Stichwort: 17. Juni 1953

Vom / Demokratie, Landeskunde, Politik


Auch in Stralsund streikten Arbeiter. Seit 2013 erinnert ein Gedenkstein am Platz des 17. Juni an die Ereignisse. Foto: Bley/LAMV

17. Juni 1953. Das Datum steht für mutige Menschen in der DDR, die sich in Massenprotesten erstmals öffentlich gegen das SED-Regime auflehnen. Für einen Protest, der sich spontan zu einem Volksaufstand entwickelt – und blutig niedergeschlagen wird. Am Mittwoch erinnert eine Gedenkveranstaltung in Stralsund an diesen historischen Tag.

Die Ausgangslage

1952. Dem sowjetischen Diktator Stalin und der SED-Führung – Generalsekretär Walter Ulbricht, Staatspräsident Wilhelm Pieck und Ministerpräsident Otto Grotewohl – ist klar, dass sich die Westmächte USA, Großbritannien und Frankreich nicht aus Westdeutschland zurückziehen werden. Bei einem Treffen im April in Moskau verlangt Stalin, die sozialistischen Strukturen in der DDR auszubauen. Im Juli wird der planmäßige Aufbau des Sozialismus auf der II. SED-Parteikonferenz beschlossen. Dazu gehörten unter anderem folgende Schwerpunkte:

Zentralisierung

Die fünf Länder Mecklenburg, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen – und mit ihnen die Landtage und Landesregierungen – werden aufgelöst. Stattdessen wird die DDR in 14 zentral verwaltete Bezirke eingeteilt. Und ein zentralistischer Einheitsstaat.

Kollektive Landwirtschaft

Landwirte sollen sich zu Produktionsgenossenschaften, den LPGs, zusammenschließen, Flächen kollektiv bewirtschaftet werden. Dazu sollen die Bauern Land, Maschinen, Vieh und Gebäude in die Genossenschaften einbringen. Wer sich nicht freiwillig anschließt, wird mit wirtschaftlichen Benachteiligungen unter Druck gesetzt. Zahllose Betriebe werden enteignet, ihre Nutzflächen den LPGs zugeschlagen. Viele Bauern flüchten. Die Produktivität der Genossenschaften bleibt hinter den Erwartungen zurück. Die Versorgung der Menschen mit Grundnahrungsmitteln leidet.

Mehr Schwerindustrie, Rüstung und Soldaten

Dieser Fokus bindet Mittel und Arbeitskräfte, die der Konsumgüter- und Lebensmittelindustrie fehlen. Die Wirtschaft steckt in der Krise. Die Versorgung der Bevölkerung leidet.

Harte Hand gegen den Mittelstand

Private Betriebe, Handwerker, Händler, Gaststätten- und Hotelbesitzer, Speditionsunternehmer werden enteignet. Die Arbeitsnorm – also das vom Staat verordnete Pensum – wird um 10 Prozent erhöht. Der Lohn nicht. Preise für alltägliche Lebensmittel steigen. Viele Waren sind knapp.

Kampf gegen die Kirche

Auch gegen Kirchen geht die SED vor. Religionsunterricht wird verboten. Pfarrer, die systemkritisch predigen, laufen Gefahr, verhaftet zu werden. Es kommt zu Schauprozessen. Die „Junge Gemeinde“ wird zur illegalen Jugendorganisation erklärt. Viele christliche Schüler müssen die Oberschule verlassen.

Die Folgen

Die Lebensbedingungen vieler Menschen verschlechtern sich. Der Unmut in der Bevölkerung wächst. Die Zahl derer, die in den Westen flüchten, steigt. Die Zahl der politischen Gefangenen auch. Die sowjetische Führung zieht die Notbremse und verordnet der SED-Führung eine schnelle Kehrtwende. Politbüro und Ministerrat bekennen öffentlich, Fehler gemacht zu haben und kündigen an, die Maßnahmen zurückzunehmen. Der Mut zum offenen Protest wächst dennoch – auch, weil die Normerhöhung bestehen bleiben soll. Es brodelt im ganzen Land.

