Was tun, wenn die eigene Geschichte verloren zu gehen droht und ein wichtiges Gebäude verfällt? Der Verein „Alte Synagoge Stavenhagen e.V.“ zeigt auf eindrucksvolle Weise, dass wenige Personen den Unterschied machen können. Zehn Menschen fanden sich 2011 zusammen, um gemeinsam den Wiederaufbau der Stavenhagener Synagoge anzugehen. Neben der Herrichtung des Gebäude als Gebetshaus war die gesellschaftliche und politische Bildung von Anfang an eine wichtige Grundlage des Engagements: Die Auseinandersetzung mit der jüdischen Geschichte und dem Nationalsozialismus sowie die Förderung von Bildung, kultureller Vielfalt und demokratischer Kultur in der Region werden von dem Verein bis heute zum Selbstverständnis erklärt.
Dabei haben die Menschen und das Gebäude eine bewegete Geschichte gesehen: Die Stavenhagener Synagoge wurde im 19. Jahrhundert in der Malchiner Straße in Stavenhagen errichtet – auf dem Hinterhof, da sie von außen nicht sichtbar sein sollte. Fast 100 Jahre lang hatte damit jüdisches Gemeindeleben in Stavenhagen seinen Platz und zeitweise über 150 Mitglieder. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten fand wahrscheinlich 1935 der letzte Gottesdienst in der Synagoge statt. 1938 floh mit Sally Schlachter der letzte Rabbiner Stavenhagens aus Deutschland. Während der sog. Pogromnacht 1938 wurde dennoch Feuer im Gebäude gelegt. Der Brand konnte durch das Eingreifen eines Nachbarn gelöscht werden, der sich aber offenkundig vor allem um sein eigenes Haus sorgte. 1939 wurde das Gebäude von den verbliebenen sieben Mitgliedern der jüdischen Gemeinde Stavenhagens für 7.000 Reichsmark zwangsverkauft und am 10. Juli 1942 wurden die letzten acht jüdischen Einwohner Stavenhagens nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Schon in den 1980er Jahren waren neben der Synagoge auch das ehemalige Schulhaus der Gemeinde dem schleichenden Verfall ausgesetzt. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die alte Synagoge ab 1988 unter Denkmalschutz stand. Glückliche Umstände und verantwortungsbewusstes Handeln der Eigentümer führten schließlich dazu, dass mit dem im Jahr 2011 gegründeten Verein „Alte Synagoge Stavenhagen“ ein Erbbaupachtvertrag abgeschlossen wurde. Sie haben sich fortan um das Einwerben von Fördermitteln und von Spendengeldern gekümmert und in den Jahren 2012 und bis zur Fertigstellung 2017 die Sanierung durch Höhen und Tiefen begleitet.
Der Verein hat somit einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur in diesem Land geleistet. Das jüdische Leben und die Erinnerung an die jüdische Kultur und Geschichte war 1945 nicht nur in Stavenhagen weitgehend ausgelöscht. Die Arbeit des Vereins reicht dabei weit über die Grenzen Stavenhagens hinaus: Im November wurde beispielsweise auf Initiative des Vereins auf dem Friedhof Hamburg-Ohlsdorf dem letzten Gemeindevorsteher Max Nathan ein Grabstein gesetzt. Und ein Buch zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Stavenhagens befindet sich auch in Vorbereitung.
Die Antwort des Vereins auf die Herausforderungen der heutigen Zeit heißt somit: Bildung, Austausch und kulturelle Vielfalt. Menschen können nicht zu demokratischen Haltungen gezwungen werden. Aber es können Angebote gemacht werden, die Ihnen erlauben, solche Haltungen zu entwickeln oder zu festigen. Seit der Eröffnung im Jahr 2017 wurde die Alte Synagoge zu einem Ort des Austauschs und der Begegnung. Die Bandbreite reicht von Konzerten (Irish Folk, Klassik, die „Tage jüdischer Musik“) über Lesungen bis zu Vorträgen und Ausstellungen. Die Alte Synagoge ist heute ein lebendiger Ort, ein Gesprächsraum geworden für den Austausch über Kultur, Politik, Geschichte und gesellschaftliche Fragen. Dies alles geht nur mit einem großen persönlichen und ehrenamtlichen Einsatz.
Wir sagen danke!