Die Bibel von Franz Fisch

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Die Bibel des Franz Fisch (1882–1967) aus Kühlungsborn. Foto: Dokuzentrum Schwerin

Auf unserer Seite stellen wir Menschen vor, berichten über ihre Verfolgungsgeschichte, zeigen Dokumente aus ihrem Leben. Heute: die Bibel von Franz Fisch, einem Zeugen Jehovas. Zu sehen im Dokumentationszentrum Schwerin.

Franz Fisch gehörte der Glaubensgemeinschaft „Zeugen Jehovas“ (Ernste Bibelforscher) an. Deren entschiedene Verweigerungshaltung gegenüber den Ansprüchen des nationalsozialistischen Regimes – Grußpflicht, Eidleistung, Mitgliedschaft in NS-Körperschaften – führte bereits Mitte 1933 zum Verbot. Keine andere Religionsgemeinschaft hat mit einer vergleichbaren Geschlossenheit und Unbeugsamkeit dem nationalsozialistischen Druck widerstanden.

Erneute Verfolgung erfuhren die Zeugen Jehovas in der DDR. Von August 1950 bis zum Fall der Mauer 1989 blieben sie als „Staatsfeinde“ verboten, wurden kriminalisiert und fielen zahllosen Diffamierungskampagnen zum Opfer. Zu den vielen Zeugen Jehovas, die sowohl im Dritten Reich als auch später in der DDR politisch verfolgt wurden, gehört auch der ehemalige Lokführer Franz Fisch aus Brunshaupten (heute Kühlungsborn). 

Abschrift des Kurzurteils, Februar 1937.
Quelle: Landeshauptarchiv Schwerin, 5.12-6/9/910, o.Bl.

Franz Fisch lebte als Mitglied der Religionsgemeinschaft seit Ende der 1920er Jahre mit seiner Familie in Brunshaupten, wo er als Lokführer der Bäderbahn seinen Lebensunterhalt verdiente. Den Nationalsozialismus stand er von Anfang an ablehnend gegenüber und organisierte bereits 1934 mit anderen Zeugen Jehovas Protesthandlungen. 1937 wurde Franz Fisch zusammen mit anderen Mitgliedern der verbotenen Vereinigung Internationaler Bibelforscher (IBV) verhaftet. Man bezichtigte ihn der weiteren religiösen, illegalen Tätigkeit, der Verbreitung religiöser Schriften und Flugblätter und der Beherbergung führender Glaubensbrüder. Er wurde durch das Schweriner Sondergericht zu 1 ½ Jahren Gefängnis verurteilt; die Haftstrafe musste er im Zuchthaus Bützow-Dreibergen verbringen. Nach der Haftzeit wurde Franz Fisch nicht entlassen, sondern am 2. August 1938 nach Neustrelitz überführt und von der Gestapo in  „Schutzhaft“ genommen. Wenig später wurde er in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Seine Häftlingsnummer lautete 5110. Im April 1945 erlebte Franz Fisch die Selbstbefreiung der Häftlinge.

Franz Fisch mit seiner zweiten Ehefrau nach seiner erneuten
Haftverbüßung in der DDR, 1950er Jahre.
Foto: Privatarchiv Siegfried Merz, Bad Doberan

Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges arbeitete Franz Fisch trotz seiner traumatischen Hafterlebnisse bis zu seinem Ruhestand Ende 1948 weiter als Lokführer. Er wurde zunächst als Opfer des Faschismus (OdF) anerkannt. Mit dem erneuten Beginn der Verfolgung der Zeugen Jehovas ab 1950 in der DDR wurde ihm dieser Status wieder aberkannt; aber er blieb seinem Glauben treu. Ende 1950 wurde er vom Landgericht Schwerin als praktizierender Zeuge Jehovas wegen sogenannter Boykotthetze zu sieben Jahren Haft verurteilt und erneut ins Gefängnis nach Bützow-Dreibergen verbracht. Im Jahr 1956 wurde er entlassen und kehrte nach Kühlungsborn zurück. Dort verstarb Franz Fisch am 21. Oktober 1967.

Ungeachtet der Verfolgung in zwei Diktaturen blieb er Zeit seines Lebens seinem Glauben treu. Stets begleiteten ihn Sprüche aus seiner Bibel durch Zuchthaus, Konzentrationslager und DDR-Strafanstalt.

2013 entschied die Versammlung der Zeugen Jehovas Bad Doberan die private Bibel von Franz Fisch dem Dokumentationszentrum des Landes für die Opfer der Diktaturen in Deutschland am Schweriner Demmlerplatz zu übergeben. Die mit vielen persönlichen Anmerkungen versehene Bibel wurde durch Siegfried Merz überreicht und ist heute in einer der Vitrinen im Dokumentationszentrum ebenso zu sehen, wie viele andere Dokumente seiner Verfolgungsgeschichte.

Quelle: www.dokumentationszentrum-schwerin.de

Quelle: Landeshauptarchiv Schwerin, 5.12-6/9/910, o.Bl.

Hintergrund

Verboten und Verfolgt. Jehovas zeugen im KZ Ravensbrück und in Haftanstalten der DDR. www.dokumentationszentrum-schwerin.de

Kontakt

Dokumentationszentrum des Landes
für die Opfer der Diktaturen in Deutschland

Obotritenring 106 • 19053 Schwerin

Telefon: 0385 745299-11

Internet: www.dokumentationszentrum-schwerin.de

Mail: dokuzentrum-schwerin@lpb.mv-regierung.de

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