Die Weiße Rose: „… bis auch der letzte von der äußersten Notwendigkeit des Kämpfens wider dieses System überzeugt ist.“ – Teil 1

Vom / Blick über den Tellerrand, Demokratie, Politik


Bild von Hans Benn auf Pixabay

Die Widerstandsgruppe Weiße Rose entstand aus einem Freundeskreis, dessen Zentrum Hans Scholl und Alexander Schmorell waren. Scholl und Schmorell studierten, wie die meisten ihrer Mitstreiter, Medizin an der Universität München. Bald stießen auch Sophie Scholl, Christoph Probst und Willi Graf, später auch der Professor Kurt Huber, dazu.

Von den Geschwistern Scholl ist bekannt, dass sie zunächst vom Nationalsozialismus angetan waren. Nicht nur, dass er sich zur Rebellion in einem christlich-liberalen Elternhaus eignete, die Gemeinschaftserlebnisse in der Hitlerjugend und im Bund Deutscher Mädels und die Vorstellung eines Vaterlandes wirkten anfangs attraktiv. Beide bekleideten sogar Führungsfunktionen in den Organisationen. Diese kurze Phase der Begeisterung wich bald grundsätzlicher Kritik, die aus christlichen und humanistischen Motiven entsprang.

Seit dem Frühjahr 1942 trafen sich die Freunde zu Lese- und Diskussionsabenden und nahmen an den Vorlesungen des als kritischer Geist bekannten Hochschullehrers Kurt Huber teil.

Nachdem Willi Graf bereits Mitte 1941 in eine Studentenkompanie abkommandiert und dort Zeuge des Eroberungs- und Vernichtungskrieges der Nazis in Serbien, Polen und der Sowjetunion wurde, mussten auch die Kommilitonen im Sommer 1942 als Sanitäter ihren Dienst in der Wehrmacht versehen. Diese Eindrücke waren es, die nach ihrer Rückkehr an die Universität im November 1942 den Drang weckten, auch aktiv gegen das Regime zu kämpfen.

Bereits im Juli 1942 hatten Alexander Schmorell und Hans Scholl die ersten vier Flugblätter verfasst und jeweils 100 an ausgewählte Adressaten in München verschickt. Jeder dritte Empfänger der Blätter meldete sie der Gestapo, um sich nicht selbst strafbar zu machen.

Das prägende Thema der ersten vier Flugblätter war die – unterstellte – Apathie der deutschen Bevölkerung, die sich nicht gegen diese „atheistische Kriegsmaschine“ wehre, und der Geist der Freiheit, die es zu verteidigen gelte. Scholl und Schmorell riefen eindringlich zum passiven Widerstand auf, um den Krieg zu beenden, das verbrecherische System zu stürzen und weitere Opfer zu verhindern.

Das zweite Flugblatt beschäftigte sich mit Betrug, Lügen und Korruption, die dem System zum Aufstieg verhalfen, und besonders mit den Opfern des Vernichtungskrieges im Osten. Sie wiesen der deutschen Bevölkerung eine Mitschuld an den „scheußlichsten menschenunwürdigsten Verbrechen“ zu, weil sie sich nicht wehre. Es müsse die „einzige und höchste Pflicht, ja heiligste Pflicht eines jeden Deutschen sein, diese Bestien zu vertilgen“.

Im dritten Flugblatt legten die Autoren dar, welche Aufgaben ein Staat eigentlich habe. Er solle eine Gemeinschaft schaffen, die es jedem einzelnen im Zusammenleben ermögliche, „sein irdisches Glück in Selbständigkeit und Selbsttätigkeit zu erreichen“. Der Nazistaat sei jedoch das Gegenteil eines guten Staates: „Unser heutiger `Staat´ aber ist die Diktatur des Bösen.“ Sie wurden in diesem Aufruf noch konkreter, was den passiven Widerstand betrifft. Sie appellierten an die Deutschen, Sabotage zu betreiben, in Rüstungsbetrieben, in Nazi-Veranstaltungen und allen Bereichen von Wirtschaft und Kultur, um den reibungslosen Ablauf des Krieges zu stören. Im vierten Flugblatt sagten Schmorell und Scholl bereits die bevorstehende militärische Niederlage voraus, verwiesen auf die Opfer, die es bereits gegeben hat, und die weiteren, die eine Fortsetzung eines praktisch schon verlorenen Krieges noch fordern werde. Sie beriefen sich auf das Christentum, um Widerstand einzufordern für „dem Kampf wider den Dämon, wider den Boten des Antichrists“. Außerdem hielten sie es für notwendig, darauf hinzuweisen, dass sie nicht im Auftrag einer ausländischen Macht stehen, sondern die „Erneuerung des schwerverwundeten deutschen Geistes von innen her zu erreichen“ versuchen.

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