Stier und Greif erklären MV

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Thema heute: Nationalparks. 3 davon gibt es in Mecklenburg-Vorpommern. 3 von 16 bundesweit. Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Nationalpark Jasmund. Müritz-Nationalpark. Wie es dazu gekommen ist, erklären wir in unserem Hintergrund.

Kein anderes Bundesland besitzt so viele Nationalparks wie MV. Hervorgegangen sind sie aus einem historischen Beschluss: Wenige Tage vor dem Ende der DDR, am 12. September 1990, stellt der Ministerrat republikweit 14 Naturräume unter Schutz. Und schreibt damit in den letzten Minuten seiner letzten Sitzung Naturschutzgeschichte.

Eine Wende – auch in Sachen Umwelt

Als die Menschen im Herbst 1989 auf die Straße gehen, spielt in ihren Forderungen auch die Umwelt eine Rolle. 1968 verankert die DDR in Artikel 15 ihrer Verfassung zwar ausdrücklich, „im Interesse des Wohlergehens der Bürger“ für den Schutz der Natur zu sorgen. 1970 folgt ein Landeskulturgesetz, das Aufgaben und Ziele zum Umweltschutz definiert, 1972 ein Ministerium für Umweltschutz.

Die Realität von Natur- und Umweltschutz sieht jedoch anders aus. Zwei Beispiele: Braunkohlentagebau und Chemieindustrie. Sie bestimmen weite Teile der Industrie. Die Luftverschmutzung ist gravierend. Wälder sterben. Ein großer Teil der Abwässer wird ungeklärt in Gewässer geleitet. Hinzu kommen: Überdüngte Böden in der Landwirtschaft.

1989 stößt die DDR 2,2 Millionen Tonnen Staub und 5,2 Millionen Tonnen Schwefeldioxid aus. Symbolfoto: Michael Bussmann/pixabay

Früher Widerstand und eine Chance

Widerstand gegen den Raubbau an der Natur und seinen Folgen formiert sich aber nicht erst im Zuge der friedlichen Revolution. Anläufe hat es immer wieder gegeben. Schon 1953 fordert Kurt Kretschmann, Vater der späteren Naturschutzeule, Nationalparke zu gründen. In den 1970er- und 1980er-Jahren bilden sich Umweltgruppen, vielfach unter dem Dach der Kirche.

1976 entwickelt Biologe Michael Succow zusammen mit weiteren Mitstreitern ein Konzept für landesweite Großschutzgebiete. Doch erst 1990 bietet sich die Chance, es aus den Schubladen zu holen: Damals, am 15. Januar, wird Umweltschützer Succow zum stellvertretenden Umweltminister der DDR ernannt. Seine Chance, das Nationalparkprogramm voranzutreiben.

Runder Tisch unterstützt Pläne

Wenige Tage später, Anfang Februar, stimmt der Runde Tisch einer Vorlage zu, die Kategorien für Schutzgebiete (Biosphärenreservat, Nationalpark, Naturschutzpark) definiert und eine Liste mit konkreten Schutzgebieten vorgelegt. Mitte März, unmittelbar vor der ersten freien und geheimen Wahl in der DDR, beschließt der Ministerrat, mehr als 20 Biosphärenreservate, Nationalparks und Naturschutzparks einstweilig zu sichern.

Nach der Wahl verlässt Michael Succow nach Querelen mit dem neuen Umweltminister das Ministerium. Die Arbeit am Nationalparkprogramm geht aber weiter. Mithilfe von Weggefährten wie Hans-Dieter Knapp, Lutz Reichhoff, Matthias Freude und Lebrecht Jeschke. Und vielen engagierten Initiativen.

Alles muss schnell gehen

Kurz vor dem Ziel wird es noch einmal haarig. Mit der Währungsunion am 1. Juli ist auch die Umweltunion in Kraft getreten. Und damit ein 3000-seitiges Konvolut an BRD-Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften. Das bedeutet auch: Jedes Gebiet, das endgültig gesichert werden soll, braucht eine eigene Verordnung mit klar definierten Grenzen, Geboten und Verboten. Ein bürokratischer Kraftakt. Und ein Wettlauf gegen die Zeit: Die Fristen für die Ausarbeitung des Programms werden verkürzt. Und reduzieren sich weiter, als der Ministerrat bekannt gibt, am 12. September zum letzten Mal zu tagen. Alle Beteiligten arbeiten Tag und Nacht. Pünktlich auf die Minute sind alle Vorlagen fertig.

Der Nationalpark Jasmund ist Deutschlands kleinster Nationalpark. Foto: pixaline/pixabay

Krimi vor der Zielgerade

Dann das: Zwei Tage vor der Sitzung wird das Nationalparkprogramm plötzlich von der Tagesordnung gestrichen. „Ich habe Dir doch gleich gesagt, das wird nichts“, hört Arnulf Müller-Helmbrecht von Kollegen. Abgesandt aus dem West-Umweltministerium, um dem Ost-Ministerium beratend zur Seite zu stehen, hat er das Nationalparkprogramm in den vergangenen Wochen maßgeblich begleitet. Und Kontakte geknüpft, die ihm jetzt zugute kommen: Am nächsten Morgen steht das Nationalparkprogramm wieder auf der Tagesordnung.

Es ist der letzte Punkt, über den der Ministerrat beschließt. Am Ende stehen fünf Nationalparks (Vorpommersche Boddenlandschaft, Jasmund, Müritz, Sächsische Schweiz und Hochharz), sechs Biosphärenreservate (Südost-Rügen, Schorfheide-Chorin, Spreewald, Mittlere Elbe, Rhön und Vessertal) und drei Naturparks (Drömling, Schaalsee und Märkische Schweiz) unter besonderem Schutz. Das entspricht etwa 4,5 Prozent der Landesfläche der DDR.

Letzte Hürde: Einigungsvertrag

Eine Hürde bleibt – und die erweist sich als überraschend hoch: die Übernahme in den Einigungsvertrag. Landwirtschaftsministerium und Verkehrsministerium sind dagegen. Eine Einigung gelingt nur mit einem Kompromiss: Der Bundesverkehrswegeplan hat Vorrang vor den Vorschriften der Nationalpark-Verordnungen.

Nach der Wiedervereinigung werden bundesweit weitere Großschutzgebiete ausgewiesen. Laut Bundesumweltministerium verfügt Deutschland heute über 139 Großschutzgebiete: 16 Nationalparks, 19 Biosphärenreservate und 104 Naturparks. Darunter der Naturpark Sternberger Seenland und das Biosphärenreservat „Flusslandschaft Elbe“, das sich über die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt erstreckt.

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