Herr Müller wird Stadtvertreter

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Herr Müller stellt sich zur Wahl. Er möchte Stadtvertreter in seiner Heimat werden. Ein aufregendes Erlebnis… erzählt in einer kleinen Geschichte. Unser Ferientipp Nummer 4.

Am Anfang war die Idee

„Das geht so nicht!“, schimpft Herr Müller, als er zum Bäcker geht. Zwanzig Minuten braucht er, bis er beim Bäcker ist und zwanzig Minuten zurück. Früher, als die Brücke noch nicht gesperrt war, als er noch keinen Umweg gehen musste, da waren die Brötchen noch warm, wenn er sie zu Hause aus dem Beutel holte. „Das geht so nicht“, schimpft Herr Müller, als er die kalten Brötchen auspackt.

„Das mit der Brücke!“, sagt Herr Müller, als seine Frau ihn mit großen Augen ansieht. Seit einem Jahr ist die Brücke gesperrt, sie hat Risse im Beton, sie könnte einstürzen. Seit einem Jahr müssen alle aus dem Viertel einen Umweg von knapp 2 Kilometern laufen oder fahren, wenn sie ins Stadtzentrum wollen. Da kommen im Jahr etliche tausend Kilometer zusammen. Sinnlose Fahrerei.

Die Brücke muss dringend neu gebaut werden, das sagen alle. Aber die Stadt braucht das Geld dafür woanders dringender.

In diesem Jahr, im nächsten Jahr. Und im Jahr darauf sieht es auch schon wieder schlecht aus. „Das geht so nicht weiter”, schimpft Herr Müller.

„Dann unternimm etwas”, sagt Frau Müller, „einfach nur rummeckern, das kann jeder.“ „Jawohl“, sagt Herr Müller, „jawohl, das werde ich!“

Gemeinsam ist man lauter als allein

Herr Müller liebt seine Stadt. Und er tut etwas für seine Stadt. Wenn der Ortsbeirat zum Frühjahrsputz aufruft, steht Herr Müller mit der Harke bereit. Und so kennt Herr Müller viele Leute und noch mehr Leute kennen Herrn Müller. Der Vorsitzende vom Ortsbeirat wohnt nur vier Häuser weiter.

„Du Lothar“, sagt Herr Müller, man kennt sich im Viertel, „mit unserer Brücke, da müsst ihr dringend etwas unternehmen.“ „Ja, mein Lieber“, sagt Lothar, der Ortsbeiratsvorsitzende, „darüber reden wir seit zwei Jahren. Genutzt hat es nichts. Entschieden wird das in der Stadtvertretung. Und wenn die dort anderes für wichtiger halten, sieht es dunkel aus für unsere Brücke.“

Frau Schulze von gegenüber ist bei ihnen stehengeblieben und Herr Meier vom Eckhaus. Die Lehmanns kommen gerade vom Einkaufen und halten kurz an. „Vielleicht sollten wir eine Bürgerinitiative gründen“, sagt Herr Lehmann. „Gute Idee!“, sagt seine Frau. Die anderen murmeln zustimmend. Gemeinsam ist man einfach lauter als allein. „Jawohl“, sagt Herr Müller, „und ich kandidiere für die Stadtvertretung, da kann uns dann keiner mehr überhören.“

Eine kommunale Wählergemeinschaft

Das war vielleicht eine unruhige Nacht für Herrn Müller. Im Traum hatte er sich schon am Rednerpult im Rathaus gesehen – und als er etwas sagen wollte, hatte der den ganzen Text vergessen. So einfach ist es nämlich nicht, Stadtvertreter zu sein. Und zu werden erst recht nicht. Herr Müller war ja in keiner Partei. Wäre er CDU-Mitglied oder bei der SPD, dann könnte er sich aufstellen lassen als Kandidat. Und schnell noch irgendwo eintreten? Dafür reicht die Zeit jetzt nicht mehr.

Herr Müller hat sich schlau gemacht, hat alles zur Kommunalwahl gelesen, was er in der Bibliothek und im Internet finden konnte. Und danach schlecht geträumt.

Herr Müller könnte als Einzelbewerber kandidieren. Er müsste sich aber um alles selbst kümmern. Im Wahlkampf um die Plakate und später in der Stadtvertretung, da würde er womöglich allein dastehen und ganz allein um die Brücke kämpfen.