Die Republik brennt

Am 15. und 16. Juni 1953 streiken zunächst Bauarbeiter in Berlin. Einen Tag später erfasst der Aufstand die gesamte DDR. Rund eine Million Menschen sind dabei. Sie stürmen und besetzen Gebäude. Bestreiken Betriebe. Demonstrieren für bessere Lebensbedingungen. Für Demokratie, Freiheit, Wiedervereinigung. Und den Rücktritt der Regierung. Es ist das erste Mal, dass sich die Menschen öffentlich gegen das System erheben. Mit Hilfe sowjetischer Panzer und Truppen schlägt das SED-Regime den Aufstand nieder. Mehr als 50 Menschen werden getötet, Hunderte verletzt, Tausende verhaftet und zu langen Haftstrafen oder Zwangsarbeit verurteilt. Sieben zum Tode.

Der Aufstand in den drei Nordbezirken

Im Norden der DDR, den Bezirken Rostock, Schwerin und Neubrandenburg, bleibt es – von wenigen Ausnahmen abgesehen – relativ ruhig. In den großen Werften in Rostock, Barth und Stralsund streiken die Arbeiter am 18. Juni gegen die Normerhöhung. Im Rostocker Dieselmotorenwerk legen 2.200 Beschäftigte die Arbeit nieder. 1.600 Arbeiter streiken auf einer Baustelle in Groß Dölln (Kreis Templin). In Teterow fordern 400 Menschen vor dem Amtsgericht die Freilassung von Gefangenen. Fünf Inhaftierte werden entlassen. In Boizenburg, Grabow, Güstrow, Ludwigslust, Schwerin und Wittenberge verhindern SED, Volkspolizei und die sowjetische Besatzungsmacht Arbeitsniederlegungen. In Gören (Kreis Strasburg) wird die LPG aufgelöst, in anderen Dörfern erlebt sie Massenaustritte. Darüber hinaus gibt es einzelne kleine Unruhen und Protestaktionen gegen das Eingreifen der sowjetischen Besatzungsmacht und die Unfähigkeit der DDR-Regierung. Die Situation ist zwar überall unter Kontrolle. Trotzdem wird in allen drei Nordbezirken der Ausnahmezustand ausgerufen.

Nach dem Aufstand

Die SED verkaufte den Aufstand als eine von westlichen Provokateuren angezettelte Konterrevolution und verstärkte ihren Überwachungs- und Repressionsapparat.

Die Bundesrepublik Deutschland erklärte den 17. Juni als „Tag der deutschen Einheit“ zu einem gesetzlichen Feiertag. Er soll an die Menschen erinnern, die für ihre Rechte und Freiheit gekämpft haben. Und daran, dass beide Teile Deutschlands zusammengehören. Mit der Wiedervereinigung wird der 3. Oktober zum „Tag der Deutschen Einheit“. Der 17. Juni erhält den Status eines Gedenktages. Bis heute wird mit Ausstellungen und Veranstaltungen an den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 erinnert. So wie am Mittwoch auf der Gedenkfeier in Stralsund.

Veranstaltungstipp

Am Mittwoch, 17. Juni, laden die Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur Anne Drescher, der Stralsunder Thomas Nitz und die Selbsthilfegruppe Stasiopfer zu einer Gedenkveranstaltung auf dem Platz des 17. Juni in Stralsund ein. Beginn: 16.30 Uhr. Bitte achten Sie bei einer Teilnahme auf den Mindestabstand von 1,50 Metern und einen Mund-Nasen-Schutz.

(Quellenbasis: bpb.de)

Weitere Infos

Auf ihrer Website bietet die Bundesstiftung Aufarbeitung einen eigenen Themenschwerpunkt zum 17. Juni 1953 an: www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/recherche/dossiers/volksaufstand-am-17-juni-1953

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