Vorgeschichte und Anlass
Da mit einem Abzug der Westmächte – USA, Großbritannien und Frankreich – aus Westdeutschland nicht mehr gerechnet werden könne, verlangte Stalin zu Beginn des Jahres 1952 von der DDR den verstärkten Ausbau sozialistischer Strukturen in Industrie und Landwirtschaft. Im Juli 1952 beschloß die SED auf der II. Parteikonferenz, dass der „Sozialismus planmäßig ausgebaut“ werde. Dies bedeutete konkret die Ersetzung der fünf Länder der DDR durch 14 zentral verwaltete Bezirke, der Beschleunigung des Aufbaus einer eigenen Armee, die bevorzugte Förderung der Schwerindustrie und die Gründung von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Zwar ging man davon aus, dass diese Maßnahmen Widerstand hervorrufen würden, dieser müsse jedoch – wenn nötig – gewaltsam gebrochen werden. Die einseitige Begünstigung der Schwerindustrie und Rüstung sowie der Aufbau der Kasernierten Volkspolizei entzogen der Produktion von Konsumgütern jedoch Mittel und Arbeitskräfte. Die Versorgung der Bevölkerung mit Waren des täglichen Bedarfs litt. Als Schuldige dieser Wirtschaftskrise machte die Führung Saboteure in den Reihen und den Mittelstand aus. Ende 1952 wurden zahlreiche mittelständige Unternehmen enteignet, deren Vermögen beschlagnahmt und zahlreiche Personen verhaftet. Nachdem sich zunächst erste LPG freiwillig gründeten, verschärfte die SED den Kollektivierungsdruck auf die ablehnenden Bauern. Wieder wurden Betriebe enteignet, deren Nutzfläche den LPG zugeschlagen. Da die Produktivität der LPG geringer war die diejenige der enteigneten Alt- und Großbauern, verbesserte sich die Lage der Lebensmittelversorgung nicht, sondern verschlechterte sich eher weiter. Zu diesen Maßnahmen gesellte sich 1953 das Vorgehen der SED gegen die Kirchen. Insbesondere die Junge Gemeinde stellte eine ernstzunehmende Konkurrenz zu SED und deren Jugendorganisation FDJ dar. Der Religionsunterricht an den Schulen wurde verboten, die Junge Gemeinde zur illegalen Organisation erklärt und mehrere Schauprozesse wegen Kriegshetze, Spionage und Sabotage gegen Kirchenvertreter geführt. Angesicht der schlechten Versorgungslage verordnete die DDR-Führung die Erhöhung der Arbeitsnormen in den Betrieben um 10 Prozent und vergrößerte damit den Unmut der Arbeiter zusätzlich. Die Zahl der Flüchtlinge in den Westen und der politischen Gefangenen stieg weiter. Die sowjetische Führung zog schließlich die Notbremse und verordnete den ostdeutschen Genossen eine schnelle und radikale Kehrtwende. Politbüro und Ministerrat bekannten, Fehler gemacht zu haben, und nahmen zahlreiche Maßnahmen zurück. Doch die Bereitschaft zum offenen Protest stieg weiter an. Die Bauern, Mittelständler und Christen verlangten die vollständige Wiederherstellung ihrer Rechte und die Arbeiter die Rücknahme der Normerhöhungen.
Der Volksaufstand
Am 16. Juni streikten die Arbeiter der Baustelle eines Berliner Krankenhauses und forderten die Rücknahme der Normerhöhung. Nachdem DGB-Funktionäre eine entsprechende Resolution zurückgewiesen hatten, bildete sich ein Demonstrationszug aus tausenden Arbeitern aus ganz Berlin und formuliert erstmals auch politische Forderungen. Die Versammlungen in zahlreichen Betrieben am 17. Juni zeigen, die Normerhöhungen und allgemeine Versorgungslage sind nur der Anlass des Protests. Es ging um den Rücktritt der Regierung, freie und geheime Wahlen und die Einheit Deutschlands. Die Streikbewegung weitete sich auf zahlreiche Betriebe aus, viele Berliner schlossen den Demonstrationen an, die inzwischen das Stadtbild bestimmten. Nach Ausschreitungen und Besetzungen von Regierungsgebäuden ziehen mittags sowjetische Panzer auf und eröffnen das Feuer auf die Demonstranten. Kurz darauf wird der Ausnahmezustand über Berlin verhängt, ab 21:00 Uhr gilt eine Ausgangssperre. Die sowjetischen Einsatzkräfte hatten die Lage in Berlin unter Kontrolle gebracht. Nach Berichten der Westberliner Polizei wurden durch das Einschreiten der sowjetischen Besatzungsmacht sieben Menschen getötet und 66 schwer verletzt. Doch der Aufstand erfasste am 17. Juni die gesamte DDR. In mehr als 700 Orten gingen die Menschen auf die Straßen, forderten den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen, die Freilassung der politischen Häftlinge, den Abzug der Besatzungstruppen und die deutsche Wiedervereinigung.
