Im Jahr 1998 beschloss die damalige Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern in der ehemaligen MfS-Untersuchungshaftanstalt Schwerin einen Gedenkort einzurichten. Als eine Einrichtung der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern wurde am 6. Juni 2001 das „Dokumentationszentrum des Landes für die Opfer der Diktaturen in Deutschland“ eröffnet.
Wie kaum ein anderer Ort in der Region steht er für politisches Unrecht und staatliche Verfolgung im 20. Jahrhundert. Die wechselvolle Wirkungsgeschichte des 1916 errichteten Schweriner Gerichts- und Gefängniskomplexes wird in einer dreiteiligen Dauerausstellung gezeigt. In deren Mittelpunkt stehen Schicksale der Häftlinge, die während der Zeit des Nationalsozialismus, der sowjetischen Besatzungszeit und der SED-Diktatur aus politischen Gründen verfolgt, inhaftiert und verurteilt wurden. Das Dokumentationszentrum am Schweriner Demmlerplatz versteht sich als ein historischer Ort der Erinnerung, des Gedenkens und als offener Lernort.
Dauerausstellung
Die Dauerausstellung widmet sich aus regionaler Perspektive der Geschichte der politischen Verfolgung im 20. Jahrhundert. Der größte Teil des ehemaligen Zellentrakts dient als Ausstellungsfläche für das Dokumentationszentrum.
Auf insgesamt drei Ausstellungsebenen besteht die Möglichkeit, sich über die verschiedenen zeitlichen Epochen des historischen Ortes zu informieren:
1933 – 1945 „Strafrecht ist Kampfrecht!“
Justiz und Terror in Mecklenburg
Die Ausstellung dokumentiert vor allem die Rolle der mecklenburgischen Justiz als Teil der NS-Diktatur. Im Mittelpunkt steht die Instrumentalisierung des Rechts zur Ausschaltung tatsächlicher oder vermeintlicher Gegner. Darüber hinaus werden auch außergerichtliche Verfolgungsinstanzen und -methoden dokumentiert. Neben Einzelschicksalen von Opfern der NS-Justiz werden markante Täterkarrieren nachgezeichnet. Ein spezielles Kapitel ist dem Umgang mit den NS-Verbrechen nach 1945 bis in die Gegenwart hinein gewidmet.
Justiz im Dienste der NS-Diktatur.
Während der nationalsozialistischen Herrschaft trug der Schweriner Demmlerplatz den Namen Adolf Hitlers (später wurde er in Blücherplatz unbenannt). Zu dieser Zeit beherbergte das Justizgebäude das Sondergericht für Mecklenburg. Seine Zuständigkeit erstreckte sich auf politische Strafsachen. Dazu zählten aktive Widerstandshandlungen, spontane Unmutsäußerungen, Beschimpfungen gegen führende NS-Funktionäre oder das Verbreiten politischer Witze. Vor dem Sondergericht waren die Angeklagten weitgehend rechtlos.
Das Erbgesundheitsgericht: Zwangssterilisierungen auf Gerichtsbeschluss
Im Schweriner Justizgebäude tagte eine weitere Spruchkammer, die ebenfalls der Umsetzung politischer Vorgaben diente: das Erbgesundheitsgericht. Auf der Grundlage des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933 hatte es über die Unfruchtbarmachung von Menschen zu befinden, die aus Sicht der nationalsozialistischen Rassenideologie als „minderwertig“ galten. Dazu zählten Menschen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen, psychisch Kranke, Alkoholiker und sogenannte „Asoziale“.
Unbeschränkter Terror: Geheime Staatspolizei
Unabhängig von der juristischen Verfolgung durch die Gerichte verfügte der nationalsozialistische Terrorapparat über weitere Handlungsmöglichkeiten, die nicht durch gesetzliche Vorgaben eingeschränkt waren. In Gestalt der Geheimen Staatspolizei besaß er eine mächtige Institution, die nicht der richterlichen Kontrolle unterlag. So hatte die Staatspolizeistelle in der Schweriner Weinbergstraße die Möglichkeit, politisch missliebige Personen für unbestimmte Zeit in „Schutzhaft“ zu nehmen und in ein Konzentrationslager einzuweisen.
1945 – 1953 „Im Namen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken!“
Justiz und Besatzungswillkür in Mecklenburg(-Vorpommern)
Dieser Ausstellungsteil widmet sich der Geschichte der politischen Verfolgung in der SBZ und frühen DDR bis 1953 aus regionaler Perspektive. Schwerpunktmäßig behandelt wird der Zeitraum bis zur Staatsgründung. Ausgehend von der Wirkungsgeschichte des Hauses wird insbesondere anhand von Einzelschicksalen die Verfolgungspraxis der Besatzungsmacht gegen deutsche Zivilisten dokumentiert. Außerdem werden die Rolle der mit der Besatzungsmacht verbündeten deutschen Kommunisten und die weitere politische Entwicklung beleuchtet.
Der operative Sektor – Willkürliche Verhaftungen
1945 wird Mecklenburg-Vorpommern Teil der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Die weitere Entwicklung wird bestimmt durch die von der Militärverwaltung mit Hilfe ihrer deutschen Verbündeten durchgesetzten gesellschaftlichen Veränderungen. Maßgeblichen Anteil daran hat die sowjetische Geheimpolizei. Mit ihr halten Repressionsmethoden Einzug, die in der Sowjetunion ganz alltäglich sind. Dazu zählen Verhaftungen, Folterungen und Deportationen. Als Sitz des regionalen „operativen Sektors“ dient das Schweriner Justizgebäude.