Aber es gab ja in seiner Stadt, wie in so vielen Städten und Gemeinden, neben den Parteien auch Wählergemeinschaften. Darin haben Bürger sich zusammengeschlossen, um etwas für ihre und in ihrer Stadt zu bewegen. Man unterstützt sich gegenseitig. Gemeinsam ist man nicht nur lauter, sondern auch stärker als allein. „Die Wählergemeinschaft ist genau das richtige für mich“, sagt Herr Müller.

Herr Müller wird Kandidat

Es waren aufregende Wochen für Herrn Müller. Ein Freund hatte ihn mitgenommen, zu einer Versammlung der Wählergemeinschaft. Und Herr Müller hat gestaunt, wie viele der Männer und Frauen er doch kannte und wie viele ihn schon kannten. Die Lehrerin seiner Tochter war dabei und der Wirt der ältesten Gaststätte der Stadt. Ein alter Schulfreund und die Bäckerin.

Herr Müller brauchte sich gar nicht mehr vorzustellen, nur noch von seinen Vorstellungen zu erzählen, von der Brücke, die so notwendig ist, und wie er sonst so dachte, über seine Stadt. Und Herr Müller hörte zu. Hörte sich an, was die anderen bewegte und erkannte, dass seine Brücke wohl wichtig war, aber dass es in der Stadt ein paar noch wichtigere Dinge gab.

Als der Termin der Kommunalwahl näher rückte, traf sich die Wählergemeinschaft zur Wahl ihrer Kandidaten für die Stadtvertretung. Jeder konnte jemanden vorschlagen. Die Bäckerin schlug Herrn Müller vor, im Saal wurde zustimmend gemurmelt. Herr Müller erzählte noch einmal von seiner Brücke und welche anderen Ideen er gern unterstützen würde.

Am Ende wurde abgestimmt, geheim und schriftlich. Und Herr Müller hatte die drittmeisten Stimmen von allen erhalten. Stolz unterschrieb er sein Einverständnis mit der Nominierung. Der Wahlleiter der Stadt musste die Nominierungen noch einmal prüfen. Aber es ist alles in Ordnung, Herr Müller kann jetzt ganz offiziell gewählt werden. Auch sein Name wird auf den Stimmzetteln stehen.

Herr Müller ist im Wahlkampf

Extra herausgeputzt hatte sich Herr Müller. Sein bestes Sakko hatte er angezogen und sogar eine Krawatte umgebunden. Der Fotograf hatte zum Shooting gebeten. Es sollte ein gutes Foto werden, kein Schnappschuss fürs Familienalbum, sondern ein nettes Portrait, das auf Plakate gedruckt den Wählern zeigen soll: Guckt mal, so nett sieht der Herr Müller aus. So einem kann man doch vertrauen.

Es war Wahlkampf und im Wahlkampf dürfen die Parteien, Kandidaten, Einzelbewerber und Wählergemeinschaften die Pfähle und Laternen in der Stadt mit Wahlplakaten vollhängen. Und so war die Stadt voll mit Gesichtern, mit Frauen und Männern, die alle gewählt werden wollten. Viel mehr, als es Plätze in der Stadtvertretung gibt. Zu den Gesichtern standen Namen und Sprüche. Manche waren sehr allgemein. Da stand dann: „Für unsere Stadt“. Und auf manchen, wie auf dem von Müller, stand eine klare Botschaft: „Eine Brücke zur Südstadt!“

Herr Müller fand das ein bisschen unheimlich. Überall in der Stadt traf er sich jetzt selbst. Verstecken konnte er sich nicht. Er wollte ja gewählt werden. Und plötzlich wurde er von Menschen gegrüßt, die er gar nicht kannte. Und einmal musste er sogar auf eine große Bühne zu einer Kundgebung.

Vor so vielen fremden Menschen hatte er noch nie geredet. Richtige Bauchschmerzen hatte er. Zur Sicherheit hatte er alles aufgeschrieben, was er sagen wollte. Aber als er dann oben stand, mit dem Mikrofon in der Hand, da war er auf einmal ganz ruhig. Den Zettel hat er einfach in der Tasche gelassen und hat von seiner Brücke erzählt. Und davon, was er sonst noch so wichtig findet, in seiner Stadt. Und das Publikum hat genickt, viele haben geklatscht und ein paar haben sogar „Müller, Müller“ gerufen.

