„Ick swör, dat ick min Kraft vör Volk un Land hengäw, dat ick dat Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland un de Verfatung von Mäkelborg-Vörpommern un de Gesetze wohren un deffensieren, mine Pflichten gewissenhaftig nahkamen un gerecht sin will gegen jedwereinen.“ So würde es klingen, wenn der Ministerpräsident und die Minister bei Amtsantritt ihren Eid op platt leisten würden.
Artikel 44 dürfte eine der leichteren Passagen gewesen sein, die Dr. phil. Jürgen Gundlach Anfang der 90er-Jahre platt gemacht hat.
Die Indemnität, Immunität und das Zeugnisverweigerungsrecht aus Artikel 24 bereiteten dem Philologen und Dialektologen aus Wismar sprachlich gesehen hingegen so manches Kopfzerbrechen. „Plattdütsch is nu mal keine Juristenspraak“, sagte er mal. Deshalb falle die Verfatung im Vergleich zur Verfassung an vielen Stellen auch etwas freier aus, so Dr. Wolfgang Röhl. Der Ausschuss-Sekretär im Agrarausschuss begleitet die Übersetzung seit Anbeginn seitens der Landtagsverwaltung und spricht lieber von einem „Överdragen“ als von einem „Übersetzen“.
Beispiele gefällig?
Artikel 6 (Datenschutz, Informationsrechte)
(1) Jeder hat das Recht auf Schutz seiner personenbezogenen Daten. Dieses Recht findet seine Grenzen in den Rechten Dritter und in den überwiegenden Interessen der Allgemeinheit.
Artikel 6 (Datenschutz un Rechte up Unnerrichtung)
(1) Jedwerein hett dat Recht up Schutz von dei Daten, dei ganz allein em angahn. Dit Recht hett œwer sin Grenzen, wenn dat Recht von einen annern dorgegen steiht un wenn de Interessen von de Allgemeinheit den Vörrang hebben möten.
Artikel 8 (Chancengleichheit im Bildungswesen)
Jeder hat nach seiner Begabung das Recht auf freien Zugang zu allen öffentlichen Bildungseinrichtungen, unanbhängig von seiner wirtschaftlichen und sozialen Lage sowie seiner weltanschaulichen oder politischen Überzeugung. Das Nähere regelt das Gesetz.
Artikel 8 (Dat Recht up Billung)
Jedwereinen möt de Taugang apen stahn tau alle Inrichtungen för Billung, de öffentlich sünd, wenn hei man de rechte Begabung hett; dat geltt, in wecke Lag‘ hei wirtschaftlich un sozial ok is un wat vör einen Globen un Weltansichten hei ok hett un wat ümmer sin politisch Meinen ist. Dat Negere rägelt dat Gesetz.
Artikel 34 (Untersuchungsausschüsse)
(1) Der Landtag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, zur Aufklärung von Tatbeständen im öffentlichen Interesse einen Untersuchungsausschuss einzusetzen […].
Artikel 34 (Unnersäukungsutschüsse)
(1) De Landdag hett dat Recht un, wenn ein Viertel von sin Mitglieder dat beandrag’t, de Pflicht, Unnersäukungsutschüsse intausetten, üm Saken ant Licht tau bringen, die de Börgers angahn un dei sei weiten süllen […].
Grundlage für Gundlachs Formulierungen war das Platt von Fritz Reuter. Damals unbekannte Worte wie „Datenschutz“ oder „Geschäftsordnung“ wurden unverändert übernommen.
Wann immer die Verfassung geändert wurde, holte Jürgen Gundlach an den entsprechenden Paragrafen Reuter hervor. Bis zu Gundlachs Tod 2014 war das viermal der Fall. Die Verfassungsänderung aus diesem Jahr wird in den plattdeutschen Ausgaben nun zunächst mit einem hochdeutschen Einlegezettel deutlich gemacht. Und dann muss Wolfgang Röhl ran. Gut, dass sein Opa einst so viel platt mit ihm gesnackt hat – „und ich Jürgen Gundlach so lange bei seiner Arbeit begleiten durfte“.
Und was ist nun mit Artikel 24 (Indemnität, Immunität, Zeugnisverweigerungsrecht)? Der heißt up platt frei nach Gundlach: „Artikel 24 (Dat de Aforrerten unbesorgt fri nah ehr Meinen in den Landdag debattieren un afstimmen kœnen, dat gegen ehr nich so einfach gerichtlich un polizeilich vörgahn warden dörf, un wo œwer sei nich Tügnis afleggen bruken)“.