Der Titel lautet: „Warum Jungs heute nicht mehr Adolf heißen.” Der Untertitel: „Was ich schon immer über die Nazi-Zeit wissen wollte.” Das Buch von Nicole Hördler und Sigrid Jacobeit aus dem LpB-Shop: eine empfehlenswerte Grundlage für Kinder, meint Conny Proske (Landeszentrale). Ein zusätzliches Kapitel für Eltern wäre aber hilfreich gewesen. Hier ihre Rezension.
Kinder lernen durch Fragen. Sie sehen und hören Dinge in ihrer Umgebung, die sie nicht verstehen, die vielleicht gar nicht für sie gedacht waren. Trotzdem entstehen Fragen, die eine Antwort brauchen.
Es sind vor allem zwei Fragenkomplexe, die Eltern Schwierigkeiten bereiten. Eines davon ist der Nationalsozialismus. Es ist nicht leicht einzuschätzen, was man Kindern in welchem Alter zumuten kann, vielleicht muss. Der Protagonist des Buches „Warum Jungs heute nicht mehr Adolf heißen“ ist zehn Jahre alt und gibt damit ungefähr das Alter vor, für das dieses Buch geeignet ist. Das Buch reagiert auf Fragen von Kindern im Alter von 10 bis 13 Jahren.
Das Buch besteht aus 12 sehr kurzen Kapiteln, von denen viele mit einer Klärung der wichtigsten Begriffe abschließen, denen die Leser in den Kapiteln begegnen und die neu für sie sein könnten. Die zwölf Kapitel widmen sich zunächst der Person Adolf Hitler, seinem Werdegang vom Musterschüler in der Grundschule bis zum Hitler-Ludendorff-Putsch, seinen Themen bis hin zu seinen Kriegszielen.
Mit dem vierten Kapitel „Hitlers helfende Hände“ weitet sich der Blickpunkt des Buches über die titelgebende Person Hitler hinaus auf das System, wichtige Personen, Organisationen und Institutionen des Nationalsozialismus. Hier wäre zusätzlich wenigstens ein Absatz zur Propaganda wertvoll gewesen, als ein weiterer Baustein dafür, warum so viele Deutsche bereit waren, die Machenschaften der Nazis mitzumachen, zumindest aber nicht zu widersprechen.
Dazwischen blitzt die Ideologie zwar schon vorher immer wieder durch, der nationalsozialistische Staat ist ohne die NS-Ideologie natürlich nicht zu verstehen. Die Weltanschauung der Nazis hat daher auch ein eigenes Kapitel erhalten. Dabei gehen leider die Begriffe Religionsgemeinschaft, Volk und Rasse durcheinander, hier wäre eine Klarstellung hilfreich. Der grundsätzlichen Verständlichkeit für Kinder dürfte das jedoch keinen Abbruch tun.
Der Holocaust selbst spielt keine so herausragende Rolle in dem Buch, wie er es aus gutem Grund tut, wenn Erwachsene auf den Nationalsozialismus schauen. Es wird auch nicht annähernd das Ausmaß des Grauens geschildert, das sich insbesondere in den Konzentrations- und Vernichtungslagern abgespielt hat. Hier haben die Autorinnen ein gutes Maß gefunden, den Kindern zu vermitteln, dass die Opfer der Nazis – es waren ja keineswegs nur, aber eben vor allem Juden – grausam behandelt wurden und sehr gelitten haben, ohne allerdings Gaskammern und Folter darzustellen.
Die Grafiken in dem Buch sind für Kinder, die nicht im Nutzen von Grafiken trainiert sind, nicht leicht zu verstehen und müssen ihnen erklärt werden. Ähnlich ist es bei einigen Begriffen. Unsere zehnjährige Testleserin ließ sich „Propaganda“ und einige wenige andere Begriffe, die in ihrem Alltag nicht vorkommen, erläutern. Der einzige Kritikpunkt unserer Testleserin war, dass die titelgebende Frage in dem Buch gar nicht beantwortet worden sei.
Das Buch „Warum Jungs heute nicht mehr Adolf heißen“ ist grundsätzlich ein gutes Medium für Eltern, die ihren Kindern ihre Fragen rund um die Nazi-Zeit beantworten möchten, sich aber unsicher sind, wo sie anfangen und wie weit sie gehen sollen. Hilfreich wäre allerdings noch ein zusätzliches Kapitel für Eltern, das ihnen pädagogische und didaktische Hinweise gibt, wie sie den Inhalt des Buches mit ihren Kindern nachbereiten können. Denn Eltern sollten auch Kinder, für die das Buch geeignet ist, nicht damit allein lassen, sondern mit Ihren Kindern über das Gelesene sprechen.
Das Buch
Nicole Hördler, Sigrid Jacobeit: Warum Jungs heute nicht mehr Adolf heißen. Was ich schon immer über die Nazi-Zeit wissen wollte. Berlin 2020. Metropol. Hier geht’s zur Bestellung