Herr Koschkar, am 4. September wird der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Was macht diese Wahl besonders?
Martin Koschkar: Die Wählerinnen und Wähler entscheiden am 4. September über die Zusammensetzung des Landtages und somit über mögliche Mehrheiten für die Bildung der Landesregierung. Diese unmittelbare und direkte Wirkung für die Landespolitik macht jede Landtagswahl im Vergleich zu Kommunal-, aber auch Bundestags- oder Europawahlen besonders. Der Wahlakt legitimiert die Repräsentanten, den Landtag und die zu bildende Regierung für die nächsten fünf Jahre.
Inhaltlich wird 2016 viel über die Entwicklung des deutschen Parteiensystems diskutiert. Die Wahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am 13. März haben größere Schwankungen und auch steigende Beteiligungen gezeigt. Mehr Menschen sind zur Wahl gegangen, die Ministerpräsidenten wurden in wechselnden Koalitionen im Amt bestätigt und die Alternative für Deutschland ist in drei weiteren Landtagen vertreten. Der Wahltag muss im Spiegel der polarisierten Debatte um die Fragen von Geflüchteten und Zuwanderung auf Bundesebene und in den Ländern gesehen werden. Nun liegt die Aufmerksamkeit auf Mecklenburg-Vorpommern: Welche Themen werden hier wichtig? Welchen Einfluss hat die Bundespolitik und wie gestalten sich Gewinne und Verluste am Wahlabend?
In den letzten sechs Wochen vor der Wahl sind Sommerferien. Was bedeutet das für den Wahlkampf?
Sommer- und Schulferien sind für einen Wahlkampf sicherlich besondere Rahmenbedingungen. Die Menschen sind im Urlaub, der Alltagsrhythmus ist anders und politische Diskussionen stehen weniger im Mittelpunkt. Zudem sind viele Gäste in Mecklenburg-Vorpommern, für die jedoch der Wahlkampf und der Wahlausgang in MV gar keine Rolle spielt. All dies bedeutet eine Herausforderung für die Parteien und die Wahlkämpfer.
Auch mit Blick auf die Wahlbeteiligung könnten die Rahmenbedingungen von Bedeutung sein. Der Wahltag ist der letzte Tag der Sommerferien, das Land vielleicht noch im „Urlaubsmodus“. Es wäre naheliegend in diesem Zusammenhang auch über Möglichkeiten der Briefwahl und die allgemeine Bedeutung von Partizipation zu diskutieren, damit die Aufmerksamkeit für den Wahltermin erhalten bleibt.
Wir planen eine Serie gemeinsam mit der Arbeitsgruppe Politik und Wahlen, die es an der Uni Rostock gibt. Ohne Ergebnisse vorwegzunehmen: Wie erreicht man eigentlich Nichtwähler?
Diese Frage untersuchen wir gerade im Rahmen eines Hauptseminars mit Studierenden der Politikwissenschaft. In Projekte der Arbeitsgruppe, die es seit 2001 am Lehrstuhl für Vergleichende Regierungslehre des Instituts für Politik- und Verwaltungswissenschaften gibt, integrieren wir häufig Studierende, um diese bereits im Studium an Forschungsfragen und eigene wissenschaftliche Untersuchungen heranzuführen. Forschung und Lehre werden verbunden.
Allgemein finden sich in der öffentlichen Diskussion um die Frage der Mobilisierung von Nichtwählern unterschiedliche Ansätze. Einerseits wird politische Bildung betont, andererseits werden auch Wahlrechtsänderungen thematisiert.
Im Seminar nehmen wir die unterschiedlichen Einflussfaktoren, Motive und „Anreizsysteme“ bei der Frage von Wählermobilisierung näher in den Blick. Zum Semesterende im Juli wollen wir die Ergebnisse in der Arbeitsgruppe diskutieren.
Welche Themen wollen Sie in der Serie noch analysieren?
Neben der Frage von Wahlbeteiligung und Nichtwahl wollen wir unter anderem noch einmal den Blick auf die Wahl von 2011 richten und allgemein Strukturmuster des regionalen Wahlverhaltens seit 1990 in Mecklenburg-Vorpommern thematisieren. Die Frage von Rechtspopulismus und Rechtsextremismus wird mit einbezogen.
Weiterhin werden wir die Bedeutung unterschiedlicher Einflussfaktoren der Wahlentscheidung für die Landtagswahl 2016 erörtern. Die Nutzung unterschiedlicher Medien im Wahlkampf wird ebenfalls angesprochen. Nach dem Wahltag könnte auch die Rolle von Koalitionsmodellen mit eingefasst werden.
Hintergrund
Was ist die Arbeitsgruppe Politik und Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern?
Mit Bezug auf den Forschungsschwerpunkt des Lehrstuhls für Vergleichende Regierungslehre – „Mecklenburg-Vorpommern und der Ostseeraum“ – wurde im Jahr 2001 die Arbeitsgruppe Politik und Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern gegründet. Sie beobachtet und analysiert den politischen Transformationsprozess des Landes seit 1990. In regelmäßigen Abständen werden umfangreiche Analysen zu den Landtags- und Kommunalwahlen vorgelegt. Der Arbeitsgruppe gehören neben den Mitarbeitern am Lehrstuhl für Vergleichende Regierungslehre auch weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts sowie Absolventinnen und Absolventen an. Zudem werden besonders befähigte und interessierte Studierende in die Arbeiten eingebunden, die somit erste Erfahrungen mit der Forschung machen können.
Die Arbeitsgruppe hat mittlerweile über vierzig Einzelveröffentlichungen, Sammelbände, Aufsätze oder Artikel zu verschiedenen Landesthemen vorgelegt. Schwerpunkte sind hierbei die fortwährende Dokumentation der Wahlen sowie Untersuchungen der spezifischen Rahmenbedingungen eines ostdeutschen Bundeslandes. Hinzu kommen die Anrainer des Ostseeraums als Vergleichsperspektive. Beiträge zu diesem Schwerpunkt werden im Periodikum AGOS aktuell veröffentlicht.
Unter anderem wurde im Herbst 2013 mit „Politik in Mecklenburg-Vorpommern“ ein Sammelband vorgelegt, der die Arbeitsschwerpunkte der AG zusammenführt. Neben umfassenden Portraits der Landesverbände der politischen Parteien finden sich Aufsätze zu verschiedenen Politikfeldern sowie Fragen der politischen Kultur und der Perspektive des Landes im Ostseeraum.