Der 17. Juni in Mecklenburg und Vorpommern
Im Norden der DDR blieb es dagegen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – relativ ruhig. In den großen Werften in Rostock, Barth und Stralsund wurde am 18. Juni vorübergehend die Arbeit niedergelegt, um gegen die Normerhöhung zu protestieren. Der größte dieser Streiks fand im Rostocker Dieselmotorenwerk statt, hier legten 2.200 Arbeiter die Arbeit nieder. 1.600 Arbeiter streikten auf einer Baustelle in Groß Dölln, Kreis Templin, und erklärten sich mit den Berliner Bauarbeitern solidarisch. In Teterow verlangten 400 Menschen vor dem Amtsgericht die Freilassung von Gefangenen. Fünf Inhaftierte wurden aus der Haft entlassen und von der Menge begeistert empfangen. Weitere Bestrebungen, die Arbeit niederzulegen, in Boizenburg, Grabow, Güstrow, Ludwigslust, Schwerin und Wittenberge wurden von SED, Volkspolizei und der sowjetischen Besatzungsmacht verhindert. In Gören, Kreis Strasburg, wurde die LPG aufgelöst, in anderen Dörfern erlebten die LPG Massenaustritte aus Protest. Darüber hinaus gab es im Norden der DDR einzelne kleine Unruhen und Protestaktionen, die sich im Wesentlichen gegen das Eingreifen der sowjetischen Besatzungsmacht und die Unfähigkeit der DDR-Regierung richteten. Die Situation war zwar überall unter Kontrolle, trotzdem wurde in allen drei Nordbezirken der Ausnahmezustand ausgerufen.
Folgen
Bis zum 6. Juli 1953 wurden 10.000 Personen durch Sicherheitskräfte der DDR und sowjetische Besatzungstruppen festgenommen. Die Prozesse führten neben den DDR-Gerichten auch sowjetische Militärtribunale. Es wurden langjährige Haftstrafen, Zwangsarbeit in sowjetischen Straflagern verhängt und fünf Todesurteile gefällt. Allein die DDR-Gerichte verhängten 1.500 Haftstrafen. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung und der spontane Aufstand verunsicherten die SED. Um die Bilder protestierender Menschen aus den Köpfen zu verdrängen, wurde die Legende entwickelt, es habe sich um einen faschistischen Putschversuch gehandelt, der von westdeutschen Provokateuren und Nazis – unterstützt von wenigen ostdeutschen Arbeitern – inszeniert wurde. Um der Gefahr einer Wiederholung des Volksaufstandes besser begegnen zu können, setzt die SED auf die Verstärkung ihres Überwachungs- und Repressionsapparates. Zunächst füllten Schlagzeilen, Bilder und Filmaufnahmen vom Volksaufstand die Medien des Westens. Vor dem Schöneberger Rathaus wurde der Opfer gedacht. Schnell ernannte der Bundestag den 17. Juni zum Feiertag, Straßen wurden umbenannt. Im Laufe der Jahre jedoch nahm die Empathie immer mehr ab.
Der 17. Juni als Feier- und Gedenktag
Bis 1990 war der 17. Juni in der Bundesrepublik Deutschland Feier- und Gedenktag: der Tag der Deutschen Einheit. Als sie am 3. Oktober 1990 endlich Wirklichkeit wurde, geriet der 17. Juni in den Hintergrund. Denn von da an war und ist der 3. Oktober der Tag der Deutschen Einheit. Aber auch wenn der 17. Juni heute kein Staatsfeiertag mehr ist: Auch für das wiedervereinigte Deutschland bleibt er ein wichtiger historischer Tag.
(Text: LpB MV auf Basis von bpb.de und bundesregierung.de)