Herr Müller gibt seine Stimme ab

Heute ist endlich Wahlsonntag und Herr Müller ist schon um fünf Uhr aufgestanden. Er ist viel zu kribbelig zum Schlafen. Er hat sich vor Aufregung sogar zweimal rasiert. Immer wieder schaut er auf die Uhr. Um acht öffnet endlich das Wahllokal seine Türen. Herr Müller ist der erste, der eintritt. Zwei Frauen geben die Wahlzettel aus. Herr Müller muss seinen Ausweis zeigen. Ordnung muss sein. Auf einer Liste wird hinter seinem Namen ein Haken gesetzt, dann darf er wählen.

Bei dieser Wahl hat jeder Wähler drei Stimmen, die er frei verteilen darf. Herr Müller macht alle drei Kreuze hinter seinem Namen. Er möchte ja unbedingt Stadtvertreter werden. Dann faltet er den Zettel und steckt ihn durch einen Schlitz in die Wahlurne. Geschafft, die ersten Stimmen hat er.

Zu Hause läuft er hinter dem Fenster auf und ab und beobachtet die Leute auf dem Weg zum Wahllokal. Als Frau Meyer mit ihrem Enkel Nils vorbei- kommt, winkt Herr Müller ihnen zu. „Waren Sie schon wählen?“, fragt er. Frau Meyer lacht: „Noch nicht, aber ich gehe gerade meine Stimme abgeben.“ Nils macht große Augen: „Deine Stimme abgeben? Brauchst du sie denn nicht mehr?“ Frau Meyer lacht: „Ach was, das ist doch nur ein anderer Ausdruck für wählen gehen.“ Im Wahllokal darf Nils sogar mit in die Wahlkabine. Nils schaut auf den langen Zettel, den seine Oma von der Frau am Eingang bekommen hat. Er sieht viele Zeilen mit Namen. Alle wollen Stadtvertreter werden. Frau Meyer sucht den Namen von Herrn Müller. Ah, da ist er. Sie macht zwei Kreuze dahinter. Eines setzt sie woanders.

„Psst, aber nichts verraten“, flüstert sie Nils zu. Keiner soll wissen, wen sie wählt. Deshalb stehen sie ja auch in der Kabine. Das machen alle Wähler so. Denn Wahlen sind geheim.

Die Stimmen werden ausgezählt

Um 18 Uhr hält es Herr Müller nicht mehr zu Hause aus, so aufgeregt ist er. Seine Wählergemeinschaft hat in der Stadt für die Wahlparty einen kleinen Saal gemietet, da gibt es jetzt Schmalzbrote und Sekt und Wasser und Bier. Gemeinsam mit seiner Frau geht er dorthin.

Um 18 Uhr haben die Wahlhelfer die Wahllokale abgeschlossen. Jetzt geht es ans Auszählen der Stimmen. Sie öffnen die Wahlurne und schütten die Wahlzettel auf den Tisch. Dann wird gezählt. Stimme für Stimme. Am Ende kommen noch die Stimmen von der Briefwahl dazu. Jetzt wird es ein bisschen kompliziert. Die Sitze in der Stadtvertretung werden nach den Ergebnissen der einzelnen Parteien oder Wählergemeinschaften vergeben. Je mehr Stimmen, desto mehr Sitze bekommen die Parteien. Herr Müllers Wählergemeinschaft hat 12 Sitze bekommen. Und der Herr Müller hat die drittmeisten Stimmen von allen Kandidaten seiner Gemeinschaft bekommen.

Das heißt, Herr Müller ist gewählt.

Er ist jetzt Stadtvertreter. Herr Müller ist glücklich und bekommt das Strahlen gar nicht mehr aus seinem Gesicht. Ob das mit der Reparatur seiner Brücke etwas wird, das weiß er nicht. Aber dafür kämpfen, ja, das wird er!

Lesetipp

Herr Müller wird Stadtvertreter. Herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildung MV. Kostenlos zu bestellen – hier

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