Das Untersuchungsgefängnis – Katastrophale Haftbedingungen
Der Zellentrakt des Justizgebäudes ist mitunter derart überfüllt, dass sich bis zu zehn Gefangene eine Einzelzelle teilen müssen. Die Nacht verbringen sie häufig auf dem Zellenboden. Wasser steht nur in geringer Menge zur Verfügung. Toilettenartikel wie Seife und Zahnbürsten sind nicht vorhanden. Anstaltskleidung gibt es ebenso wenig wie Wäschestücke zum Wechseln. Nachts finden psychisch aufreibende Verhöre statt, die sich häufig über Stunden erstrecken. Um Geständnisse zu erpressen, bedienen sich die Vernehmungsoffiziere auch gewaltsamer Methoden.
Das Militärtribunal – Juristische Scheinverfahren
Über strafbare Handlungen gegen die Besatzungsstreitkräfte sowie alle Versuche zur Wiederherstellung des Naziregimes dürfen ausschließlich „Gerichte der Militärregierung“ befinden. Als solche gelten in der SBZ die Sowjetischen Militärtribunale (SMT). Das SMT des Landes tagt im Regelfall im Schweriner Justizgebäude. Bei den Angeklagten handelt es sich zumeist um Personen, die „konterrevolutionärer Verbrechen“ beschuldigt werden. Die Verfahren finden meist ohne Vorlage von Beweisen, ohne Anwalt und ohne qualifizierte Dolmetscher statt.
1953 – 1989 „Gemeinsam für den Schutz der Arbeiter- und Bauernmacht“
Staatssicherheit und Justiz im Norden der DDR
Der dritte Teil der Ausstellung zeigt die Geschichte der politischen Verfolgung in der DDR aus der Perspektive des Landes Mecklenburg bzw. des 1952 gebildeten Bezirkes Schwerin. Ausgehend von der Wirkungsgeschichte des Hauses wird insbesondere anhand von Einzelschicksalen die Überwachungs-und Verfolgungspraxis in der SED-Diktatur dokumentiert. Im Mittelpunkt steht dabei das Wirken des Staatssicherheitsdienstes sowie dessen Zusammenwirken mit den Justizorganen bei der Bekämpfung politischer Gegner.
„Schild und Schwert der Partei“ – Die MfS-Bezirksverwaltung
Willkürliche Verhaftungen
Machtstütze der SED. Wenige Monate nach der Gründung der DDR 1949 wird das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gebildet. Sowjetische Instrukteure wirken federführend an seinem Aufbau mit. Damit verfügt die Staatspartei SED über einen ihr treu ergebenen Sicherheitsapparat, der für die Absicherung ihres Machtmonopols sorgt. Als 1952 das Territorium der DDR in 14 Bezirke aufgeteilt wird, erhält der neu geschaffene Bezirk Schwerin eine eigene MfS-Verwaltung. Ihr Sitz befindet sich seit 1953 im ehemaligen Justizgebäude am Demmlerplatz.
Die Untersuchungshaftanstalt – Unzumutbare Haftbedingungen
Isolation. Mit dem Umzug der Schweriner Bezirksverwaltung befindet sich deren Untersuchungshaftanstalt im ehemaligen Justizgefängnis. In den ersten Jahren der DDR ist der Bau wegen der unzumutbaren Haftbedingungen sowie der zeitweilig grünen Zellwände als „grüne Hölle“ berüchtigt. Die Gefangenen werden in totaler Isolation gehalten. Dauerverhöre, Nachtvernehmungen und Schlafentzug wirken demoralisierend. Obwohl die Verhältnisse später berechenbarer werden, erleben viele Betroffene die Haft als eine Situation des totalen Ausgeliefertseins.
Strafrechtliche Verfolgung – MfS-Einflussnahme auf Gerichtsverfahren
Politische Justiz. Bei der Verfolgung politischer Strafsachen arbeiten MfS und Justiz zusammen. Als „Organ der Rechtspflege“ führt der Geheimdienst selbstständig Ermittlungen durch, bei denen er sich auch illegaler „Beweise“ bedient. Bis zum Inkrafttreten der Strafprozessordnung 1952 ist er federführend an der Ausarbeitung der Anklageschriften beteiligt. Diese müssen von der Staatsanwaltschaft nur formell bestätigt werden. Auch auf den Verlauf der Hauptverhandlung nimmt das MfS Einfluss, z.B. durch die Zusammenstellung der Gerichtsakte.
Bildungsangebote
Das Dokumentationszentrum Demmlerplatz versteht sich als ein Lernort zur kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte des Schweriner Gerichts- und Gefängniskomplexes. Wir möchten Besucher im Hinblick auf das in verschiedenen Diktaturen des 20. Jahrhunderts an diesem Ort begangene Unrecht sensibilisieren und zur Auseinandersetzung mit Fragen der Gegenwart anregen.
Hierzu stehen vielfältige Bildungsangebote in unterschiedlichen Formaten bereit. Für angemeldete Gruppen werden alters- und interessengerechte Angebote nach Ihren inhaltlichen und zeitlichen Vorgaben, den Vorkenntnissen und thematischen Eingrenzungen zusammengestellt.
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