Die Boxer und die Stasi

Vom / Landeskunde, Zeitzeugen

Aus den Akten der Staatssicherheit zum SC Traktor Schwerin. Foto: Archiv

Im Spitzensport der DDR spannte die Stasi im Auftrag der SED ein dichtes Netz an informellen Mitarbeitern. Der SC Traktor Schwerin machte dabei keine Ausnahme. „Die Boxer und die Stasi“ – der Vortrag, der Film und das Gespräch zum Spitzensport im SED-Staat am 16. November in Schwerin.

Los geht’s am Dienstag um 18 Uhr im Wichernsaal (Apothekerstraße 48, 19055 Schwerin). Eingeladen hat die Landesbeauftragte für MV für die Aufarbeitung der SED-Diktatur Anne Drescher. Nach einer Einführung des Sportjournalisten André Keil zum Sportsystem der DDR wird der Film „Der Blues des Boxers – Staatssicherheit im
Sport“ von Matthias Hufmann und Benjamin Unger von 2017 gezeigt. Anschließend werden André Keil, Matthias Hufmann und die für sportgeschädigte ehemalige DDR-Sportlerinnen und Sportler zuständige Bürgerberaterin bei der Landesbeauftragten Dr. Daniela Richter zu den verschiedenen Aspekten und Folgen des DDR-Leistungssports ins Gespräch kommen. Moderiert wird der Abend vom stellvertretenden Landesbeauftragten Burkhard Bley.

Die kostenfreie Veranstaltung findet auf Grundlage der 2-G-Regelung statt. Ein Nachweis des vollständigen Impfschutzes oder der Genesung ist für die Teilnahme notwendig und wird beim Einlass geprüft.

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Der Blues des Boxers

Dirk Schäfer stand kurz davor, sich für die WM 1982 in München zu qualifizieren. Foto: Archiv

Dirk Schäfer war einer der besten Kämpfer der DDR – bis die Staatssicherheit ihm das Leben zur Hölle machte. Hier ein Auszug aus: Der Blues des Boxers (FAZ vom 25. Mai 2017).

Auf einer Länderkampftour der DDR-Auswahl 1982 in die Vereinigten Staaten und nach Kanada sollte Fritz Sdunek einen jungen Boxer fragen, ob man nicht zusammen abhauen wolle. „Nein“, war die Antwort. „Ich lasse doch meine Eltern nicht im Stich!“ Test bestanden. Keine besonderen Vorkommnisse, meldete Sdunek nach der Rückkehr. „So liefen die Überprüfungen damals ab.“

Mit Überprüfungen meinte er: Stasi-Überprüfungen. Sdunek, der spätere Weltmeister-Macher und Coach der Klitschkos, war in den 70er und 80er Jahren Klubtrainer in Schwerin und Assistent des DDR-Auswahltrainers. Zur Staatssicherheit hatte er ein entspanntes Verhältnis. Die Offiziere seien „recht lockere Typen“ gewesen, man habe sich stets im Plauderton unterhalten, heißt es in seiner Autobiographie „Durchgeboxt“. Nach eigenen Angaben sollte er über Auffälligkeiten in Trainingslagern und bei Wettkämpfen berichten. Die Stasi habe aber nie versucht, etwas aus ihm herauszupressen.

Dass die Karriere des jungen Boxers trotzdem zerstört worden ist, wird in Sduneks Autobiographie nicht erwähnt. Ebenso wenig, dass der Test auf der Länderkampfreise nur ein kleiner Teil eines detaillierten Plans war. Beides passt auch nicht zur Legende von der harmlosen Stasi.

Der junge Boxer war Dirk Schäfer. Zweimaliger DDR-Meister im Bantamgewicht, Dritter der Junioren-EM, eines der größten Talente des Landes. Er wurde noch 1982 aus seinem Klub verbannt und „in Unehren“ ausdelegiert. Das zeigen Stasi-Unterlagen, die unserer Redaktion vorliegen. Mindestens fünf Inoffizielle Mitarbeiter (IMs) und drei weitere Spitzel der Staatssicherheit hatten ihn systematisch überwacht. Sie sollten ermitteln, mit wem er sich traf. Wohin er ging. Worüber er sprach. Seine Pakete wurden von der Stasi geöffnet, seine Briefe gelesen. Es gab Ermittlungen im Ausbildungsbetrieb VEB Denkmalpflege Schwerin. IMs sollten erreichen, dass die Eltern ihrem Sohn zuredeten.

Schäfer war damals 20 Jahre alt. Die Stasi warf ihm vor, dass er „aufgrund seines Charakters und seiner Mentalität im Trainingskollektiv nicht akzeptiert“ wurde. Inoffizielle Mitarbeiter beobachteten, dass er Kontakte zu Kirchenkreisen in Schwerin unterhielt und sich mit „negativen und asozialen Personen“ umgab. Wiederholt wurde festgestellt, dass er „provokatorisch und die gesellschaftliche Entwicklung in der DDR negierend“ auftrat.

Dirk Schäfer sagt heute, dass er von der Überwachung nichts mitbekommen habe. Er war als Schüler von Ludwigslust ins Sportinternat nach Schwerin gewechselt, machte seinen Schulabschluss, trainierte täglich, ging aber auch gern aus. Er liebte Musik. „Ich war jung und wollte was erleben.“ Im Jugendklub einer Kirche hätte er Schmalzstullen gegessen, Tischtennis gespielt, Lieder gesungen. „Das waren für mich einfach nur junge Leute.“

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