Können Wahlen ausfallen?

Vom / Demokratie, Landtagswahlen, LpB

Foto: Pixabay

Für die am Mittwoch beginnende Plenarsitzung liegt dem Landtag ein Gesetzentwurf vor, wonach eine Wahl im Extremfall nur als Briefwahl möglich sein soll. MV will damit auf die Corona-Pandemie reagieren. Steffen Schoon (LpB) erklärt die Hintergründe – und antwortet auf die Frage: Können Wahlen eigentlich ausfallen?

Wahlen erfüllen ganz zentrale Funktionen, ohne die keine echte Demokratie auskommt. Durch Wahlen werden die Parlamente und damit auch die Regierungen durch das Volk legitimiert. Das bedeutet, dass Parlament und Regierung „auf Zeit“ Macht gegeben wird. Regelmäßige Wahlen sind daher das wichtigste Mittel, um Regierungen nach einer festgelegten Zeit auch wieder abberufen zu können. Dies ist ein zentrales Merkmal von Demokratien.

Wahlverschiebungen oder gar ein Ausfall von Wahlen wären deshalb ein schwerer Schlag für die Demokratie. Die Wahlgesetze geben daher immer auch einen festen Zeitraum vor, wann die Wahl abzuhalten ist. Was macht man aber nun, wenn die Wahlen beispielsweise aufgrund einer Naturkatastrophe aus rein praktischen Gründen nicht durchgeführt werden können, z.B. wegen eines umfassenden Kontaktverbots wegen der Corona-Pandemie?

Das Parlament hat das letzte Wort

Die Landesregierung hat daher einen Gesetzentwurf vorgelegt, der sicherstellen soll, dass Wahlen auch in solchen Katastrophenfällen stattfinden können. Demnach könnte die Regierung bestimmte gesetzliche Regelungen zum Wahlverfahren durch gesonderte Verordnungen außer Kraft setzen oder abändern. Natürlich darf aber nur der Landtag als Parlament über Gesetze und deren Änderungen beschließen, nicht jedoch die Regierung – man nennt das Gewaltenteilung. Das vorgelegte Gesetz muss daher gewährleisten, dass dieses Grundprinzip auch durch die darin vorgeschlagene Verordnungsermächtigung nicht beschädigt wird. Das Parlament muss das letzte Wort haben.

Mit Blick auf die Einschränkungen der Corona-Pandemie sollen v.a. in drei Bereichen des Wahlgesetzes Abweichungen möglich sein: Erstens, die flexiblere Organisation der Parteikonferenzen zur Aufstellung von Wahlbewerbern. Zweitens, die Absenkung der Anzahl der geforderten Unterstützungsunterschriften, damit neue Parteien an Wahlen teilnehmen können. Und drittens die Möglichkeit, die Wahl ausschließlich als Briefwahl durchzuführen.

Verfahren sind Leitplanken der Demokratie

Mit Blick auf die zuvor genannte Notwendigkeit, Wahlen durchzuführen, erscheinen diese Änderungen zunächst leicht nachvollziehbar und unproblematisch. Ganz so einfach ist es aber nicht. Denn: Politische Verfahren, also unter anderem eben auch Wahlen, sind die Leitplanken oder Spielregeln der Demokratie. Sie garantieren Verlässlichkeit und Beständigkeit, werden regelmäßig eingeübt und sorgen damit dafür, dass es ein Grundvertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Demokratie gibt. Änderungen an diesen Verfahren, wie auch an Verfassungen, sind ein Eingriff in die Statik der Demokratie und können – um es bildlich zu machen – eher mit dem Verschieben von tragenden Wänden bei einem Hausumbau als mit dem Neutapezieren eines Zimmers verglichen werden. Sie finden deshalb eher selten statt und sollten auch prinzipiell die Ausnahme bleiben.

Abwägung und Augenmaß

Denn die bisherigen Regelungen sind ja sinnvoll und haben einen wichtigen Zweck erfüllt. Die Vorschrift zum Beispiel, dass neue oder Kleinparteien zur Wahlzulassung Unterschriften sammeln und vorlegen müssen, dient dazu, den Wahlakt auf ernsthafte Bewerberinnen und Bewerber zu beschränken, dadurch das Stimmgewicht der einzelnen Wählerstimmen zu sichern und so indirekt der Gefahr der Stimmenzersplitterung vorzubeugen.

Noch problematischer in dieser Hinsicht, wäre ein vollständiger Verzicht auf die Öffnung von Wahllokalen. Denn dieser stellt einen großen Eingriff in einen der zentralen Wahlgrundsätze dar: den der geheimen Wahl. Eine derartige Regelung kann vermutlich nur unter sehr engen Voraussetzungen mit Blick auf das Ausmaß der entsprechenden Katastrophenlage als absolute Ausnahme erlassen werden. Und auch nur dann, wenn andere Mittel, zum Beispiel Hygienemaßnahmen im Wahllokal, nicht mehr möglich oder sinnvoll sind. So wäre es beispielsweise nicht denkbar, dass Einkaufsläden geöffnet haben, Wahllokale hingegen nicht.

Am Ende ist der vorliegende Gesetzentwurf ein anschauliches Beispiel, wie politische Entscheidungen entstehen. Beide Ziele – Durchführung der Wahl unter Katastrophenbedingungen sowie der Wunsch nach Beständigkeit im Regelwerk – sind nicht im vollen Umfang zugleich zu haben. Es geht daher darum, beide Ziele oder Güter miteinander abzuwägen, einen Kompromiss zu finden und diesen maßvoll umzusetzen. Ob diese Abwägung gelungen ist, müssen letztlich die Landtagsabgeordneten entscheiden.

Facebook