100 Jahre Betriebsräte

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Im Frühjahr 1919 streikten Arbeitnehmer im Ruhrgebiet und in Mitteldeutschland. Daraufhin legte die Regierung der Weimarer Republik einen Entwurf für ein Betriebsrätegesetz vor. Interessenvertretungen und die freie Angestelltengewerkschaft verweigerten aber ihre Unterstützung, da der Entwurf keine Mitbestimmungsrechte für Beschäftigte vorsah. Ein überarbeiteter Entwurf sah vor, dass zwei Vertreter der Arbeiterschaft in die Aufsichtsorgane großer Kapitalgesellschaften vertreten seien sollten. Von Seiten der Arbeitgeber kam dieser Kompromiss einer Einsicht in Betriebsgeheimnisse gleich und führte zu großen Widerständen.

Als Kompromiss für beide Seiten wurden entschieden, dass zwar zwei Arbeitnehmervertreter zu entsenden waren, sich aber ihre Mitwirkung auf soziale Angelegenheiten beschränkte.

Dieser Kompromiss führte am 13. Januar 1920 zum Blutbad vor dem Reichstag. Der linke Flügel der USPD, die KPD, der Berliner Dachverband der Freien Gewerkschaften und die Betriebsrätezentrale forderten mehr als lediglich eine bloße Mitwirkung der Beschäftigten, sondern „volle[s] Kontrollrecht über die Betriebsführung“ in allen Privat- und Staatsbetrieben. Eine Versammlung vor dem Reichstagsgebäude sollte öffentlich Druck auf die Regierung ausüben. Es gab keine Anmeldepflicht für Versammlungen – was dazu führte, dass die Situation vor dem Reichstag eskalierte. Sowohl die Veranstalter als auch die Sicherheitspolizei waren mit dem massiven Andrang von 100.000 Demonstranten überfordert. Schließlich eröffnete die Sicherheitspolizei das Feuer. Die Zahlen der Opfer schwanken. Dennoch handelt es sich um die Demonstration mit den meisten Opfern in der deutschen Geschichte.

Das Betriebsrätegesetz trat am 4. Februar 1920 in Kraft, ohne auf die Forderungen der Demonstranten eingegangen zu sein. 1934 wurde es durch das Gesetz zur Ordnung der Nationalen Arbeit aufgehoben. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges drängten die wieder zugelassenen Gewerkschaften auf eine Neuregelung des Betriebsverfassungsrechts und das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit wurde im Juni 1947 aufgehoben.

1952 wurden Betriebsräte in Deutschland gesetzlich im Betriebsverfassungsgesetz verankert und bis heute kann in Firmen mit mindestens fünf Arbeitnehmern ein Betriebsrat gewählt werden.

In Hannover findet aus diesem Anlass heute eine Fachtagung zum Jubiläum statt. Die Gewerkschaften nehmen eine Bestandsaufnahme der letzten Jahre vor und wollen in Hinblick der Digitalisierung klären, welche Mitbestimmung die Arbeitswelt von morgen braucht.

In den letzten Jahren ging die Zahl der Betriebsräte zurück. Vor allem in mittelgroßen Betrieben nahm der Anteil ab und auch in Kleinstbetrieben gibt es kaum Betriebsräte. Dies liegt aber nicht am mangelnden Interesse der Beschäftigten, da die Wahlbeteiligung hier sogar höher liegt als bei allen politischen Wahlen in der Bundesrepublik. Die Gewerkschaften fordern daher eine stärkere Ausweitung der Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten. Auch die Bundesregierung sehen sie hierbei in der Pflicht, da sich Union und SPD im Koalitionsvertrag darauf geeinigt haben, Änderungen an der Betriebsverfassung vorzunehmen.

Auch in der Landeshauptstadt Schwerin wird es einen Festakt geben. Unter dem Motto „DREI MAL HUNDERT“ werden 100 Jahre Betriebsräte, Personalräte und Schwerbehindertenvertretungen gefeiert. Im Zuge dieser Veranstaltung vergeben die Gewerkschaften ihre höchste Auszeichnung für ehrenamtliches Engagement, die Hans-Böckler-Medaille. Ausgezeichnet werden Kerstin David, Betriebsratsvorsitzende der Provinzial und Annelise Knop, gewerkschaftliche Frauenaktivistin.

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