Wahlergebnisse können nach verschiedenen Strukturmustern untersucht werden, die Aufschluss über Besonderheiten im Wahlverhalten und spezifische Wählergruppen von Parteien geben. Regional und sozialstrukturell finden sich auch in Mecklenburg-Vorpommern verschiedene Muster, die sich bei der Landtagswahl 2011 erneut gezeigt haben.
Regionale Strukturmuster
Grundsätzlich ist zu konstatieren, dass es im Bundesland eine doppelte Teilung der Wählerschaft nach Regionen gibt. Zum einen ist zwischen Stadt und Land zu unterscheiden und zum anderen zwischen den Landesteilen Mecklenburg und Vorpommern (siehe Tabelle 1). Beides ist auf allen Wahlebenen seit 1990 zu beobachten.
Der westliche Teil ist eher „SPD-Stammland“, der östliche „CDU-Stammland“ und Die LINKE wird flächendeckend mit Hochburgen in den ehemaligen Bezirksstädten gewählt. Gleichwohl finden sich in dieser Grobstruktur spezifische Hochburgen, wo besonders viele Stimmen auf eine bestimme Partei entfallen, und sogenannte Diasporagebiete, wo besonders wenig Stimmen angehäuft werden können. Dennoch gilt, dass die SPD durchschnittlich in Mecklenburg bessere Ergebnisse erreicht als in Vorpommern. Bei der CDU ist es genau umgedreht.
Die Stadt-Land-Unterschiede sind am einfachsten bei Bündnis 90/Die Grünen nachvollziehbar. Bei Städten über 25.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, also urbanen Zentren, erreicht die Partei ein zweistelliges Zweitstimmenergebnis. Bei Gemeinden unter 2000 Köpfen im Vergleich nur 6,6 Prozent. Bei der CDU ist auf einem höheren Niveau ein umgekehrter Trend erkennbar.
Sozialstrukturelle Muster
Die Bandbreite an Informationen, die in Nachwahlbefragungen erhoben werden, ist ausgesprochen reichhaltig. Gerade in Verbindung des Wahlverhaltens mit bestimmten sozialstrukturellen Mustern lassen sich Neigungen in der Wählerschaft ableiten.
Schaut man am Beispiel der Landtagswahl 2011 zuerst auf die nach Alter und Geschlecht sortierten Daten (siehe Tabelle 2), findet sich eine Einteilung nach Altersgruppen zunächst für alle Wählerinnen und Wähler sowie in der Folge nach der gleichen Systematik explizit für Frauen und Männer. Im Vergleich zum Wahlergebnis 2006 ist es sogar möglich, Gewinne und Verluste der Parteien innerhalb dieser Kategorien abzuzeichnen. Beispielhaft lässt sich dann sagen, dass die SPD unter den Frauen allgemein (40 %) aber besonders in der Kohorte über 60 Jahre signifikant stärker gewählt wurde, als bei Jüngeren.
Darüber hinaus ist gleichermaßen für CDU, Die LINKE und SPD augenfällig, dass sie im Gegensatz zu den Bündnisgrünen in den jüngeren Altersgruppen eher weniger als in den älteren gewählt werden. Im Detail ergeben sich selbstverständlich weitere Differenzierungen. Auffällig ist gleichermaßen die Tatsache, dass im Vergleich zu 2006 CDU und FDP in allen Altersgruppen klare Verluste hinnehmen mussten.
Eine weitere Betrachtungsebene ist die Einteilung der Wählerinnen und Wähler in soziale Gruppen (siehe Tabelle 3). Im Detail wird nach Bildungsgrad, Tätigkeit und Konfession gefragt. Zudem ergibt sich eine Kombinationsmöglichkeit mit dem Alter.
Das Ergebnis von 2011 bestätigt beispielsweise den Charakter von CDU und SPD als „Volksparteien“, die durch signifikante Wähleranteile in allen Bevölkerungsschichten unabhängig von Bildung, Tätigkeit, Alter und Geschlecht gekennzeichnet sind. In der Literatur werden 25 Prozent als relevante Marke im Zweitstimmenanteil beschrieben. Selbst wenn die CDU diesen Wert 2011 nicht erreicht, zeigt die sozialstrukturelle Darstellung der Wählerschaft dennoch einen vielschichtigen Zuspruch aus der Bevölkerung. Zudem wird die Partei überproportional von konfessionell gebundenen Bürgerinnen und Bürgern gewählt.
In der Betrachtung des Bildungsgrades findet sich ein klarer Gegensatz in der Wählerschaft von Bündnis 90/Die Grünen und der NPD. Erstere werden deutlich stärker von Bürgerinnen und Bürgern mit Abitur oder einem Hochschulabschluss gewählt, was eine Verbindung zu den urbanen Hochburgen der Partei wie den Universitätsstädten Greifswald und Rostock verdeutlicht. In der Wählerschaft der NPD sind niedrigere Bildungsabschlüsse überproportional vertreten.
Wenn es auch gut möglich ist, im Nachgang einer Wahl eine Analyse auf der Basis dieser Auswertungen anzufertigen, sind die erhobenen Daten nur bedingt geeignet, die Zielgruppe von Parteien zu bestimmen. Diese sind zwar durchaus von einer gewissen Festigkeit, aber eben längst nicht so klar abgrenzbar, wie es die abgebildeten Tabellen suggerieren.
Die ausführlichen Beschreibungen der Landtagswahl 2011, der Parteienergebnisse und der Wahrnehmung des Wahlkampfes erfolgten in zwei Veröffentlichungen der Arbeitsgruppe Politik und Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern:
- Koschkar, Martin und Christopher Scheele, Hrsg. 2011. Die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern 2011 – Die Parteien im Wahlkampf und ihre Wähler, Rostock 2011
- Koschkar, Martin und Steffen Schoon. 2012. Die mecklenburg-vorpommersche Landtagswahl vom 4. September 2011: Bestätigung der Großen Koalition mit sozialdemokratischem Zugewinn, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 43 (1): 3–18.
Autoren: Martin Koschkar und Christian Nestler, Arbeitsgruppe Politik und Wahlen
Teil 1: Die Analyse der Wahl 2011