnungen heimgesucht. An mehr als 60 Orten in der Stadt wüteten die Schlägertrupps der SA hier bis in den Nachmittag des 10. November hinein. Weiter – hier

(aus: Bernd Kasten, Verfolgung und Deportation der Juden in Mecklenburg 1938-1945, Schwerin 2008)

Weitere Informationen

  • Bernd Kasten: Verfolgung und Deportation der Juden in Mecklenburg 1938-1945. Schwerin 2008 hier
  • Dorothee Freudenberg: Geschichte der jüdischen Gemeinde Stavenhagen 1750-1942. Schwerin 2020 – hier
  • Michael Buddrus, Sigrid Fritzlar: Juden in Mecklenburg 1845-1945. Schwerin 2019 – hier

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